Spektralanalyse [1]

Spektralanalyse [1]

Spektralanalyse. Gegenstand der Spektralanalyse ist die Unterscheidung der chemischen Körper nach ihrem Verhalten in Beziehung auf das Licht verschiedener Wellenlänge, sei es, daß sie im glühenden Zustande auf die Wellenlänge des von ihnen emittierten Lichtes geprüft werden, sei es, daß das von ihnen im glühenden oder im kalten Zustande absorbierte Licht der Prüfung unterliegt. Im Zusammenhang mit dieser nächsten Aufgabe steht die Ausdehnung der Untersuchung auf das Verhalten gegen die infraroten und die ultravioletten Strahlen, die Prüfung der Unterschiede des Verhaltens bei Veränderung der Temperatur und der Konzentration und endlich die Lehre von den Gesetzmäßigkeiten, welche die denselben oder verwandte Körper charakterisierenden Lichtwellenlängen erkennen lassen.

Sowohl für die Lehre von der Emission im allgemeinen als auch für die Erscheinungen der Lichtabsorption und ihre technische Bedeutung für die Warenprüfung verweisen wir auf die Art. Emission und Absorption. Auch die Mittel, gemischtes Licht in seine homogenen Bestandteile zu trennen, Spektra zu erzeugen, das Prisma und die Gitter, wurden in den Art. Farben, Prisma, Lichtbeugung behandelt.

Als Mittel, um Körper in den Zustand der Lichtemission überzuführen, dient zunächst der Bunsenbrenner, der eine Temperatur bis gegen 2400° C. zu erzeugen vermag, bei der sich die Metallsalze von Na, K, Li, Cs, Rb, auch solche von Ca, Ba, Sr, so zersetzen, daß die Dämpfe der freien Metalle in den Zustand des Glühens geraten und die diesen charakteristischen Linienspektra zeigen. Für die Salze der Schwermetalle genügt diese Temperatur nicht; man bedient sich des Knallgasgebläses mit etwa 3000° C. oder am besten des elektrischen Bogenlichts mit 4000–5000°. Die beiden Kohlenstifte stehen sich senkrecht gegenüber, die unten stehende positive Kohle erhält eine kleine Höhlung, in die man die zu prüfende Probe der Metallverbindung bringt. Die Metalloide, besonders die farblosen durchsichtigen Gase, bringt man im verdünnten Zustand in Geißlersche Röhren, denen man in der Mitte eine kapillare Verengung gibt. Beim Durchgang der Entladungen eines Funkeninduktors oder der Funken einer Influenzmaschine zeigt sich der verengte Rohrteil im Licht der betreffenden Substanz,[170] wobei man es in der Hand hat, durch Erhöhung der Funkenspannung die Entladungstemperatur zu steigern. Freilich ist der Thermometergrad für die Temperatur elektrisch erregter Molekel und Atome bis jetzt von Zweifelhafter Bestimmbarkeit. Um Metallspektra in Geißlerschen Röhren zu erzeugen, kann man die Elektroden aus den betreffenden Metallen herstellen. Diejenigen Verbindungen, die sich in der Flamme des Bunsenbrenners oder im elektrischen Lichtbogen nicht zersetzen, liefern die den Verbindungen charakteristischen Bandenspektra.

Die Anordnungen zur optischen Untersuchung des emittierten Lichts glühender Körper oder des durch Absorption durchsichtiger Körper veränderten Lichts heißen Spektralapparate, Spektroskope, Spektrometer, Spektrographen. Kirchhoff und Bunsen, die Begründer der Spektralanalyse [1], haben dem Spektralapparat die durch beistehende schematische Figur erläuterte Gestalt gegeben. Das zu prüfende Licht dringt durch eine mittels Mikrometers breiter oder seiner einstellbare Spalte S in das Kollimatorrohr mit der Kollimatorlinse C, durch welche die vom Spalt divergierenden Strahlen in parallele Richtung gebracht werden, wie wenn der Spalt in unendlicher Entfernung stünde. Ueber ein Mittel der Lichtverstärkung s. Bd. 6, S. 171 (Zylinderlinsen). Die Figur entspricht dem Fall homogenen Lichtes, wie wenn der Spalt nur etwa das gelbe Licht der Natriumflamme aussenden würde. Das Licht dringt parallelstrahlig ins Prisma und wird beim Eintritt und Austritt gebrochen, so daß es parallelstrahlig zum Objektiv A des Fernrohrs O A gelangt, das auf unendlich eingestellt dem hinter dem Okular O stehenden Auge ein scharfes Bild der Spalte liefert, das aber auch auf einer in die Brennebene F des Objektivs gebrachten photographischen Platte aufgefangen werden kann. Mit dieser Vorrichtung versehen, wird der Apparat zum Spektrograph. Für jede stärker oder schwächer gebrochene andre Lichtsorte fällt das Bild auf eine andre Stelle der Brennebene F, in der so das weiße Licht glühender fester oder flüssiger Körper ein kontinuierliches Spektrum erzeugt. Um den Ort einer hellen Linie eines Linienspektrums, eines Streifens eines Bandenspektrums, einer dunkeln Linie oder eines Schattens eines Absorptionsspektrums sicher zu bestimmen, bedient man sich des Skalenrohrs T B mit einer seinen, auf Glas photographierten Teilung T, deren Fernrohrbild infolge Reflexion der Strahlen an der einen Prismenfläche sich mit dem Bilde des Spektrums deckt. Bei sehr genauen Ortsbestimmungen der Spektrallinien bedient man sich der Vergleichsspektra, indem man Linien bekannter Wellenlänge, also bekannten Orts im Spektrum, zugleich erzeugt und die Abstände der zu prüfenden Linien mit den Abständen der bekannten vergleicht. Hierfür dient das von Kirchhoff eingeführte Vergleichsprisma, das durch Totalreflexion das Licht einer seitlichen Lichtquelle auf die eine Spalthälfte wirst, während die andre Spalthälfte das zu prüfende Spektrum liefert.

Zur Verstärkung der Dispersionskraft des Spektralapparats hat schon Kirchhoff die Zahl der Prismen, die nacheinander vom Licht zu durchlaufen sind, auf die Zahl vier erhöht; man ist aber in dieser Vermehrung noch viel weiter gegangen zugleich unter Anwendung des Kunstgriffs, mittels Totalreflexion die Strahlen zum zweiten- oder gar zum dritten- und viertenmal zum Durchlaufen desselben Prismensatzes zu bringen. Da hierbei durch selbsttätige Mechanismen dafür gesorgt werden muß, daß für jede Einstellung die einzelnen Prismen von den Strahlen unter gleichen Eintritts- und Austrittswinkeln (Minimum der Ablenkung) durchlaufen werden, so sind bei sehr verstärkter Dispersion nur je ganz beschränkte Gebiete des gesamten Spektrums der gleichzeitigen Untersuchung zugänglich.

In dem Spektroskop mit gerader Durchsicht sind Prismen verschiedener Substanz mit abwechselnd entgegengesetzt wirkender Ablenkung so gestellt, daß die Gesamtablenkung für einen Strahl mittlerer Wellenlänge zu Null wird, dagegen eine möglichst große Differenz der Farbenzerstreuung übrig bleibt. Brownings oder besser Hofmanns, des ersten Erfinders, Taschenspektroskop ist nach diesem Prinzip gebaut unter Ersparung der Kollimatorlinse. Man kann indessen die Geradsichtigkeit auch durch Spiegelung erreichen; vgl. [2], S. 402.

Einen ganz besonders wichtigen Fortschritt für die Spektralanalyse bietet der Ersatz der Prismen durch Gitter zur Erzeugung der Spektra. Die mittels der Prismen erzeugten Spektra sind nicht nur in der relativen Ausdehnung der einzelnen Spektralgebiete von der Substanz des Prismas abhängig, sie sind zugleich durch die absorbierenden Eigenschaften der Prismensubstanz beeinflußt, so daß man z.B. für die Untersuchung des infraroten Gebiets Prismen aus Steinsalz, Flußspat, Sylvin statt der Glasprismen verwenden muß. Die Konkavgitter von Rowland in Baltimore mit 20000 seinen parallelen Diamantritzen pro englischen Zoll und einer 0,00000002 mm Abweichung nicht übersteigenden Konstanz des Abstandes der Ritzen [2], S. 672, gestatten es, die genannten Nachteile der Prismen zu vermeiden, die Anwendung der Kollimation, überhaupt jeder Linse zu ersparen und die stärker zerstreuten Beugungsspektra höherer Ordnung von jenen niederer Ordnung in der Beobachtung zu trennen. Sie scheinen besonders in der Spektralanalyse der Gestirne und in der photographischen Methode der Beobachtung die Prismen allmählich ganz zu verdrängen. Zur Theorie dieser Konkavgitter verweisen wir auf [2], S. 673 ff. Die photographische Methode der Spektralbeobachtung ist es besonders, die das Studium des ultravioletten Gebiets des Spektrums bis auf eine sehr weite Ausdehnung (Wellenlänge 100, µ, µ) ermöglicht. Aber auch das infrarote Gebiet ist ihr zugänglich geworden durch Vogels Erfindung der optischen Sensibilisatoren [4], Farblösungen, welche die Lichtempfindlichkeit für diese Farben erzeugen. Abney fand eine Bromsilbergelatineemulsion, welche die Lichtempfindlichkeit der photographischen Platte bis 2,7 µ erweiterte (1 µ = 0,001 mm, 1 µ µ = 0,001 µ).[171] Ein weiteres Mittel zum Studium des infraroten Gebiets bietet die Eigenschaft phosphoreszierender Substanzen, durch infrarote Strahlen ihre Phosphoreszenz zu verlieren. In einem Absorptionsspektrum auf phosphoreszierendem Schirm bleiben die dunkeln Linien leuchtend. Besonders aber hat das Langleysche Bolometer gestattet, die Untersuchungen des Spektrums weit über das Gebiet des sichtbaren Teiles hinaus zu erweitern.

Unter den wissenschaftlichen Errungenschaften, die man der Spektralanalyse verdankt, stehen obenan die Entdeckungen neuer chemischer Elemente. Das Rubidium und Cäsium wurden durch Bunsen entdeckt, später durch Crookes das Thallium, durch Reich und Richter das Indium, durch Lecoq de Boisbaudran das Gallium, wozu noch weiterhin kommen das Germanium, Scandium, Helium, dieses als irdischer Stoff, nachdem es zuvor in der Sonnenkorona entdeckt war, mit den andern Edelgasen Argon, Krypton, Neon, Xenon. Für unsre astrophysikalischen und astronomischen Kenntnisse war die Spektralanalyse von größter Bedeutung. Die Unterscheidung des weißleuchtenden Körpers der Sonne von der ihn bedeckenden Chromosphäre, die durch die Dämpfe der in ihr enthaltenen Metalle die Fraunhoferschen Linien als Absorptionslinien erzeugt, verdanken wir Kirchhoff. Als schmaler Saum der Sonnenscheibe zeigt diese Schicht bei Sonnenfinsternissen dieselben Linien als helles Emissionslinienspektrum. Die Elemente Na, Mg, Ca, Sr, Ba, Fe, Co, Ni, Er, Zu, Mn, Ti, H und He sind mit Sicherheit in der Chromosphäre erkannt, von andern ist ein Teil der ihnen charakteristischen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Auch die Fixsterne zeigen solche Absorptionsspektra und werden nach der Beschaffenheit dieser von Secchi in vier, von Vogel in drei Typen geteilt, den weißen Typus mit sehr zarten dunkeln Linien und mit Absorptionsbändern des Wasserstoffs, den gelben Typus mit Spektren nach Art der Sonne, den roten Typus mit Linien auch von Schwermetallen, wie Hg, Bi, und besonderem Vorherrschen der dunkeln Linien und Bänder im Blau und Violett als Zeichen der niedrigeren Temperatur. Das Spektroskop hat ferner über die Natur der Sternnebel Aufschluß verschafft, indem es diejenigen, die ein kontinuierliches Emissionsspektrum zeigen, als Sternhaufen, diejenigen mit Streifenspektren als leuchtende Gasmassen (Stickstoff und Wasserstoff) zu erkennen gibt. Auch die Natur der Kometen wurde etwas erstellt, indem man in ihrem Lichte das Bandenspektrum des Kohlenstoffs erkannte, wie es die Kohlenwasserstoffe geben. Endlich ist noch der Gebrauch des Spektroskops zur Bestimmung der Geschwindigkeit der Himmelskörper in Richtung der Gesichtslinie hervorzuheben. Nach dem Dopplerschen Prinzip hat die Bewegung einer Lichtquelle in Richtung des Visionsradius die Wirkung einer Vergrößerung der Wellenlänge bei der Entfernung, einer Verkleinerung bei der Annäherung. Daraus ergibt sich für ein Linienspektrum die Verschiebung aller Linien gegen das rote bezw. violette Ende um einen der Geschwindigkeit entsprechenden Betrag; durch Anwendung eines doppelten Spektroskops mit gerader Durchsicht, welches das Bild zweier entgegengestellter Spektren erzeugt und für eine bestimmte Linie nach irdischer Lichtquelle eingestellt wird, läßt sich die Verschiebung derselben Linie beim astronomischen Objekt erkennen und messen. Nach dieser Methode lassen sich nicht nur Fixsterngeschwindigkeiten, sondern auch die Rotationsgeschwindigkeit der Sonne durch Einstellen auf den rechten und linken Rand, die Geschwindigkeiten verschiedener Teile des Saturnrings bemessen.

In betreff der wissenschaftlichen Erfolge für das Gebiet der Optik selbst, für die allmähliche Aufhellung der Gesetze der molekularen Schwingungen der Körper, für die von Zeeman entdeckte Zweiteilung der Spektrallinien im magnetischen Felde, für die gesetzmäßigen Beziehungen zwischen den Wellenlängen der demselben Element zugehörigen Linien, für die korrespondierenden Serien der Linien verwandter Elemente verweisen wir auf das Werk [3], von dem [2] in der Hauptsache einen Auszug bildet.


Literatur: [1] Kirchhoff, G., und Bunsen, R., Chemische Analyse durch Spektralbeobachtungen, Neuabdruck herausg. von Ostwald, Leipzig 1896. – [2] Kayser, Spektralanalyse, Winkelmann, Handbuch der Physik, 6, 2, Leipzig 1906, S. 654–746. – [3] Kayser, Handbuch der Spektroskopie, Leipzig 1900, 1, S. 373 ff. und 489 ff. – [4] Vogel, H.W., Die Photographie farbiger Gegenstände, Berlin 1885, 1. Abhandlung: Bericht der Deutschen Chemischen Gesellschaft 1873. – [5] Ders., Praktische Spektralanalyse irdischer Stoffe, 2. Aufl., Nördlingen 1888; vgl. auch dessen Handbuch der Photographie, 2. Teil, Berlin 1894; 3. Teil, Berlin 1897 und 1899.

A. Schmidt.

Spektralanalyse [1]

http://www.zeno.org/Lueger-1904.

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