Sexuelle Handlung

Sexuelle Handlung

Der Begriff der sexuellen Handlung ist ein zentraler Begriff des deutschen Sexualstrafrechts. Der Begriff wurde durch das 4. Strafrechtsreformgesetz, mit dem das Sexualstrafrecht umfassend geändert wurde an Stelle des bis dahin weithin verwandten Begriffs der Unzucht eingeführt, um eine wertneutralere und dadurch auch deutlicher konturierte Formulierung zu verwenden.

Das Strafgesetzbuch enthält in § 184g nur scheinbar eine Legaldefinition, weil dort nicht definiert wird, was eine sexuelle Handlung ist, sondern lediglich dargelegt wird, dass sexuelle Handlungen im Sinne des Gesetzes nur solche seien, die in Bezug auf das geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind (§ 184g Nr. 1 StGB) und sexuelle Handlungen vor einem anderen nur solche, die vor einem anderen vorgenommen werden und deren Vorgang von diesem auch wahrgenommen wird (§ 184g Nr. 2 StGB).

Bereits diese begrifflichen Einschränkungen machen indes deutlich, dass der strafrechtliche Begriff der sexuellen Handlung sich mit dem allgemeinsprachlichen nicht decken muss. Auch diejenige Handlung, die vor einem anderen vorgenommen wird, diesem aber verborgen bleiben soll und tatsächlich bleibt, kann aus Sicht des Handelnden einen sexuellen Bezug haben, sich in dessen subjektiver Wahrnehmung also als sexuelle Handlung darstellen, ohne dass sie von der Definition des Gesetzes erfasst wird. Gegenstand der juristischen Definition der sexuellen Handlung ist demnach nur ein solches sexualisiertes Verhalten, das wegen seines Bezugs zur Umwelt von der Rechtsgemeinschaft zum Gegenstand rechtlicher Konsequenzen gemacht werden kann und muss.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Für den Handlungsbegriff ergibt sich bezüglich der juristischen Einordnung der sexuellen Handlung keine Besonderheit. Eine Handlung kann im Rechtssinne sowohl in einem Tun, als auch in einem Unterlassen bestehen. Lediglich der Natur der Sache nach wird eine sexuelle Handlung zumeist durch aktives Tun vorgenommen.[1] Ausgeschlossen ist eine sexuelle Handlung durch Unterlassen jedoch nicht. Herbert Tröndle bildete das Fallbeispiel, dass der Täter in sexueller Absicht entblößt bleibt, als sein Opfer hinzutritt (Tröndle/Fischer, § 184g StGB, Rdnr. 2).

Sexuell

Sexuell ist die Handlung dann, wenn sie unmittelbar das Geschlechtliche im Menschen betrifft (Tröndle a.a.O.). Aus der Systematik des Strafgesetzbuchs folgt die Einschränkung dieser Definition dahingehend, dass nur solche Handlungen als sexuelle Handlungen verstanden werden sollen, die unter Einsatz des eigenen oder eines fremden Körpers verübt werden. (Abgeleitet wird dies aus § 176 Abs. 4 StGB, weil dort der sexuelle Missbrauch von Kindern durch die aktive oder passive Vornahme sexueller Handlungen definiert und zusätzlich der Tatbestand des Einwirkens auf das Kind durch pornografische Abbildungen etc. genannt wird, so dass erkennbar ist, dass diese zusätzliche Einwirkung nicht zum Bereich der sexuellen Handlungen gehört).

Der Begriff der Sexualbezogenheit der Handlung ist dabei nach objektiven Maßstäben zu beurteilen, das heißt, eine sexuelle Handlung liegt nur dann vor, wenn das äußere Erscheinungsbild des Vorgangs den sexuellen Charakter erkennen lässt.[2] Die subjektive Einschätzung der Beteiligten tritt hier deutlich zurück. Sexuelle Handlungen sind daher auch solche Handlungen, die ohne jede sexuelle Absicht vorgenommen werden, also etwa aus der alleinigen Motivation, das Opfer zu demütigen.

Handlungen, die dem äußeren Erscheinungsbild nach einen Sexualbezug haben können, diesen aber konkret nicht haben werden, wie etwa gynäkologische Untersuchungen, sind dieser Definition nach keine sexuellen Handlungen, weil der Beobachter hier nicht von einem Sexualbezug des Geschehens ausgehen würde. Sie können jedoch bei Hinzutreten entsprechender Umstände den Charakter einer sexuellen Handlung annehmen.

Erheblichkeit

Wie erwähnt, sieht § 184g Nr. 1 StGB vor, dass nur solche Handlungen als sexuelle Handlungen gelten, die in Bezug auf das geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind. Die Grenze muss von den Gerichten im Einzelfall bestimmt werden, wird aber bei Handlungen mit Körperkontakt zumeist erreicht sein.[3]

Als nicht erheblich sind angesehen worden: Küsse oder Umarmungen, Streicheln des Körpers (im bekleideten Zustand ohne Brust, Po, Schambereich), ein misslungener Kussversuch, flüchtige sexualbezogene Berührungen.

Einzelnachweise

  1. StA Köln 121 Js 395 / 07 als PDF hier
  2. StA Köln 121 Js 395 / 07 als PDF hier
  3. Siehe beispielsweise in BzgA "Körper, Liebe, Doktorspiele" als PDF hier → lt. Bundesfrauenministerin "eine Altlast von Rot-Grün"
Rechtshinweis Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten!

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