Wolgadeutsche

Wolgadeutsche
Bauernehepaar aus dem Wolgagebiet im Flüchtlingslager Schneidemühl, 1920

Wolgadeutsche sind Nachkommen deutscher Einwanderer, die im Russischen Reich unter der Regierung Katharinas der Großen an der unteren Wolga ansässig wurden.

Zusammen mit den Nachkommen deutscher Siedler in anderen Gebieten des ehemaligen Zarenreichs bilden sie 25 % der Russlanddeutschen. Das Zentrum der Wolgadeutschen war die Stadt Pokrowsk (seit 1924 Engels). Zwischen 1924 und 1941 waren sie innerhalb der Sowjetunion in der Wolgadeutschen Republik organisiert.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Hauptartikel: Geschichte der Russlanddeutschen

Die Siedler, die überwiegend aus Bayern, Baden, Isenburg in Hessen, der Pfalz und dem Rheinland kamen, folgten in den Jahren 1763 bis 1767 der Einladung ihrer Landsmännin Zarin Katharina II. in ihr neues Siedlungsgebiet, wo sie etwa einhundert Dörfer gründeten. Sie wurden angeworben, um die Steppengebiete an der Wolga zu kultivieren und die Attacken der Reitervölker aus den Nachbargebieten einzudämmen. Die deutschen Siedler fanden im russischen Reich günstige Bedingungen vor, u. a. erhielten sie einen politischen Sonderstatus, der das Recht auf Beibehaltung des Deutschen als Verwaltungssprache, auf Selbstverwaltung sowie auf Befreiung vom Militärdienst umfasste. Sie entwickelten in dieser Region eine blühende Agrarwirtschaft mit Exporten in andere Regionen Russlands. Diese Selbstbestimmungsrechte wurden durch Zar Alexander II. eingeschränkt, der das neue Deutsche Reich von 1871 und die Wolgadeutschen als Bedrohung ansah, obwohl diese Wolgadeutschen im Zeitpunkt der Auswanderung kein 'deutsches Reich' kannten. Die zum Wehrdienst eingezogenen Wolgadeutschen wurden von den russischen Soldaten und Offizieren als 'noch minderwertiger als die niedrigsten Kulaken' angesehen und entsprechend drangsaliert. Auch Deutsch als Verwaltungssprache und die freie Religionsausübung wurden abgeschafft. Dies führte zu einer Auswanderung in die USA, Kanada sowie Südamerika (z. B. nach Villaguay). Weitere Einschränkungen und Repressalien erfolgten bereits kurz nach Gründung der Sowjetunion. Stalin nahm den Wolgadeutschen die gesamte Getreideernte und verkaufte sie in das Ausland. Tausende von Wolgadeutschen starben aufgrund der Hungersnot. 1924 wurde die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik der Wolgadeutschen geschaffen, nachdem das Gebiet bereits nach der Oktoberrevolution ab 1918 Autonomie erlangt hatte. Die wolgadeutsche Republik, die 1941 aufgelöst wurde, hatte etwa 600.000 Einwohner, wovon etwa zwei Drittel deutscher Abstammung waren. Nach dem Überfall des „Dritten Reiches“ auf die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg wurden die etwa 400.000 verbliebenen Wolgadeutschen der kollektiven Kollaboration beschuldigt und nach Sibirien und Zentralasien deportiert, dort in Arbeitslager gezwungen, wobei Tausende starben. Erst 1964 wurden sie offiziell vom Vorwurf der Kollaboration befreit, und die Bundesrepublik Deutschland ermöglichte ihnen seit den 1970er Jahren die Einreise und die Einbürgerung.

Berühmte Wolgadeutsche

Berühmte Wolgadeutsche sind:

  • Cristina Fernández de Kirchner (hat russlanddeutsche Mutter), amtierende Präsidentin Argentiniens
  • Georg Dinges, Gelehrter, Linguist und Ethnograph
  • Gabriel Heinze, Fußballspieler
  • Tanja Szewczenko (hat russlanddeutsche Mutter), Eiskunstläuferin, Schauspielerin
  • Sergio Denis, argentinischer Sänger
  • Naty Hollmann (Naty Petrosino)
  • Paul Rau, Gelehrter, Archäologe
  • Igor Pleve, Gelehrter und Politiker, Historiker
  • Alfred Reingoldowitsch Koch, russischer Politiker
  • Bernhard Ludwig von Platen, Dichter
  • Andreas Dulson, Gelehrter, Linguist, Ethnograph und Archäologe
  • Andreas Kramer, Dichter und Schriftsteller
  • Alfred Schnittke, Komponist
  • Eduard Rossel, Politiker
  • Bruno Reiter, Politiker und Gelehrter, Biologe
  • Boris Rauschenbach, Gelehrter, Physiker
  • Carl Ferdinand von Wahlberg, Arzt, Schriftsteller
  • Jakob Hamm,ehem. Direktor einer Organisation zur Errichtung von Einrichtungen für deutsche Aussiedler in der Oblast Uljanowsk und Geschäftsmann
  • Robert Korn, Historiker, Schriftsteller, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Wolgadeutschen e.V.
  • Schanna Friske, russische Sängerin (wolgadeutscher und russisch-kosakischer Herkunft)

Siehe auch

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Wolgadeutsche Republik — Wappen der ASSR der Wolgadeutschen Position der Wolgadeutschen ASSR innerhalb d …   Deutsch Wikipedia

  • Wolgadeutsche — Wọlgadeutsche,   die älteste Gruppe der Russlanddeutschen; wurden unter Katharina II. 1763 74 zu beiden Seiten der unteren Wolga in den Gouvernements Saratow und Samara angesiedelt. Sie kamen zum größten Teil aus dem Rheingau, Hessen, der Pfalz …   Universal-Lexikon

  • Wolgadeutsche Republik — Wọlgadeutsche Republik,   1924 41 Autonome Sozialịstische Sowjẹtrepublik der Wọlgadeutschen, frühere Teilrepublik der RSFSR, an der unteren Wolga, 28 200 km2, (1939) 605 500 Einwohner, davon rd. zwei Drittel Deutschsprachige. Hauptstadt war… …   Universal-Lexikon

  • Красно-Кутский кантон — Краснокутский кантон  один из кантонов входивших в Республику немцев Поволжья. Кантонный центр  село Красный Кут. Кантон был образован в 1922 году[1]. Площадь кантона 1,8 тыс. кв. км, в кантон входило 22 сельсовета[2]. В состав кантона входили:… …   Википедия

  • Wolga-Deutsche — Bauernehepaar aus dem Wolgagebiet im Flüchtlingslager Schneidemühl, 1920 Wolgadeutsche sind Nachkommen deutscher Einwanderer, die im Russischen Reich unter der Regierung Katharinas der Großen an der unteren Wolga ansässig wurden. Zusammen mit den …   Deutsch Wikipedia

  • Wolgadeutsch — Bauernehepaar aus dem Wolgagebiet im Flüchtlingslager Schneidemühl, 1920 Wolgadeutsche sind Nachkommen deutscher Einwanderer, die im Russischen Reich unter der Regierung Katharinas der Großen an der unteren Wolga ansässig wurden. Zusammen mit den …   Deutsch Wikipedia

  • ASSRdWD — Position der Wolgadeutschen ASSR innerhalb der UdSSR …   Deutsch Wikipedia

  • Autonome Sozialistische Sowjetrepublik der Wolgadeutschen — Position der Wolgadeutschen ASSR innerhalb der UdSSR …   Deutsch Wikipedia

  • Wolgarepublik — Position der Wolgadeutschen ASSR innerhalb der UdSSR …   Deutsch Wikipedia

  • Lager 7503/11 Anschero-Sudschensk — Das NKWD/MWD Lager 7503/11 Anschero Sudschensk liegt in Sibirien, im Oblast Kemerowo, etwa 500 km östlich der Stadt Nowokusnezk, unmittelbar an der Trasse der Transsibirischen Eisenbahn. Die Koordinaten sind 56° 4 38 n.Br. und 86° 1 53 ö.L. Es… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”