Boris Brainin

Boris Brainin

Boris Brainin, Geburtsname: Leer Brainin, Hauptpseudonym: Sepp Österreicher, andere Pseudonyme: Natalie Sinner, Berthold Brandt, Klara Peters;[1][2] (* 10. August 1905, Nikolajew, Russisches Kaiserreich, heute Ukraine; † 11. März 1996 in Wien) war ein österreichischer Dichter, Satiriker, Nachdichter, Übersetzer, Polyglott (sprach fließend 15 Sprachen; in seinem letzten Buch sind Nachdichtungen aus 26 Sprachen veröffentlicht),[3] und Antifaschist.

Inhaltsverzeichnis

Lebenslauf

Geboren im Russischen Reich, wurde er im Alter von wenigen Monaten von den Eltern nach Wien mitgenommen, wo bereits andere Angehörige der Familie Brainin lebten. Eltern: Leo Brainin (6. März 1877[4]-1953) und Rivitta (Riva Itta) Brainin (geb. Trachter, 1877-1974).[5] Die Geburt auf dem Territorium des Russischen Reichs gab ihm später die Möglichkeit, die sowjetische Staatsangehörigkeit anzunehmen. Dieser Schritt hat später sein Leben gerettet (sein Bruder Wilhelm Brainin, der in Wien geboren wurde und ebenfalls in die UdSSR emigrierte, aber die sowjetische Staatsbürgerschaft nicht annehmen konnte, wurde im Jahre 1941 aus dem sowjetischen KZ nach Nazideutschland ausgeliefert und danach im KZ Majdanek als Jude ermordet).[6]

Brainin absolvierte die Universität Wien mit Doktorgrad (Germanistik). Er war Mitglied der Kommunistischen Partei Österreichs (1927). Ehrenmitglied der KPÖ (1978). Er wurde mit der Koplenig-Medaille für die Verdienste im Kampf gegen den Faschismus ausgezeichnet.

Im Jahre 1934, nach der Niederlage des Wiener Aufstandes, an dem Brainin auf Seiten des Republikanischen Schutzbundes teilnahm, war er gezwungen, Wien zu verlassen. Er floh über Polen in die UdSSR. Dort unterrichtete er Studenten des Pädagogischen Instituts der Wolgadeutschen Republik in der Stadt Engels im Fach Sprachwissenschaft (1935). Unter seinen Studenten waren auch die Eltern des Komponisten Alfred Schnittke.[7]

Er wurde vom NKWD verhaftet und war 1938-1942 im Gulag im Nord-Ural und bis 1945 in der Arbeitsarmee.[8], anschließend lebte er in Verbannung in Nischni Tagil und Tomsk mit Rechtsminderung, lehrte in den Schulen und Hochschulen und wurde 1957 rehabilitiert.[9][10] Mit Unterstützung von Samuil Marschak und Lew Ginsburg, den bekannten sowjetischen Übersetzern aus dem Deutschen, übersiedelte er nach Moskau. Er arbeitete als Literaturberater in der Zeitung der Russlanddeutschen "Neues Leben" [11]. Er hat einen wesentlichen Beitrag zum Entstehen, zur Erhaltung und zur Entwicklung der Literatur der Russlanddeutschen geleistet. Nach den Worten von Wendelin Mangold, hatte er folgende Ansicht über die Umstände, in den diese Literatur existierte:

An dieser Stelle erinnere ich den legendär gewordenen Spruch des prominenten russlanddeutschen Dichters Boris Brainin, Pseudonym Sepp Österreicher, der sich einmal folgendermaßen geäußert haben soll: Um die russlanddeutsche Literatur zu sehen, muss man auf die Knie gehen.[12]

1959 wurde er Mitglied des Schriftstellerverbandes der UdSSR.[13]

Im Jahre 1992 wurde Brainin nach Österreich repatriiert. Vor der Repatriierung schrieb er auf Russisch die Memoiren seines Lebens im sowjetischen KZ. Nach der Ankunft in Österreich schrieb er die deutsche Fassung der Memoiren („Erinnerungen eines Arbeitspferdes“). Das Archiv Brainins wird hauptsächlich im Wiener Literaturhaus und teilweise in der Universität Bremen bewahrt.

Literarische Tätigkeit

Brainin veröffentlichte ca. 1500 Nachdichtungen der Lyrik sowjetischer Dichter und übersetzte u. a. Puschkins "Eugen Onegin" ins Deutsche.[14] Seine Nachdichtungen folgen dem Rhythmusart und der Reimweise des Originals und entsprechen auch der Aufforderungen der philologischen Genauigkeit. Unter seiner Nachdichtungen sind Werke von Sergej Jessenin, Anna Achmatowa, Nikolai Gumiljow, Marina Zwetajewa, Boris Pasternak, Nikolai Sabolozki, Konstantin Simonow, Jewgeni Jewtuschenko, Andrei Wosnessenski, Robert Roschdestwenski, Bella Achmadulina, Bulat Okudschawa und von vielen anderen. U. a. übersetzte Brainin Lieder aus dem russischen Kultfilm "Ironie des Schicksals".[15][16]

Bekannte Verwandte

Boris Brainin ist Vater des russisch-deutschen Musikwissenschaftlers, Musikdidaktikers, Komponisten und Dichters Valeri Brainin und ist unter anderem verwandt mit:

  • Elisabeth Brainin (1949), österreichische Psychoanalytikerin und Autorin
  • Fritz Brainin (1913–1992), österreichisch-amerikanischer Dichter[17]
  • Harald Brainin (1923–2006), österreichischer Lyriker und Schriftsteller[18][19]
  • Max Brainin (1909–2002), österreichisch-amerikanischer Werbegrafiker[20]
  • Norbert Brainin (1923–2005), österreichisch-britischer Violinist, Gründer des Amadeus-Quartetts
  • Reuben Brainin (1862–1939), hebräischer und jiddischer Schriftsteller und Literaturkritiker

(Siehe auch Brainin).

Ausgewählte Werke

  • Sepp Österreicher. Wo fängt denn unsere Heimat an? Ausgewählte Nachdichtungen sowjetischer Poesie. — Moskau: Verlag Progress, 1973. — 176 стр.
  • Sepp Österreicher. Echo. Ausgewählte Nachdichtungen sowjetischer Lyrik. — Moskau: Raduga-Verlag, 1986. — 295 стр. ISBN 5-05-000594-9
  • Брайнин Б.Л. Воспоминания вридола. — Москва, 1987. Машинопись, 197 стр.
  • Boris Brainin. Erinnerungen eines Arbeitspferdes . — Wien, 1993. Maschinenschrift

Quellen

  1. Robert Streibel. Das fünfte Pseudonym. Das Leben des Lagerhäftlings und Humoristen Boris Brainin. // In: Hans Schafranek (Hg.): Die Betrogenen. Österreicher als Opfer stalinistischen Terrors in der Sowjetunion. Wien: Picus 1991, ISBN 3-85452-219-3.
  2. http://www.literaturhaus.at/lh/exil/sammlungen/boris_brainin/?COLOR=NO
  3. Sepp Österreicher. Echo. Ausgewählte Nachdichtungen sowjetischer Lyrik. — Moskau: Raduga-Verlag, 1986. — 295 S.
  4. http://www.avotaynu.com/holocaustlist/bl.mt.htm
  5. http://brainin.org/Brainin/russian.html
  6. Book of Memory
  7. Boris Brainin. Erinnerungen eines Arbeitspferdes . — Wien, 1992. Maschinenschrift.
  8. Brainin B. Erinnerungen (rus.)
  9. Brantsch, Ingmar. Lexikon of German-Russian Literature. // In: Volk auf dem Weg, Dezember 2004, 11 (Englische Version ist auch Online erhältlich: Lexikon of German-Russian Literature)
  10. Book of Memory
  11. http://pravda.kursknet.ru/news.php?article=4083
  12. Wendelin Mangold rezensiert Ingmar Brantsch: Inkorrektes über die Political Corecctness
  13. http://moscowwriters.ru/SPIS-PIS/b-sp.htm
  14. http://www.brainin.org/Sepp_Oesterreicher/Puschkin_Onegin.html
  15. http://www.brainin.org/Sepp_Oesterreicher/
  16. Musik aus dem russischen Kultfilm
  17. http://www.literaturhaus.at/lh/exil/sammlungen/fritz_brainin/
  18. http://www.literaturhaus.at/cgi-bin/websuche/webglimpse.cgi?ID=1&query=brainin
  19. ru: Брайнин, Харальд
  20. Audio-Interview mit Max Brainin

Weblinks


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