Choleraepidemie in Haiti ab 2010

Choleraepidemie in Haiti ab 2010

Ende Oktober 2010 kam es zu einer immer noch andauernden Cholera-Epidemie in Haiti. Die Regierung Haitis rief nach dem Auftreten erster Todesfälle von Cholera-Erkrankten landesweit den sanitären Notstand aus.[1]

Départements in Haiti – siehe Verwaltungsgliederung von Haiti

Inhaltsverzeichnis

Verlauf

Die Infektionen traten zunächst in der ländlichen Provinz Artibonite (Karte Ziff. 1), nördlich von Haitis Hauptstadt Port-au-Prince (Karte etwa bei Ziff. 8) auf. Als Folge des Erdbebens in Haiti, das sich am 12. Januar 2010 ereignet hat, wurden großflächig sanitäre Infrastruktureinrichtugen zerstört und behelfsmäßige Wohnstätten (Zeltstädte) ohne ausreichende sanitäre Infrastruktur errichtet. Das Epizentrum des Bebens lag etwa 25 Kilometer südwestlich von Port-au-Prince. Die Versorgung mit Trinkwasser wurde danach zum Teil nur behelfsmäßig über die Ausgabe von in Flaschen etc. abgefülltem Wasser hergestellt. Als Ursache der ersten Krankheitsfälle wurden überschwemmte Kloaken in einem Flüchtlingslager vermutet. Die ersten Krankheitsfälle wurden von den Centers for Disease Control and Prevention (CDC), einer hilfsweise hier tätigen Behörde der Vereinigten Staaten, bestätigt.

Am 9. November 2010 wurden erstmals Cholera-Erkrankungen direkt in der Hauptstadt gemeldet. Zu diesem Zeitpunkt waren landesweit bereits mehr als 550 Menschen an der Krankheit gestorben, mehr als 8000 Haitianer galten als infiziert.[2] Zunehmend erschwert wurde die medizinische Versorgung der betroffenen Bevölkerungsteile durch Transportprobleme in Folge der einsetzenden Regenzeit und der Überschwemmungsschäden in der Provinz Artibonite nach dem Hurrikan Tomas Anfang November 2010.[3]

Am 16. November wurde der erste Fall von Cholera in der Dominikanischen Republik, dem Nachbarland Haitis offiziell bestätigt. Bei dem in Genesung befindlichen Kranken handelt es sich um einen haitianischen Gastarbeiter, der sich wahrscheinlich beim Besuch in seiner Heimat angesteckt hatte.[4]

Neben der Gesundheitserziehung und Aufklärung über Hygienemaßnahmen wurden inzwischen auch Kinderschutzimpfungen gegen übertragbare Krankheiten aufgenommen.

Nach Angaben des haitianischen Gesundheitsministeriums wurden bis Ende des Jahres 2010 rund 3500 Todesfälle und mehr als 157.000 Choleraerkrankungen gezählt. Auch zehn Wochen nach Ausbruch der Epidemie konnte die Krankheit noch nicht eingedämmt werden; pro Tag starben noch immer 22 Menschen.[5] Am 28. März 2011 meldete das nationale haitianische Gesundheitsministerium, dass bislang 4677 Menschen gestorben und mehr als 270.996 infiziert seien.[6]

Diskussion um die Infektionsquelle

Die mutmaßliche Quelle für die Epidemie war der Artibonitefluss, aus denen einige der betroffenen Personen Wasser getrunken hatten. [7] Ein UN-Team untersuchte Proben von einer Abwasserleitung in einer Basis des nepalesischen Friedenssicherungskontingentes unter dem Verdacht, dass dort die Ursache für die Kontamination des Flusses läge. Vincenzo Pugliese von der MINUSTAH bestätigt, dass die das Cholerabakterium nachweisen konnten. [8] Das amerikanische CDC sagte seine Tests von "DNA-Fingerprinting" zeigten verschiedene Proben von Cholera aus haitianischen Patienten als Vibrio cholerae Serogruppe O1 identifiziert wurden, Serotyp Ogawa, einen Stamm Der sich auch in Südasien findet. [9][10][11]

Drei US-Professoren in großen US-Universitäten widersprachen der Behauptung, nepalesischen Soldaten seien die Quelle des Ausbruchs. Die Experten glaubten eher, ruhende Cholerabakterien seien durch verschiedene ökologische Zwischenfälle in Haiti geweckt worden. [12] Sie sagten eine Abfolge von Ereignissen, einschließlich Veränderungen des Klimas durch das La Niña Phänomen und unhygienischen Lebensbedingungen für die vom Erdbeben Betroffenen, hätten die Vermehrung der Bakterien ausgelöst.

Als Folge des Verdachts gegen die nepalesischen Soldaten hatten Demonstranten gefordert, dass die nepalesische Brigade der Vereinten Nationen das Land verlassen sollte. [13]

Ein von der UN einberufenes vierköpfiges, unabhängiges Komitee kam im am 3. Mai veröffentlichten Bericht zu dem Schluss, dass die Epidemie über die Kontamination des Flusses Artibonite mit einem dem südasiatischen Cholerastamm Vibrio cholerae ähnelnden Erreger verbreitet wurde, wahrscheinlich von einer einzelnen Quelle. Eine Reihe von Molekularanalysen kam zu diesem Ergebnis. Laut dem Bericht waren die sanitären Bedingungen in dem nahe gelegenen UN-Camp, wo unter anderem auch die nepalesischen Truppen stationiert waren, ungenügend. Eine Verbreitung dieses Ausmaßes wäre außerdem ohne die Defizite im Wasser- und Gesundheitssystem in Haiti nicht eingetreten.[14] Der Leiter des Komitees sagte, die Katastrophe sei womöglich von einer einzigen infizierten Person ausgegangen, die selbst nicht erkrankt war, aber die Bakterien über seinen Stuhl abgegeben hätte.[15]

Medizinischer Hintergrund

Hauptartikel: Cholera

Die Cholera ist eine schwere, bakterielle Infektionskrankheit, von der vorwiegend der Dünndarm der Patienten befallen wird. Ursache und für die Diagnose entscheidend ist der Nachweis des Bakteriums Vibrio cholerae. Die Infektion erfolgt meistens über verunreinigtes Trinkwasser oder infizierte Nahrungsmittel. Die Bakterien können extremen Durchfall und starkes Erbrechen zur Folge haben, was zu einer schnellen Austrocknung (Exsikkose) mit Elektrolytverlust führen kann. Die Dysregulation des Kreislaufs kann zum Tod führen.

Die Behandlung umfasst den Ausgleich des Elektrolytverlusts und Antibiose.

Die meisten Cholera-Infektionen (etwa 85 %) verlaufen (zunächst) ohne Symptome (Fieber, Kopfschmerz, Unwohlsein). Die Sterblichkeit der Krankheit beträgt unbehandelt nach Erregertypus und aufgenommener -menge zwischen 20 und 70 %. Von den weltweit jährlich ca. 3–5 Millionen Choleraerkrankungen führen 100.000–120.000 zum Tode der Patienten.

Betroffene Regionen

Cholerafälle wurden aus folgenden Orten bestätigt: Arcahaie, Limbe, Mirebalais und in der Hauptstadt Port-au-Prince (im Ouest-, Centre- und Nord-Departement sowie im Dept. Artibonite; in der Karte Nr. 8, 2, 5 und 1).[16][17]

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. vgl. Haiti ruft sanitären Notstand aus bei tagesschau.de, 23. Oktober 2010 (aufgerufen am 23. Oktober 2010)
  2. Spiegel Online: Cholera-Epidemie erreicht Hauptstadt Port-au-Prince, 9. November 2010.
  3. "Tomas" richtet schwere Verwüstungen an bei tagesschau.de
  4. Erster Cholera-Fall in Dominikanischer Republik. Süddeutsche Zeitung, 17. November 2010, 08:30 Uhr, bzw. der Situationsbericht Nr. 14
  5. Der Standard: Bereits rund 3.500 Cholera-Tote in Haiti, 5. Jänner 2011.
  6. Todesfälle durch die Cholera auf 4766 gestiegen, Latina-press.com (Abgerufen am 8. Mai 2011)
  7. Cholera cases found in Haiti capital. MSNBC (23. Oktober 2010). Abgerufen am 9. November 2010.
  8. UN investigates Haiti outbreak. Al Jazeera English (28. Oktober 2010). Abgerufen am 9. November 2010.
  9. MyHealthNewsDaily Staff (1. November 2010): Haiti's cholera strain likely came from South Asia, CDC says. MSNBC. Abgerufen am 9. November 2010.
  10. Haiti cholera 'resembles South Asian strain'. BBC News (1. November 2010). Abgerufen am 9. November 2010.
  11. CDC Announces Laboratory Test Results of Cholera Outbreak Strain in Haiti, Infection Control Today. Abgerufen am 17. November 2010. 
  12. Haiti's cholera epidemic caused by weather, say scientists. The Guardian (22. November 2010). Abgerufen am 22. November 2010.
  13. UN troops blamed for Haiti cholera. Al Jazeera English (30. Oktober 2010). Abgerufen am 9. November 2010.
  14. Final Report of the Independent Panel of Experts on the Cholera Outbreak in Haiti, S. 3 und 29
  15. Martin Enserink: Haiti's Cholera Outbreak Cholera Linked to U.N. Forces, But Questions Remain. Science, 13. Mai 2011. Band 332, Nr. 6031, S. 776-777.
  16. msnbc-Meldung vom 23. Okt. 2010 (engl.: "200 Tote")
  17. Haiti cholera cases detected in Port-au-Prince. BBC News (24. Oktober 2010). Abgerufen am 9. November 2010.
19.1-72.333333333333

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