Parc la Mutta

Parc la Mutta
Der grösste Menhir auf Planezzas

Der Parc la Mutta (Mutta = rätoromanisch für «Hügelkuppe») ist eine in der Mittleren Bronzezeit erschaffene Steinreihe bei Falera in der Surselva im schweizerischen Kanton Graubünden. Sie ist mit ihren gut 400 m Länge und 36 Menhiren die grösste Anlage dieser Art in der Schweiz. Neben mehreren astronomisch ausgerichteten Steinreihen sind auch Schalensteine vorhanden.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Die Mutta, davor auf der Wiese die Steinsetzungen. Rechts die Kirche St. Remigius

Die Anlage liegt am südlichen Dorfrand Faleras oberhalb Laax auf einer Höhe von rund 1250 m. Die Mehrzahl der Steine steht auf der Ebene Planezzas oberhalb des Parkplatzes beim Dorfeingang nördlich der Mutta, eines markant bewaldeten Hügels. Die Menhire sind Findlinge aus Granit oder Diorit, der grösste hat eine Höhe von mehr als zwei Metern. Ein grosser Teil der Steine muss vom Hang oberhalb des Dorfes nach Planezzas herbeigeschafft worden sein. In unmittelbarer Nähe steht die mehr als 1000 Jahre alte Kirche St. Remigius.

Mit Hilfe von Informationstafeln und zur Verfügung gestellten Plänen können sich Besucher auf der Anlage informieren. In der Sommersaison erfolgen Führungen durch die Anlage.

Entdeckung

Kirche St. Remigius, links der Aufgang zur Ebene Planezzas

1935 machte der Kreisförster Walo Burkhard, der im selben Jahr schon die Siedlung von Crestaulta entdeckt hatte, auf «sechs säulenartige Felsblöcke» aufmerksam. Die Abstände zwischen den Steinen gab er mit 19 m oder einem Vielfachen davon an. 1948 erkannte J. Maurizio die astronomische Ausrichtung der Hauptlinie.

1976 beschrieben Ulrich und Greti Büchi Steinreihen, aus denen einzelne Steine entfernt worden waren. Eine dendrochronologische Datierung von Holzkohlestücken aus dem Lehmfundament eines Menhirs, durchgeführt von den Universitäten Zürich und Bern, ergab einen Zeitraum zwischen 1500 und 1200 v. Chr., den Übergang zwischen mittlerer Bronzezeit und Spätbronzezeit.

Nachdem der Einheimische Ignaz Cathomen zusammen mit dem Zürcher Geologen Ulrich Büchi 1986 in Eigeninitiative einige Megalithe wieder aufgerichtet hatte, wurden 1988 im Auftrag der Gemeinde und unter der Leitung von Ulrich Büchi durch Grabungen der ursprüngliche Standort weiterer 27 Steine bestimmt und diese wieder aufgerichtet. Im Sommer 2000 und 2001 wurden in Zusammenarbeit mit dem Archäologischen Dienstes des Kantons Graubünden unter der Leitung von Jürg Rageth weitere neun Menhire aufgerichtet. Ermöglicht wurde die Arbeit durch die Stiftung Margrit Bohren-Hoerni.

Steinsetzung beim Parkplatz

Um die Steine verankern zu können, wurde von den Erbauern zuerst eine feste Lehmschicht in die Grube eingebracht. Der Menhir wurde in dieses Lehmbett gekippt und in die gewünschte Lage gedreht. Anschliessend wurde er mit länglichen Steinen verkeilt, dann wurde die Grube mit Moränenschutt und Humus aufgefüllt. Bei Grabungen zur Lokalisierung der ursprünglichen Positition der Menhire stiess man auf frühgeschichtliche Keramikfragmente, Ocker, Holzkohlereste und Steine, die zur Verkeilung dienten. Bei rund der Hälfte der wieder aufgerichteten Menhire konnten die ursprünglichen Fundationsgruben gefunden werden, vor allem auf der Ebene von Planezzas. Im Steilhang zum Parkplatz war durch Erosion und kleine Erdrutsche der Boden umgelagert worden und eine Lokalisierung der Fundationsgruben unmöglich.

Peilungen

Sonnenaufgang über dem grossen Menhir auf Planezzas

Die meisten Ausrichtungen der Steinreihen auf Planezzas weisen auf bedeutende Sonnenauf- und Untergangspunkte im Jahreslauf. Die Hauptlinie verläuft in nordöstlicher Richtung und besteht aus acht Blöcken; zwischen dem siebten und dem letzten Stein besteht eine Lücke von acht Blöcken, die heute verschwunden sind. Die Linie weist jeweils 30 Tage vor und nach der Sommersonnenwende zum Aufgangspunkt der Sonne am Taminser Calanda.

Die Verlängerung der Steinreihe in der Gegenrichtung weist zum Kirchenareal von Ladir, wo vor dem Bau des Pfarrhauses noch eine Steinsetzung bestand. Ihre Fortsetzung führt zum Kirchenareal von Ruschein, wo bronzezeitliche Grabfunde gemacht wurden. Wenig westlich davon liegen die Schalensteine des Frundsberges, auf deren Krete ebenfalls bronzezeitliche Siedlungsreste ausgegraben wurden. Da die genannten Orte alle auf der gleichen Peillinie liegen, geht für sie die Sonne am 21. Mai und am 21. Juli an der gleichen Stelle auf. In der gleichen Linie werden in der Gegenrichtung durch die Sonnenuntergangspunkte Beginn und Ende des Bauernwinters an St. Martin (11. November) und zu Mariä Lichtmess (2. Februar) bezeichnet. Insgesamt liegen fünf Kirchen auf der gleichen 62°-Achse: Schnaus, Ruschein, Ladir, Falera und das «Bildstöckli» von Laax.[1]

In der Hauptlinie bilden zwei Menhire zusammen mit einem dritten die Eckpunkte eines pythagoreischen Dreiecks mit dem Seitenverhältnis 8:15:17. Die Hypotenuse entspricht der Richtung der Hauptlinie, die Katheten liegen Nord-Süd bzw. Ost-West.

Die Hauptreihe wird von einer weiteren Reihe aus sechs Blöcken geschnitten, deren Bedeutung vom Archäo-Astrologen Gion Gieri Coray aus Luven erkannt wurde. In der mittleren Bronzezeit visierte diese Linie den Aufgangspunkt des Sternes Caph im Sternbild Cassiopeia. Infolge der Präzession gelten für die stellaren Bezugspunkte heute jedoch nicht mehr die gleichen Werte wie zur Bronzezeit.

Weitere Peillinien weisen zum Sonnenaufgangspunkt zur Zeit der Sommersonnenwende, zum Sonnenuntergangspunkt zur Zeit der Wintersonnenwende und an den Tag-und-Nacht-Gleichen. Weiter wird der südlichste Punkt am Horizont, an dem der Mond untergeht, angepeilt. Das so genannte Südextrem wird alle 18.66 Jahre erreicht.

Steine

Um die Mutta liegen neben mehreren Schalensteinen einige bearbeitete Steine. Nachfolgend werden die wichtigsten davon erwähnt.

Mondpfeil

Mondstein

Westlich des Aufgangs zur Remigiuskirche ist auf einem Stein ein 60 Zentimeter langer Pfeil auf einem gespannten Bogen eingraviert. Die Pfeilspitze zeigt an jene Stelle des Himmels, wo am 25. Dezember 1089 vor Christus um 10:17 Uhr eine 96-prozentige Sonnenfinsternis zu beobachten war. Die Sonne erschien zum Zeitpunkt ihrer maximalen Bedeckung durch den Mond als mondförmige Sichel, was die Darstellung einer Mondsichel an der Spitze des Pfeils erklärt.

Sonnenstein

Sonnenstein

An der Südwestseite der Mutta steht am unteren Spazierweg eine geneigte Steinplatte mit einem eingeritzten Kreis von 120 Zentimeter Durchmesser, einem Loch als Mittelpunkt, einer kleinen kreisförmigen Schale links oben sowie einer 8 Zentimeter langen, von Ost nach West verlaufenden Kerbe. Seine Neigung entspricht der Neigung der Erdachse. Mit Hilfe eines Gnomons, eines Stabes, der entweder vor die Platte oder senkrecht zu ihrer Neigung in die Mitte gestellt wird, lassen sich unter anderem die genauen Zeitpunkte für die Sommersonnenwende sowie für den 11. November (Martinstag) und den 2. Februar (Maria Lichtmess) bestimmen; dann scheint die Sonne genau senkrecht auf den Stein. Die Bestimmung wurde von William Brunner vorgenommen, Astronom in der Meteorologischen Anstalt.

Kreuzstein

Kreuzstein vor der Kirchenmauer

Vor dem Eingang zum Friedhof der Kirche St. Remigius liegt rechter Hand ein Granitblock, auf dessen nahezu ebener Oberfläche ein Kreuz mit schalenförmigen Vertiefungen an den Enden der Arme steht. Sein Längsbalken zeigt nach Osten zum Sonnenaufgangspunkt zur Zeit beider Tag-und-Nacht-Gleichen. Vom südlichen Kreuzarm zweigt ein zweites Kreuz ab, das weniger tief ausgebildet ist. Sein Längsbalken zeigt zum Monduntergang am Piz Mundaun im Südextrem, dem Untergang des Mondes alle 18.66 Jahre. Es ist jedoch fraglich, ob der Stein immer noch in derselben Lage wie in der Bronzezeit liegt und ob die genannten Richtungen nicht einem Zufall entspringen. Dass er beim Bau der Friedhofsmauer, die im Abstand von wenigen Zentimetern an ihm vorbeiführt, weder einbezogen oder versetzt wurde, lässt vermuten, dass man dem Stein und seiner Lage während Jahrhunderten seinen Respekt erwies.

Der «lachende Megalithiker»

Der «lachende Megalithiker»

Am 23. September 1984 entdeckte der Einheimische Ignaz Cathomen an der südwestlichen Seite der Mutta auf einem grossen Steinblock aus Illanzer Verrucano ein Felsritzbild. Es zeigt ein lachendes menschliches Antlitz mit einer Art Krone oder Haaren. Neben der Schulter ist eine Lanzenspitze zu erkennen – oder der obere Teil der Scheibennadel, wie sie auf der Mutta ausgegraben wurde. Die Darstellung blickt nach Nordwesten zum Punkt des Sonnenuntergangs zur Zeit der Sommersonnenwende. Der Zeitpunkt der Entstehung der Darstellung ist unbekannt.

Hügel «La Mutta»

Infotafel vor der Mutta

Die Mutta, ein bewaldeter und von mächtigen Verrucoanoblöcken geprägter Hügel, erhebt sich rund 50 Meter über die Ebene von Planezzas und ist von mehreren Seiten über kleine Wege erreichbar. Ausgrabungen um 1935 durch den Kreisförster Walo Burkart wiesen auf dem Hügel eine Siedlungsanlage nach. Bodenfunde ergaben eine Belegungszeit zwischen 1800 und 400 vor unserer Zeitrechnung, also von der Bronzezeit bis in die spätere Eisenzeit. Es wurden eine eisenzeitliche und fünf bronzezeitliche Bodenschichten nachgewiesen.

Die besiedelte Fläche belegte rund 1500 Quadratmeter. Vermutlich lebten dort in Blockhäusern zwischen 60 und 120 Personen. Die Siedlung war von einer mächtigen Mauer umgeben mit einer Fundamentbreite von zwei Metern und einer Kronenbreite von drei Metern. Die Toranlage lag im Nordnordwesten und ist heute noch erkennbar. Die Mauern sind heute stark überwachsen und nur noch zu erahnen.

Der Fund einer Herdstelle mit Keramikresten von Fehlbränden beweist, dass hier getöpfert wurde; die Verzierung der Fundstücke ist verwandt mit derjenigen von Crestaulta. Neben Keramikscherben wurden fünf Bronzesicheln und über fünfzig Mahlsteine gefunden; ein Zeichen dafür, dass hier Ackerbau betrieben wurde. Der bedeutendste Fund ist jedoch der einer grossen Scheibennadel aus Bronze.

Scheibennadel

Die Scheibennadel wurde im Juli 1943 in der drittuntersten Schicht gefunden und in die frühe Bronzezeit datiert. Sie ist 83 Zentimeter lang, der ovale Kopf misst 16,5 auf 12,5 Zentimeter. Sie ist aus einem Stück gegossen, der Kopf wurde getrieben und mit Buckeln unterschiedlicher Tiefe und Deutlichkeit sowie eingravierten Linien versehen. William Brunner, Astronom in der Meteorologischen Anstalt, interpretierte die Buckel und Striche als Kalender, der die synodische Umlaufzeit der Venus auf den Tag genau angab. Die Länge der Nadel von 83 Zentimeter entspricht der so genannten fiktiven megalithischen Elle. Das Original wird im Rätischen Museum in Chur aufbewahrt.

Astronomische Interpretation

Die astronomische Interpretation von Steinreihen und Schalensteinen ist umstritten. Skeptiker kritisieren, dass mit gutem Willen für jede gesetzte Steinlinie eine passende Verbindung zu bestimmten Sonnen-, Mond- oder Sternenpunkten gefunden werden kann. Bei einem Feld mit zahlreichen Menhiren besteht auch die Gefahr, eine Peillinie hineinzuinterpretieren, die von den Erbauern unter Umständen gar nicht geplant war. Dazu kommt, dass die Steinsetzungen mit einer mehr oder weniger grossen Genauigkeit errichtet worden sind und die Peilung zu bestimmten Punkten manchmal recht ungenau ist.

Literatur

Infotafel
  • Ulrich und Greti Büchi, Bücherreihe: Die Megalithe der Surselva / Die Menhire auf Planezzas / Falera, 2002
  • Christian Caminada: Die verzauberten Täler, die urgeschichtlichen Kulte im alten Rätien; 1986, Neuauflage Desertina-Verlag, Disentis
  • Ignaz Cathomen/Isidor Winzap: Falera – Geschichte und Entwicklung eines Bündner Bergdorfes 2002, Beitrag von Greti Büchi
  • J. Maurizio: Die Steinsetzung von Mutta bei Fellers und ihre kultgeographische Bedeutung; Urschweiz Band XII, 1948
  • Adrian Michael: Zauberringe – eine phantastische Erzählung aus Falera; Fröhlich Verlag, Zollikon 2001

Weblinks

 Commons: Parc la Mutta – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Geomatische Untersuchung
46.89.2355555555555

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