Waffengebrauch der Polizei in Deutschland

Waffengebrauch der Polizei in Deutschland
Objektschutz durch deutsche Polizisten in Hamburg. Da man einen Terroranschlag befürchtet, sind die Beamten mit Maschinenpistolen ausgerüstet.

Als Waffengebrauch versteht man in der Taktik der Polizei die Anwendung unmittelbaren Zwangs mittels Waffen, womit zumeist der Schusswaffengebrauch gemeint ist.

Inhaltsverzeichnis

Schusswaffengebrauch

Der polizeiliche Schusswaffengebrauch, d. h. primär der Einsatz der Schusswaffe unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorgaben wird von den Polizeivollzugsbeamten regelmäßig situativ geübt. Dies geschieht anhand von Videos oder Dia-Projektionen in der Waffen- und Schießausbildung bzw. im Schießtraining usw. Damit wird vor allem die Entscheidungsfindung und der Ablauf des Schießens („Waffenhandling“) automatisiert. In aller Regel rückt die Kriminalpolizei zum Ereignisort aus, wenn ein Amtsträger eine Schusswaffe gebraucht hat. Der Finale Rettungsschuss ist eine Tötung eines Aggressors, um ein anderes Leben zu erhalten. Dies impliziert für den Beamten neben den rechtlichen Vorgaben (Abwägung) auch ein erhebliches ethisches Problem.

Die Androhung ist Ausfluss der Verhältnismäßigkeit im weitesten Sinne: Dem Betroffenen soll bewusst gemacht werden, welches Risiko er eingeht, wenn er sein Verhalten nicht ändert. Ziel der Androhung des „unmittelbaren Zwangs“ ist damit die Zwangsvermeidung. Jede Androhung bedarf rechtlich auch der Voraussetzungen für den (gezielten) Schusswaffengebrauch als solchen.

Ziel eines Schusswaffengebrauchs ist u. a. die Verhinderung der Flucht von Verdächtigen oder Verurteilten und die Abwehr gegenwärtiger konkreter Gefahren für eine erhebliche Gefahr für Leib oder Leben (z. B. Amoklagen). Hierbei kann der Adressat der Maßnahme physisch geschädigt werden, z.B. durch einen Beinschuss. Dies muss jedoch nicht stets der Fall sein - die Schusswaffe kann auch gegen Sachen (Schuss in die Reifen eines flüchtendes Fahrzeuges) oder als Drohmittel (Warnschuss) gebraucht werden.

Der Schusswaffengebrauch der Polizei ist meist gesetzlich normiert (in vielen Bundesländern durch Polizeirecht der Länder). In den Bundesländern, in denen der Schusswaffengebrauch nicht gesetzlich fixiert ist, gilt z. B. das Recht der Notwehr, der Nothilfe oder die polizeirechtliche Generalklausel.

Die rechtlichen Vorgaben sind meist komplex und müssen im Ernstfall in Sekundenbruchteilen abgeprüft werden.

Waffen können aus vielfältigen Gründen benutzt werden: Notwehr (um einen potenziellen Täter zu stoppen), unabsichtlich, als finaler Rettungsschuss, als Vollstreckungsmaßnahme (unmittelbarer Zwang), Nothilfe, Vereitelung der Flucht von Personen, die einer Straftat verdächtig sind, und andere.

Die Zahl der von der Polizei Getöteten wird amtlich vom Bundesministerium des Innern veröffentlicht. Die Zahl der tatsächlich durch Waffengebrauch Getöteten übersteigt mitunter die hier genannten Zahlen, da nicht alle Todesschüsse in der Presse und in der Polizeistatistik auftauchten. So sind seit 1983 von Polizeibehörden als "versehentliche Tötung" angegebene Fälle nicht mehr in der offiziellen Statistik enthalten.

Die linksliberale nichtstaatliche Organisation Bürgerrechte & Polizei/CILIP veröffentlicht aufgrund eigener Recherchen jährlich die Zahl der Todesopfer und der abgegebenen Schussabgaben. Sie verwendet dazu die offizielle Statistik, Pressemeldungen und die Antworten auf parlamentarische Anfragen.

1952 wurden 31 Menschen, 1967 1 Mensch, von 1971 bis 1980 153 Menschen, 1981 bis 1990 115 Menschen und 1991 bis 1993 37 Menschen, von 1994 bis 2005 119 Menschen von deutschen Polizeibeamten erschossen.

Insgesamt wurden also 1952 31 Menschen und ab 1967 bis 2005 innerhalb von 39 Jahren mindestens 425 Menschen von der bundesdeutschen Polizei erschossen. Daten zu weiter zurückliegenden Jahren lagen bei Erstellung dieses Artikels nur vereinzelt vor. Die Anzahl der in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt zwischen 1988 und 1997 gegen Personen abgegebenen Polizeischüsse beträgt 2105.

Die Tabelle enthält nur die durch die Polizeistatistik, die Tagespresse und andere Massenmedien bekanntgewordenen Fälle. Die tatsächliche Zahl der Todesschüsse liegt dem Spiegel und der CILIP zufolge höher.

Nicht in der Statistik enthalten sind Suizide oder von der Bundespolizei Erschossene. Die durch andere Arten von polizeilichen Methoden Getöteten sind ebenfalls nicht in diesen Listen enthalten, beispielsweise durch Ersticken im Würgegriff oder Auto-Verfolgungsfahrten, wodurch allein von 1971 bis 1980 mehr als 200 Menschen umgekommen sind, während im selben Zeitraum 153 Menschen durch Schusswaffen von der Polizei getötet wurden.



Jahr Anzahl der
Todesschüsse[1]
Anzahl der
insgesamt auf
Personen abgegebenen Schüsse
1952 31 mindestens (u. a. Philipp Müller)
1967 1 mindestens (Benno Ohnesorg)
1971 2 mindestens (u.a. Petra Schelm, Georg von Rauch)
1972 4 mindestens (u.a. Thomas Weisbecker, Ian McLeod, Richard Epple, Duifhus)
1973 1 mindestens (u.a. Erich Dobhardt)
1974 10 (u.a. Günter Jendrian)
1975 13 (u.a. Werner Sauber)
1976 8
1977 17 (u.a. Helmut Schlaudraff)
1978 8 (u.a. Willi-Peter Stoll, Michael Knoll)
1979 11
1980 16 (u.a. Manfred Perder)
1981 17
1982 11
1983 24
1984 6
1985 10
1986 12
1987 7
1988 8 114
1989 10 102
1990 10 162
1991 9 271
1992 12 315
1993 16 307
1994 10 268
1995 21 221
1996 9 163
1997 10 172
1998 8
1999 15
2000 6
2001 6
2002 6
2003 3
2004 9
2005 4
2006 6
2007 10
2008 9
Summe 438 mindestens 2105

(Zahlen vor 1978 sind nicht unbedingt mit späteren Zahlen vergleichbar, weil bei Erstellung dieser Statistik 1997 bereits die Akten aus der Zeit bis 1977 nach Ablauf der zwanzigjährigen Aufbewahrungsfrist vernichtet worden waren.)

Sonstiger Waffengebrauch

Neben der dienstlich zugelassenen Pistole, lassen die Polizeigesetze der meisten Bundesländer auch den Schlagstock sowie die Maschinenpistole als dienstliche Waffe zu. Der Einsatz von Pfefferspray, Hunden, Pferden oder Wasserwerfern stellt zumeist keinen Waffengebrauch sondern die Nutzung eines so genannten Hilfsmittel der körperlichen Gewalt dar. Hilfsmittel unterliegen weit weniger strengen Anwendungsvoraussetzungen.

Genauere Informationen zu den zugelassenen Einsatzmitteln, deren Anwendungsvoraussetzung und Einstufung finden sich in den jeweiligen Polizeigesetzen der Länder.

Siehe auch

Literatur

  • Clemens Lorei, Eigensicherung & Schusswaffeneinsatz bei der Polizei ISBN 978-3-935979-81-8
  • Clemens Lorei. Schusswaffeneinsatz bei der Polizei 2001 ISBN 978-3-935979-00-9
  • Martin Wagner: Auf Leben und Tod: das Grundgesetz und der finale Rettungsschuß. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1992, ISBN 3-525-78325-6.
  • Clemens Lorei Die unbeabsichtigte Schussabgabe durch Polizeikräfte. Eine empirisch-psychologische Analyse ISBN 978-3-935979-59-7
  • Burkhard von Urff, Schusswaffengebrauch der Polizei im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland und in der Bundesrepublik Deutschland, Lang, Frankfurt am Main 1997 ISBN 978-3-631-31158-5
  • Manfred Baldus Polizeirecht des Bundes mit zwischen- und überstaatlichen Rechtsquellen: Interpol, Schengen, Europol, Bilaterale Verträge, Internationale Rechtshilfe ISBN 978-3-8114-3219-2

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Zahlen ab 1996 nach: Clemens Lorei: Statistiken im Zusammenhang mit dem polizeilichen Schusswaffeneinsatz, Verwaltungsfachhochschule Hessen – Fachbereich Polizei, Stand: 10. November 2011

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