Inquisitor

Inquisitor
Der Papst und der Inquisitor. Historisierendes Gemälde von Jean Paul Laurens, 1882

Ein Inquisitor (lat. Aufspürer, Verfolger) war Leiter und Vorsitzender eines kirchlichen Verfahrens im Rahmen der Inquisition zum vorrangigen Ziel der Verfolgung von Häresien.

Inhaltsverzeichnis

Aufgaben

Inquisitoren leiteten seit dem 13. Jh. bis in die Frühe Neuzeit Inquisitionskommissionen, die im Auftrag der Römisch-katholischen Kirche va. in süd- und mitteleuropäischen Gebieten eingesetzt wurden, um dort auf Prozessbasis des Inquisitionsverfahrens gegen sog. Ketzer vorzugehen, sie im Sinne der „Reinheit des Glaubens“ zu Reue und Buße zu bewegen oder ggf. zu bestrafen. Inquisitoren konnten Verdächtige vorladen, verhören, exkommunizieren, ihnen die Absolution erteilen, Haft oder Folter anordnen und Urteile fällen. Auch besaßen sie das Recht, Helfer und Stellvertreter zu bestimmen.[1] Seit den 1240er Jahren bürgerte sich für Inquisitoren die Bezeichnung “Inquisitores heretice pravitatis“ (Verfolger ketzerischer Verderbtheit) ein. Die Tätigkeit eines Inquisitors war im Mittelalter in der Regel befristet, d.h. sie konnte enden, sobald eine inquisitorische Untersuchung für ein Gebiet als abgeschlossen betrachtet wurde. Auch ist von vielen Geistlichen bekannt, dass sie zwar den Titel Inquisitor führten, jedoch in der Ketzerbekämpfung nicht aktiv waren (Titularinquisitoren). Mit der Veramtlichung der Inquisition in der Frühen Neuzeit in manchen südeuropäischen Ländern wurden für übergeordnete Inquisitionsbeauftragte dauerhafte General- bzw. Großinquisitorenämter geschaffen (siehe auch: Großinquisitor).

Personenkreis

Ein Inquisitor konnte nach kanonischem Recht nur ein Geistlicher sein, der mindestens 40 Jahre alt, zudem rechtskundig und lebenserfahren war. Ferner musste er sich "eines musterhaften Lebens befleißigen."[2] Mit inquisitorischen Vollmachten ausgestattet wurden in erster Linie Bischöfe oder Ordensgeistliche aus dem Dominikaner- oder Franziskanerorden. In der neuzeitlichen Spanischen Inquisition konnten auch weltliche Juristen für das Inquisitorenamt bestellt werden.

Rechtliche Grundlagen

Katholische Bischöfe konnten, insbesondere im 13. Jh., von sich aus als Inquisitoren tätig werden. Rechtliche Basis hierfür bildete die 1184 unter Papst Lucius III. (1181–1185) erlassene Bulle Ad Abolendam, die sogar eine Inquisitionspflicht für Bischöfe vorsah, der jedoch nur mangelhaft entsprochen wurde. Parallel dazu wurden, nach Vorbild der 1206 von Papst Innozenz III. erlassenen Dekretale Qualiter et quando seit den 1230er Jahren vom Heiligen Stuhl vermehrt eigene Inquisitoren als päpstliche Legaten bestellt, v. a. aus den Reihen der oben genannten Orden. Aufgrund dieser unterschiedlichen Bestellpraxis kann auch in bischöfliche und päpstliche Inquisitoren unterschieden werden. Zwar hatten auch zuvor schon Inquisitoren über Häretiker zu Gericht gesessen, doch die volle Gerichtsbarkeit wurde ihnen offiziell erst mit der 1252 unter Papst Innozenz IV. erlassenen Dekretale Ad Extirpanda zuteil. Dasselbe Dokument gestattete den Inquisitoren auch die Anordnung des Einsatzes der Folter zu Wahrheitsfindung bei Verhören. 1254 wurde ihnen unter Papst Alexander IV. auch die Führung der Aufsicht bei Folterverhören genehmigt. Inquisitoren wurde in diesem Zusammenhang erlaubt, sich gegenseitig für ihr Handeln die Absolution zu erteilen. Aufgrund von Kompetenzstreitigkeiten zwischen päpstlich eingesetzten Inquisitoren und Bischöfen legte 1311 das Konzil von Vienne fest, dass der Vorsitz bei einer durchzuführenden Inquisition gleichermaßen vom Diözesanbischof wie vom bestellten Inquisitor zu führen sei.

Liste bekannter Inquisitoren

Von vielen abgehaltenen Inquisitionen sind die Namen der leitenden Inquisitoren nicht bekannt. Die folgende Aufstellung bietet eine nach heutigen Staatsgebieten geordnete (unvollständige) Übersicht über bekannte dort wirkende Inquisitoren. Nach den Namen sind, soweit bekannt, jeweils die inquisitorischen Untersuchungsgebiete sowie die entsprechenden Zeiträume genannt.

Belgien

Deutschland

Frankreich

  • Robert le Bougre u.a. in der Franche-Comté und in La Charité-sur-Loire (1232–1244)
  • Petrus Seila in der Gegend von Quercy (1241–1242)
  • Bernard de Caux im Gebiet zwischen Toulouse und Carcassonne (1245–1246)
  • Jean de Saint-Paul im Gebiet zwischen Toulouse und Carcassonne (1245–1246)
  • Bernard Gui u.a. in Toulouse und Carcassonne (1307–1323)
  • Jacques Fournier in der südfranzösischen Grafschaft Foix (1318–1326)
  • Pierre Cauchon in Rouen: Jeanne d’Arc-Prozess (1431)

Italien

  • Johannes von Vicenza in Verona (1233)
  • Ruggiero Calcagni in Florenz (1240er)
  • Petrus von Verona in Florenz (1240er)
  • Rainer Sacconi (1240er)
  • Petrus von Verona im Gebiet um Como und Mailand (1251–1252)
  • Salomone da Lucca in Florenz (1280er)
  • Giulio Antonio Santorio Großinquisitor für Italien (um 1590)

Niederlande

  • Peter Titelmans in Flandern (1548–1566)

Österreich

Polen

Spanien

Tschechien

  • Hartmann von Pilsen sowie Inquisitor Colda in Prag und Olmütz (ab 1318)
  • Gallus von Neuhaus in Südböhmen (1335–1355)
  • Nicolas Jacquier in Böhmen (1466–1468)

Ungarn

Literatur

  • Johann Martinu: Die Waldesier und die husitische Reformation in Böhmen. Wien (u.a.) 1910.
  • Gerd Schwerhoff: Die Inquisition: Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit. C. H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-50840-5
  • Gerd Schwerhoff: Jenseits der schwarzen Legende. In: Damals. Magazin für Geschichte und Kultur 2/2001, S. 10–21.
  • Peter Segl: Einrichtung und Wirkungsweise der inquisitio haereticae pravitatis im mittelalterlichen Europa. In: Segl, Peter (Hg.): Die Anfänge der Inquisition im Mittelalter. Mit einem Ausblick auf das 20. Jahrhundert und einem Beitrag über religiöse Intoleranz im nichtchristlichen Bereich. Köln (u.a.) 1993, S. 1–28.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Schwerhoff: Jenseits der schwarzen Legende, S. 13.
  2. Martinu: Waldesier, S. 4.; vgl. Schwerhoff: Die Inquisition, S. 53.

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