Lothar Bossle

Lothar Bossle

Lothar Bossle (* 10. November 1929 in Ramstein/Pfalz; † 17. Dezember 2000 in Würzburg) war Professor für Soziologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und der Pädagogischen Hochschule in Lörrach. Außerdem war er als Berater für die CDU-Politiker Helmut Kohl und Hans Filbinger und als Präsident des privaten Instituts für Demokratieforschung tätig.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ausbildung und Berufsanfänge

Lothar Bossle studierte in München und Berlin politische Wissenschaft und Soziologie; 1959 schloss er mit dem Diplom ab. Von 1960 bis 1963 war er wissenschaftlicher Assistent von Gerhard Möbus an der Schule der Bundeswehr für Innere Führung in Koblenz. Danach arbeitete er von 1963 bis 1965 als Assistent am Institut für Politikwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. 1965 wurde er dort zum Dr. phil. promoviert. Ab 1966 war er Dozent für politische Wissenschaften an der Fachhochschule Worms. In den 1970er Jahren lehrte er an der Pädagogischen Hochschule Lörrach.

Als Student war Bossle Mitglied der SPD und bekleidete zeitweise das Amt des stellvertretenden Vorsitzender des Westberliner SDS. Nach der Verabschiedung des Godesberger Programms wandte er sich 1959 vom SDS und der SPD ab und trat in die rheinland-pfälzische CDU ein. Hier wurde er als Berater von Helmut Kohl und danach von Hans Filbinger angestellt.

Soziologieprofessur

Seit Anfang der 1970er Jahre unterstützte Bossle Franz Josef Strauß, der ihm 1977 zu seinem Lehrstuhl an der Universität Würzburg verhalf. Auf Strauß' Betreiben wurde Bossle von Kultusminister Hans Maier unter 55 Mitbewerbern ausgewählt und gegen die Voten des akademischen Senats, des Berufungsausschusses und des Fachbereichsrats auf den Lehrstuhl für Soziologie eingesetzt, was massive Proteste bei den Studenten hervorrief.[1]

Internationale Gesellschaft für Menschenrechte

Bossle wurde des Weiteren Kuratoriumsmitglied in der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte. Als solcher unterhielt er Kontakte zur chilenischen Militärjunta unter Augusto Pinochet, was ihm unter anderem eine Reise in die ansonsten abgeschotteten Colonia Dignidad ermöglichte, und rechtfertigte auch die Griechische Militärdiktatur.[2]

Institut für Demokratieforschung

1981 wurde Bossle Präsident des privaten Instituts für Demokratieforschung in Würzburg, das als „Doktorfabrik“ bekannt wurde.[3] Der bayerische Landtag beschäftigte sich deshalb mehrfach mit dem „Fall Bossle“. Nachprüfungen ergaben, dass nur bei einer der zahlreichen Doktorarbeiten ein Zweitgutachter vom Fach herangezogen worden war. Der andere Soziologieprofessor in Würzburg, Wolfgang Lipp bekundete, viele angebliche Doktorarbeiten „nie zu Gesicht bekommen“ zu haben.[4] Bossles Vorgehen bezüglich Promotionsverfahren an seinem Lehrstuhl wurde in den Medien bezüglich seiner Seriosität wiederholt in Frage gestellt.[5]

Nach dem Tod von Franz Josef Strauß wurde Bossle weiterhin von der CSU unterstützt, geriet aber nun auch innerhalb der CSU in die Kritik. Der Wissenschaftsminister Wolfgang Wild (CSU) erklärte 1989, Bossle habe „den Bogen überspannt“.[4] 1989 gab Bossle die Leitung des Instituts für Demokratieforschung an den CDU-Politiker Heinrich Lummer ab.

Weitere Aktivitäten

Es folgte eine Gastprofessur an der Technischen Universität Dresden. Bestrebungen, ihn dorthin zu berufen, zerschlugen sich 1991: Er ist „in unserem Fach ohne Ansehen“, schrieb mit ungewohnter Schärfe der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, Professor Bernhard Schäfers, im Februar dem sächsischen Kultusminister Hans-Joachim Meyer.[6]

Bossle nahm an Veranstaltungen der Paneuropa-Union und der Vereinigungskirche teil. Er gehörte zum Unterstützerkreis und festen Referentenstamm des Vereins zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis. 1994 trat er bei der geschichtsrevisionistischen Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle Ingolstadt als Referent auf.

Bossle war Kuratoriumsmitglied im Studienzentrum Weikersheim, das er wissenschaftlich leitete. Zudem gehörte er zum Kuratorium der Ludwig-Frank-Stiftung für ein freiheitliches Europa und des Brüsewitz-Zentrums. Bossle war außerdem Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Hanns-Seidel-Stiftung und gehörte dem päpstlichen Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem an. Seit 1984 war er dessen leitender Komtur.

Literatur

  • Lothar Bossle. In: Der Spiegel. Nr. 1, 2001, S. 166 (online).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Tilman Fichter, Siegward Lönnendonker, Kleine Geschichte des SDS, Rotbuch Verlag 1977, S. 160 und dort in Bezug auf den Spiegel, 31. Jg., Nr. 24, 6. Juli 1977
  2. Günter Platzdasch: Die sogenannte Internationale Gesellschaft für Menschenrechte S. 31
  3. Christiane Schlötzer-Scotland, „Aufstand in der «Doktorfabrik». Auch CSU verliert Geduld mit Soziologieprofessor Bossle“, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 42, 20. Februar 1992, S. 21
  4. a b Magie und Mystik. In: Der Spiegel. Nr. 30, 1989, S. 69-70 (online).
  5. vgl. z.B. sueddeutsche.de: Die Angst vor dem Déjà-vu mit weiteren Nachweisen
  6. Die Zeit 41/1991: Der Professor mit dem schlechten Ruf vom 4. Oktober 1991

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