Stromhandel

Stromhandel

Unter Stromhandel versteht man die Tätigkeit eines Unternehmens, elektrische Energie am Großhandelsmarkt zu kaufen und zu verkaufen. Vom Stromhandel zu unterscheiden ist die Vertriebstätigkeit am Endkundenmarkt, an dem Produkte für Endverbraucher, meist als Vollversorgungsvertrag zusammen mit Netznutzung und Fahrplanmanagement, abgesetzt werden.

Vor der Liberalisierung der Stromversorgung wurde der Output der Kraftwerke vom Anbieter an den Kundenkreis in seinem Gebietsmonopol (= Abnahmepflicht) abgegeben. Die Kosten der Erzeugung wurden auf die Kunden umgelegt, Preis- und Mengenrisiken für den Erzeuger waren gering.

Seit der Liberalisierung des Strommarkts ist der Erzeuger nun Mengen- und Preisrisiken ausgesetzt. Über den Strommarkt (siehe auch Strombörse) kann der Erzeuger versuchen, diese Risiken abzusichern (Hedgegeschäfte).

Inhaltsverzeichnis

Terminmarkt

Am so genannten Terminmarkt, an dem Strom für die nächsten Jahre gehandelt wird, kann ein Erzeuger die zukünftige Erzeugung seiner Kraftwerke zu einem heute bekannten Preis verkaufen und so seine Rohmarge sichern. Der Vertrieb des Stromversorgers kann die für seine Kunden benötigten Mengen am Terminmarkt im Voraus zu einem festen Preis kaufen und diesen zuzüglich seiner Marge an seine Kunden weitergeben. Auch große Verbraucher (z. B. Industrieunternehmen) können sich direkt am Terminmarkt mit Strom zu festen Preisen eindecken.

Neben den Handelsteilnehmern, die als Erzeuger oder Vertrieb/Verbraucher sich an ihrer physischen Position interessieren, gibt es spekulative Teilnehmer, oftmals Banken. Wenn etwa frühzeitig mehr Kraftwerksleistung am Markt angeboten wird, als zu diesem Zeitpunkt von den Vertrieben nachgefragt wird, kaufen spekulative Teilnehmer diese Energie auf und halten diese als spekulative Position, bis die Nachfrage am Markt vorhanden ist, wobei sie natürlich hoffen, diese teurer verkaufen zu können als sie sie eingekauft haben.

Für einen funktionsfähigen Terminmarkt ist eine hohe Liquidität notwendig. Im deutschen Strommarkt wird mehr als der sechsfache Stromverbrauch im Terminmarkt umgeschlagen.[1] Ein wichtiger Handelsplatz für Deutschland ist die deutsche Strombörse EEX. Zusammen mit dem skandinavischen Strommarkt und den Niederlanden bildet Deutschland damit eine Region mit sehr aktivem Stromhandel.

Spotmarkt

Während der Terminmarkt zur langfristigen Absicherung von Erzeugung und Bedarf dient, wird der Spotmarkt genutzt, um das Erzeugungs- oder Absatz-/Verbrauchsportfolio für den in der Regel nächsten Tag zu optimieren.

Wenn beispielsweise ein Kraftwerk seine Erzeugungsleistung noch nicht auf Termin verkauft hat, so wird seine Leistung am Spotmarkt zum Verkauf angeboten. Das Gebot erfolgt zu kurzfristigen Grenzkosten, wozu insbesondere die Brennstoffkosten (inkl. Nebenkosten etwa für Transport), der Wert der benötigten Emissionszertifikate und sonstige variable Kosten (z. B. für Verschleiß) zählen. Nur wenn mindestens diese Kosten erwirtschaftet werden, lohnt sich der Verkauf am Markt. Die Fixkosten spielen für diese kurzfristige Produktionsentscheidung hingegen keine Rolle.

Hat andererseits ein Kraftwerk seine Erzeugung bereits auf Termin verkauft, so nimmt es dennoch am Spotmarkt teil: Es kann nämlich lohnend sein, das „verkaufte“ Kraftwerk abzuschalten, wenn die Leistung von einem anderen Akteur am Markt zu geringeren Kosten produziert werden kann. Um dies zu erreichen, wird ein Kaufgebot zu den kurzfristigen Grenzkosten des Kraftwerks im Markt eingestellt.

Der Handel am Terminmarkt und Spotmarkt dient somit dazu, Risiken von Erzeugern und Verbrauchern im liberalisierten Markt zu minimieren und dennoch einen im Gesamtsystem kostenminimalen Einsatz des Kraftwerksparks zu erreichen.

Der Handel findet sowohl an Strombörsen sowie auch an außerbörslichen Handelsplätzen (so genannter OTC-Handel, das sind in der Regel elektronische Handelsplattformen von Brokern) statt.

Intradaymarkt

Im Intradaymarkt werden nach Schluss des Day-Ahead-Handels noch kurzfristige Geschäfte getätigt, um beispielsweise auf Abweichungen der Last von der Prognose oder auf Ausfälle von Kraftwerksblöcken reagieren zu können und die Fahrplanabweichung zu reduzieren. Die deutsche Strombörse EEX ermöglicht Intraday-Geschäfte noch bis zu 45 min vor Lieferung. Im OTC-Handel können bei Kraftwerksausfällen – regelzonenübergreifend – noch bis zu 15 min vor Lieferbeginn Geschäfte gemacht werden. Regelzonenintern können Abweichungen von Last und Prognose noch bis zum folgenden Werktag um 16:00 Uhr ausgeglichen werden.[2]

Regelenergiemarkt

Die Übertragungsnetzbetreiber benötigen zum ständigen Ausgleich der Leistungsbilanz Primärregelreserve, Sekundärregelreserve und Minutenreserve. Sie sind in Deutschland verpflichtet, diese über eine gemeinsame Ausschreibung am Regelenergiemarkt zu beschaffen.[3]

Siehe auch

Literatur

Jörg Borchert, Ralf Schemm, Swen Korth: Stromhandel. Institutionen, Marktmodelle, Pricing und Risikomanagement. 1. Auflage. Schäffer-Poeschel, 2006, ISBN 978-3791025421.

Einzelnachweise

  1. Europäische Kommission, DG Competition: http://ec.europa.eu/comm/competition/sectors/energy/inquiry/full_report_part2.pdf DG Competition Report on Energy Sector Inquiry, Part 2. 10. Januar 2007 (PDF)
  2. http://www.epexspot.com/de/produkte/intraday-handel
  3. Verband der Netzbetreiber VDN e. V. beim VDEW: http://www.vdn-berlin.de/global/downloads/Netz-Themen/Regelenergie/Regelenergiemarkt_dt_2005-07-07.pdf Beschaffung von Regelleistung und -energie in Deutschland 7. Juli 2005 (PDF)

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