Verband der Islamischen Kulturzentren

Verband der Islamischen Kulturzentren
Innenraum einer Moschee des VIKZ in Emmendingen

Der Verband der Islamischen Kulturzentren e. V. (VIKZ; türkisch İslam Kültür Merkezleri Birliği, IKMB) ist der älteste und einer der größten islamischen Dachverbände mit Sitz in Köln (gegründet 1973).

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Verband der Islamischen Kulturzentren geht zurück auf das in 1973 gegründete Islamische Kulturzentrum in Köln. Er versteht sich parteipolitisch neutral und kümmert sich um religiöse, soziale und kulturelle Bedürfnisse[1] von Muslimen. Der Verband der Islamischen Kulturzentren ist Gründungsmitglied des Koordinierungsrats der Muslime‎,[2] der kurz vor der Deutschen Islamkonferenz ins Leben gerufen wurde. Der Präsident des VIKZ, Mustafa Imal, vertritt den Verband auf der deutschen Islamkonferenz (DIK).[3]

1979 stellte das Islamische Kulturzentrum einen Antrag auf die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts, um Religionsunterricht an öffentlichen Schulen für muslimische Schüler geben zu können. Dieser Antrag wurde nicht weiter verfolgt. Der VIKZ stellte im Jahre 1994 erneut einen Antrag, der noch nicht beschieden ist und vom Verband momentan nicht verfolgt wird.

Vereinsstruktur

Der VIKZ seinerseits gehörte mit zu den Gründern des Zentralrats der Muslime in Deutschland, trat aber im Jahr 2000 nach einem Führungswechsel aus. Der Verband bekennt sich zur Richtung des sunnitischen Islam. Der Zentralisierungsprozess im Jahre 1980, bei dem alle selbständigen Gemeinden aufgelöst und zu einem einzigen Verband in Köln zusammengeschlossen wurden, wurde im Jahre 2006 wieder rückgängig gemacht. Die Gemeinden vor Ort sind wieder selbständige Vereine, die als Mitgliedsvereine des Dachverbandes für ihre Aktivitäten selbst verantwortlich sind. Sie stehen jedoch in einem Fördervertrag mit dem Dachverband.

Zum Verband gehören deutschlandweit mehr als 300 Moscheen.

Aktivitäten und Rezeption

Der VIKZ betätigt sich nach seinen Angaben in sozialen, religiösen und kulturellen Bereichen. Er legt großen Wert auf die religiöse Bildung der nachwachsenden Generation von Muslimen und ihren Kindern in Deutschland. Neben der religiösen Unterweisung bietet der Verband Interessierten verschiedene Kurse wie Hausaufgabenhilfe, Deutsch- und Computerkurse an.[1] Bildungs- und Jugendarbeit ist eines der Schwerpunkte des Verbandes.[4] So führt der Verband derzeit beispielsweise gemeinsam mit der Otto Benecke Stiftung e.V. (OBS) das Modellprojekt „Verstärkte Partizipation von Migrantenorganisationen (PARTIMO)“ zur Verbesserung der Bildungs- und Jugendarbeit durch, welches vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend finanziert wird.[5] In diesem Rahmen ist März 2011 ein Lesecafe im Schülerwohnheim eröffnet, um das Lesen bei Migrantenkindern und Begegnung zu fördern.[6] Umstritten in der Öffentlichkeit war der Versuch, verbandseigene Wohnheime für Schüler einzurichten. Das erste, amtlich genehmigte Schüler-Wohnheim des VIKZ in Nordrhein-Westfalen wurde 2003 in Duisburg eröffnet und ist in das Stadtviertel mittlerweile gut integriert und gilt als ein Vorzeigeprojekt.[7] Der Verband betont, dass es ihm allein um eine intensive schulische und religiöse Förderung der Schüler gehe. Im Bereich der integrationsfördernden Jugendarbeit möchten der Verband und die Stiftung Methoden zur interkulturellen Öffnung der Moscheegemeinden und der Jugendarbeit vermitteln und die Jugendarbeit des Verbandes professionalisieren.[8] In dem unveröffentlichten Gutachten der Marburger Turkologin Ursula Spuler-Stegemann aus dem Jahre 2004 im Auftrag des hessischen Sozialministeriums wird behauptet, die Heime dienten entgegen anderslautenden Beteuerungen „fast ausschließlich islamischer Lehre und der Einübung in die Glaubenspraxis“ und seien „absolut integrationshemmend“. Die Schüler würden in einen „strengstens scharia-orientierten“ Islam „hinein-indoktriniert und gegen das Christentum wie auch gegen den Westen ebenso immunisiert wie gegen unser Grundgesetz“[9]."Das Problem des Gutachtens ist, dass kaum eine Aussage belegt wird. Es wird nicht mit empirischen Daten oder auch nur Einzelerfahrungen auf der Ebene der Beschreibung argumentiert,sondern viele Aussagen lassen die emotional ablehnende Grundhaltungen der Verfasserin erkennen." so Boos-Nünning (S.7).[10] Im Jahre 2008 zitierte die lokale Zeitung Kölner Stadt-Anzeiger Vorwürfe gegen den VIKZ aus einem zwei Jahre alten Papier der Polizei Köln aus dem Jahr 2006, die sich auf Spuler-Stegemann beruft. Darin wurde dem Verband vorgeworfen, er sei antiwestlich, antidemokratisch und antijüdisch, der „heilige Krieg“ und das Märtyrertum würden in Predigten verherrlicht und ein „Strategiepapier“ gebe umfassende Anweisungen zur „Verdunkelung“ illegaler Umtriebe.[11] Der VIKZ selbst reagierte auf die Vorwürfe in einer Presseerklärung und wies die Vorwürfe mit Entschiedenheit zurück. Er berief sich dabei auf seine 35-jährige Arbeit. „Heiliger Krieg“ nach dem religiösen Verständnis des VIKZ gebe es nicht und Dschihad verstehe er nur als Dienst an den Menschen.[12] Das Polizeidossier lieferte keinen Ansatz für strafrechtliche Verfolgung, noch ergab es Beweise für Extremismus (VIKZ wird in keinem Verfassungsschutzbericht erwähnt) oder politischen Missbrauch des Islam und hatte auch keine anderen Konsequenzen für die Zusammenarbeit des VIKZ mit staatlichen Behörden. [13] Die Religionswissenschaftlerin Gerdien Jonker hielt die damaligen Vorwürfe für aufgewärmt und als ein institutionalisiertes Narrativ.[13] Das Integrationsministerium NRW erklärte, dass Vorwürfe, der Verband sei „antiwestlich, antidemokratisch und antijüdisch“ von der Landesregierung nicht bestätigt werden können.[14] Ferner bestritt das Innenministerium NRW, den VIKZ jemals als „integrationsfeindlich“ bezeichnet zu haben.[15] Der Verband gilt unter Experten als unpolitisch und tiefreligiös.[16] In dieser Diskussion wurde der VIKZ von der Christlich-Islamischen Gesellschaft in Schutz genommen.[17] Aufgrund der Vorwürfe und Kritik hat der VIKZ im September 2008 die emeritierte Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Ursula Boos-Nünning beauftragt, ein Gutachten über die 19 Schülerwohnheime des VIKZ zu erstellen. Die Studie soll Vorbehalte von Öffentlichkeit und Behörden gegen den Verband entkräften.[18] Die Ergebnisse der Untersuchung mit dem Titel „Beten und Lernen“ sind im Juli 2010 der Öffentlichkeit vorgestellt worden, laut Boos-Nünning hätten die beiden Kernvorwürfe - die Jugendlichen zögen auf Druck ihrer Eltern in die Heime; Ziel sei Elitebildung - sich nicht bestätigt. Die Jugendlichen würden weder religiös noch politisch indoktriniert, allerdings hätten viele der überwiegend türkischstämmigen Schüler kaum deutsche Freunde, und statt den jungen Leuten Medienkompetenz zu vermitteln, sei „Medien-Abstinenz“ ein Erziehungsziel. Kritik übte sie auch an der starken Fremdbestimmung der Schüler in deren Freizeit.[19] So geben beispielsweise die Ergebnisse der Studie auch, dass das wichtigste Motiv für den Besuch der Wohnheime mit 91 Prozent ein guter Schulabschluss ist.[20] Auch belegt die Studie, dass Tradition und Weltoffenheit für die Jugendlichen kein Widerspruch darstellt.[20] Der VIKZ ist der einzige islamische Verband, welcher bereits seit den 80er Jahren Theologinnen und Theologen in Deutschland ausbildet.[21] Gemeinsam mit den anderen Verbänden des KRM veranstaltet der VIKZ jedes Jahr am dritten Oktober den „Tag der offenen Moschee“. An diesem besonderen Tag öffnen die Moscheen der Verbände allen Interessierten ihre Türen und laden zum Dialog ein.[22]

Verbindung zu den sogenannten "Süleymancilar"

Der VIKZ steht in Verbindung mit der islamischen Laienbewegung der von anderen türkischen Muslimen oft als „Anhänger Süleymans“ (türkisch Süleymancılar) bezeichneten Föderation der Vereine zur Förderung der Schüler und Studenten in der Türkei. Die Bewegung geht auf den 1959 verstorbenen Professor, Prediger und Naqschbandi-Scheich Süleyman Hilmi Tunahan zurück, der von seinen Schülern und Anhängern als „veli“ Gottesfreund verehrt wird. Da Tunahan sein Amt als spiritueller Führer (Scheich) nicht weitergab, organisierten sich seine Schüler als Laienbewegung. Die Charakterisierung der „Süleymancılar“ als „Derwisch- bzw. Sufi-Orden“ (Tariqa) oder „Bruderschaft“ ist daher unzutreffend.

In Deutschland sind die Mitglieder des VIKZ meist betont unauffällig und tragen ihre Lehre kaum nach außen. Sie betonen jedoch ihre sunnitische Rechtgläubigkeit und lehnen die Bezeichnung Süleymancılar als pejorativ ab.[23] Sie bevorzugen stattdessen die Bezeichnung Süleymanlılar.[24]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b VIKZ e.V. Köln - Soziale Dienste
  2. Deutsche Muslime bilden gemeinsamen Koordinationsrat - Nachrichten welt_print - WELT ONLINE
  3. http://www.deutsche-islam-konferenz.de/cln_117/nn_%201319016/SharedDocs/Anlagen/DE/DIK/Downloads/Sonstiges/teilnehmerliste-plenum4-dik,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/teilnehmerliste-plenum4-dik.pdf
  4. VIKZ e.V. Köln - Jugendarbeit
  5. http://www.vikz.de/public/Presseeinladung_PARTIMO%20020210.pdf
  6. Pr Inside
  7. Duisburg: "Hier wird nicht indoktriniert" von Peter Klucken, rp-online.de 9. Februar 2010
  8. VIKZ gibt Startschuss fĂźr eine bessere Bildungs- und Jugendarbeit | Migration und Integration in Deutschland | MiGAZIN
  9. „Und nachts der Koran“ - Immer mehr Muslime in Deutschland vertreten religiös-konservative Ansichten. Islamische Verbände befördern diese Tendenzen., SPIEGEL 46/2006
  10. http://www.vikz.de/index.php/pressemitteilungen/items/besserer-start-ins-leben-dank-wohnheimbesuch.html?file=tl_files/vikz/Pressemittelungen-VIKZ/Studie3A%20Beten%20und%20Lernen.pdf
  11. Matthias Niewels: „Schwere Vorwürfe gegen Islam-Verein“, KStA vom 10. April 2008
  12. Presseerklärung des VIKZ zu den Vorwürfen der Kölner Polizei, April 2008 (Link nicht mehr abrufbar)
  13. a b tagesspiegel.de: Muslim-Verein: SPD-Politiker für Boykott Justiz sieht keine Handhabe, Zugriff am 15. April 2011
  14. vikz.de: VIKZ steht nicht unter Beobachtung (PDF), Zugriff am 15. April 2011
  15. „Wir sind verfassungstreu“ Der Westen, 23. April 2008
  16. vikz.de: Vorbild für andere Städte VIKZ, Zugriff am 15. April 2011
  17. Pressemitteilung der Christlich-Islamischen Gesellschaft zu den Vorwürfen gegen den VIKZ 25. April 2008
  18. Arbeit der Schülerwohnheime untersuchen SWR 22. September 2008
  19. VIKZ: Islamverband indoktriniert Schüler nicht Von Harald Biskup, KStA vom 9. Juli 2010
  20. a b Gutes Zeugnis: Internate unter der Lupe | Wissenschaft - Frankfurter Rundschau
  21. HINTERGRUND: Die Ausbildung der Imame | Spezials - Frankfurter Rundschau
  22. TAG DER OFFENEN MOSCHEE 2010 - 3. Oktober
  23. Selbstdarstellung siehe dort Punkt 5: Die Frage der „Mystischen Ausrichtung“ von Angehörigen des VIKZ
  24. http://nedir.antoloji.com/suleymanlilar/ Türkischer Sammelband

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