Wächterrat

Wächterrat

Der Wächterrat (persisch ‏شورای نگهبان قانون اساسی‎, Schura-ye Negahban-e Ghanun-e Asasi) ist Teil der iranischen Regierung und hat, neben dem Revolutionsführer, eine herausragende Position. Er besteht aus zwölf Mitgliedern.

Der Wächterrat als zentrale Institution im politischen System des Iran

Inhaltsverzeichnis

Zusammensetzung

Die zwölf Sitze im Wächterrat werden nach Artikel 91 der iranischen Verfassung zur Hälfte mit Geistlichen und zur Hälfte mit Juristen besetzt. Die sechs geistlichen Mitglieder werden vom Obersten Rechtsgelehrten direkt ernannt, sechs Juristen aus verschiedenen Rechtsgebieten vom Parlament gewählt, wobei nur vom obersten Richter vorgeschlagene und genehmigte Personen vom Parlament gewählt werden dürfen. Der oberste Richter ist wiederum vom Obersten Rechtsgelehrten ernannt.

Die Mitglieder werden für sechs Jahre ernannt. Alle drei Jahre scheidet die Hälfte der Mitglieder durch Losverfahren (Artikel 92) aus, während neue Mitglieder an ihre Stelle treten. Die Macht des Wächterrates beruht vor allem auf seinem umfassenden Vetorecht. Er zählt nach der Verfassung formell zur Legislative, übernimmt jedoch durch sein Vetorecht auch rechtsprechende Aufgaben. Der Politologe Wahied Wahdat-Hagh spricht von einem islamischen Politbüro.

Am 20. Februar 1980 wurden erstmals von Ayatollah Ruhollah Chomeini die geistlichen Mitglieder des Wächterrats ernannt, am 17. Juli 1980 vom Parlament die Juristen bestimmt. Der erste Wächterrat setzte sich zusammen aus den Geistlichen Abdar-Rahim Rabani Schirazi, Lotfallah Safi, Mohammed Reza Mahdavi-Kani, Ahmad Dschannati, Yusuf Sani, Golamreza Rezwani, sowie den Juristen Godarz Eftehar Dschahromi, Hossein Mehrpur, Mohsen Hadari, Ali Azad, Mohammed Salchi, Mohammed Abadi.

Aktuelle Mitglieder des Wächterrats

  1. die Geistlichen:
    • Ahmad Dschannati, Vorsitzender des Wächterrats
    • Seyyed Mahmood Hashemi-Shahroodi
    • Mohammad-Reza Modarresi-Yazdi
    • Mohammad Momen
    • Gholam-Reza Rezvani
    • Mohammad Yazdi
  2. die Juristen:
    • Gholam Hossein Elham
    • Abbas Ali Kadkhodaei, Sprecher des Wächterrats
    • Mohammad Reza Alizadeh
    • Hossein-Ali Amiri
    • Mohsen Esmaili
    • Abbas Ka'bi.

Arbeitsweise

Die Idee, die Legislative und Exekutive einem islamisch-geistlichen Kontrollorgan zu unterstellen, geht auf den schiitischen Geistlichen Fazlollah Nuri zurück. Ein solches Organ wurde erstmals nach der islamischen Revolution 1979 mit der Einrichtung des Revolutionsrates realisiert. Mit Verabschiedung der neuen iranischen Verfassung am 3. Dezember 1979 übernahm der Wächterrat dessen Rolle: Er hat nach Artikel 94 die Aufgabe, sämtliche Beschlüsse des Parlaments innerhalb von zehn Tagen auf ihre Übereinstimmung mit den Prinzipien des Islam und der Verfassung der Islamischen Republik Iran zu überprüfen. Sind Widersprüche erkennbar, wird der Gesetzesvorschlag zurückgewiesen.

In der Verfassung heißt es in Grundsatz 96 dazu:

Die Feststellung des Übereinstimmens der Beschlüsse [des Parlaments] mit den islamischen Vorschriften wird von der Mehrheit der islamischen Rechtsgelehrten des Wächterrates und hinsichtlich des Übereinstimmens mit dem Grundgesetz von der Mehrheit aller Mitglieder des Wächterrates getroffen.

Verfassung der Islamischen Republik Iran, Grundsatz 96, 1979

Der Wächterrat überwacht außerdem die Qualifizierung und Zulassung der Präsidentschaftskandidaten, der Kandidaten für den Expertenrat, der Kandidaten für das Parlament und steht in direktem Kontakt mit dem Revolutionsführer. Ein zentrales Beobachtungsgremium, vom Wächterrat ernannt, überwacht alle Wahlprozesse und gibt das Wahlergebnis bekannt.

Bei anhaltenden Differenzen zwischen Wächterrat und Parlament kann der Fall an den Schlichtungsrat, genannt „Versammlung zur Erkennung von Systeminteressen“ („Madschmae Taschkisse Maslehate Nesam“) verwiesen werden, der die Entscheidung zu fällen hat.

Zusätzlich obliegt dem Wächterrat die Auslegung der Verfassung. Gemäß Grundsatz 98 der Verfassung wird für eine solche Entscheidung eine Dreiviertel-Mehrheit benötigt. Wahied Wahdat-Hagh beschreibt die Rücknahme einer Entscheidung des Wächterrats aus dem Jahre 1998.

Ausgewählte Entscheidungen

Präsidentschaftswahlen Bewerber zugel. Kandidaten
Iranische Präsidentschaftswahlen 1989 79 2
Iranische Präsidentschaftswahlen 1993  ? 4
Iranische Präsidentschaftswahlen 1997 238 4
Iranische Präsidentschaftswahlen 2001 814 10
Iranische Präsidentschaftswahlen 2005 1014 8
Iranische Präsidentschaftswahlen 2009 475 4

[1] [2] [3] [4] Frauen wurden bisher generell von Präsidentschaftswahlen ausgeschlossen.

Im Vorfeld der Iranischen Parlamentswahlen 2008 ließ der Wächterrat von 7600 Bewerbern um die 290 Sitze des Iranischen Parlaments 4476 zu [5]. Außerdem wurde ein bisheriger Abgeordneter des Iranischen Parlaments für die Parlamentswahl 2008 disqualifiziert. [6]

Nach den iranischen Präsidentschaftswahlen 2009 wurden dem Wächterrat in der Funktion als Wahlprüfungskommission, von den unterlegenen Kandidaten Mir Hossein Mussawi, Mohsen Rezai und Mehdi Karroubi, eine Liste von insgesamt 646 Beanstandungen vorgelegt.[7] Am 22. Juni erklärte der Sprecher des Wächterrats, Abbas Ali Kadkhodaei, dass es keine Aufzeichnungen über größere Unregelmäßigkeiten bei der Wahl gegeben habe und daher bestehe nach Ansicht des Gremiums keine Möglichkeit, die Wahl zu annullieren.[8]

Verweise

Einzelnachweise

  1. Fischer Weltalmanach: Iran: Präsidentschaftswahlen 2001
  2. Christopher Lockwood: Calls for reform grow louder as Iran goes to polls; Electronic Telegraph Nr. 729, 24. Mai 1997. (englisch)
  3. Michael Rubin: Iran’s Myth of Moderation; 18. März 2002. (englisch)
  4. Tagesspiegel vom 10. Mai 2009
  5. Die ZEIT vom 13. März 2008
  6. Iran Report 05/2008. Seite 5
  7. Zehntausende bei Schweigemarsch in Teheran Tagesspiegel vom 18. Juni 2009
  8. Guardian Council rules out vote nullification Press-TV vom 22. Juni 2009

Literatur

  • Verfassung der islamischen Republik Iran. Herausgeber: Botschaft der islamischen Republik Iran, Bonn 1980
  • Wahied Wahdat-Hagh: "Die islamische Republik Iran". Die Herrschaft des politischen Islam als eine Spielart des Totalitarismus. Berlin, Freie Universität, Diss. 2003. - ISBN 978-3-8258-6781-2
  • Hans-Georg Ebert, Henner Fürtig, Hans-Georg Müller: Die Islamische Republik Iran. Akademie Verlag, Berlin 1987. ISBN 978-3-7609-1059-8
  • Wilfried Buchta: Who Rules Iran? The Structure of Power in the Islamic Republic. Brookings Institution, U.S. Dezember 2001. ISBN 978-0-944029-36-7

Weblinks

Siehe auch


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