Freie Benutzung

Freie Benutzung

Die Freie Benutzung ist im deutschen Urheberrecht eine Art der Werkbenutzung. Sie ermöglicht die Benutzung eines Werkes ohne Zustimmung des Urhebers in einem neuen, selbstständigen Werk, sofern die persönlichen Züge des Originalwerkes verblassen und die des neuen Urhebers in den Vordergrund treten.[1]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte und Definition

Die amtliche Begründung des Urheberrechtsgesetzes sah eine Übernahme der gesetzlichen Bestimmungen aus § 13 LUG und § 16 KUG vor:[2]

In Übereinstimmung mit dem geltenden Recht (§ 13 LUG, § 16 KUG) sieht der Entwurf vor, daß abweichend von der Regelung in § 23 ein in Anlehnung an ein anderes Werk geschaffenes Werk dann ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht oder verwertet werden darf, wenn es sich von der Vorlage so weit gelöst hat, daß es als eine völlig selbständige Neuschöpfung anzusehen ist (freie Benutzung).

Die Definition erfolgt in § 24 UrhG:

(1) Ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, darf ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden.
(2) Absatz 1 gilt nicht für die Benutzung eines Werkes der Musik, durch welche eine Melodie erkennbar dem Werk entnommen und einem neuen Werk zugrunde gelegt wird.

Abgrenzung

Im Gegensatz zu den anderen Werkbenutzungsarten unveränderte Benutzung (§ 15 UrhG) und Bearbeitung (§ 23 UrhG) bedarf es bei der freien Benutzung jedoch keiner Zustimmung des Urhebers des Originalwerkes. Bearbeitung und freie Benutzung entlehnen sich beide einem Originalwerk, wobei es sich erst um eine freie Benutzung handelt, wenn es keine Bearbeitung mehr ist. Dabei ist die eigenpersönliche Leistung des Urhebers am neuen Werk maßgeblich.[1]

Frei benutzt werden – im Sinne dieses Paragrafen – können nur Werke, welche bereits einen urheberrechtlichen Schutz besitzen. Werke, welche auf Grund mangelnder Schöpfungshöhe oder aufgrund des Alters gemeinfrei sind, können zwar ebenfalls frei benutzt werden, jedoch nur weil diese nicht urheberrechtlich geschützt sind, nicht jedoch weil diese Regelung dies erlaubt.[3]

Kriterien

Ein Werk, welches auf Freier Benutzung einer Fotografie basiert. (Zeichnung von Herbert Wetterauer nach einer Fotografie von Fritz Eschen)

Die Bezugnahme auf das Originalwerk ist nicht relevant, da diese durch das Gesetz bereits vorgesehen ist. Wichtiger ist es, dass die persönlichen Züge des Originalwerkes verblassen und die des neuen Urhebers in den Vordergrund treten. Die persönliche Züge verblassen umso eher, wenn diese im Originalwerk nur schwach vorhanden sind, wie beispielsweise bei Werken, die als kleine Münze zu sehen sind. Dabei werden die Übereinstimmungen der beiden Werke, nicht die Unterschiede betrachtet. Wird so beispielsweise die Handlung einer Fabel komplett übernommen, die Gestaltung jedoch verändert, sodass der Leser sofort an das Originalwerk erinnert wird, dann handelt es sich es stets um eine Bearbeitung, nicht um eine freie Benutzung.[1][4] Ähnliches gilt bei Fortsetzungen von Werken.[5][6] Bei Parodien sind auch deutliche Übernahmen der Formgestaltung erlaubt.[7] Dabei kann selbst die unveränderte Übernahme von geschützten Laufbildern für eine Satire in eine andere Show der freien Benutzung unterfallen.[8] Es kommt hier wieder darauf an, ob die Parodie einen „inneren Abstand“ zu den eigenpersönlichen Zügen des Originalwerkes besitzt.[7]

Umstritten ist, ob Werke, welche das Originalwerk in eine andere Werkgattung übertragen, auch eine freie Benutzung darstellen. Nach einer Ansicht sind von der freien Benutzung solche Werke ausgeschlossen.[9] Die Gegenansicht sieht in einer Übertragung in eine andere Werkgattung, ausgenommen von Verfilmungen, stets eine freie Benutzung, sofern es sich nicht um dieselbe oder benachbarte Werkgattung handelt.[10] Beziehen sich mehrere Werke auf das gleiche gemeinfreie Originalwerk, sind stets alle Bearbeitungen eine freie Benutzung. So kann jemand, der die Mona Lisa bearbeitet, keinen anderen urheberrechtlich belangen, weil dieser das auch tut.[9] Versucht ein Urheber mit seiner Bearbeitung dem Erfolg eines anderen Werkes zu folgen, ist die freie Benutzung an besonders hohe Voraussetzungen gebunden.[6]

Auf die freie Benutzung fremder Werke bezieht sich beispielsweise das Magazin Perlentaucher bei der Nutzung von Buchkritiken aus verschiedenen deutschsprachigen Qualitätszeitungen in eigenen Zusammenfassungen dieser Kritiken, die auch an Buchhändler weiterverkauft wurden.[11] In der Revision wurde die freie Benutzung durch den BGH im Dezember 2010 ausdrücklich bestätigt, jedoch das Verfahren zurückverwiesen um zu klären, ob die in die frei formulierten Rezensionen eingebetteten Zitate in ihrem Umfang zulässig sind.[12]

Einschränkungen für Musik

Absatz 2 des Paragrafen schränkt die freie Benutzung für Werke der Musik ein, wenn die Melodie erkennbar dem neuen Werk zugrunde liegt. Dies macht etwa Parodien praktisch unmöglich, außer der Urheber des Originalwerkes stimmt der Parodie (=Bearbeitung) zu.[13] Der Begriff der Melodie ist im Urheberrecht nicht definiert. Es wird aber davon ausgegangen, dass die Melodie eine geschlossene und geordnete[14] Tonfolge sei, welche dem Werk eine individuelle Prägung gibt.[15] Umstritten ist, ob der zweite Absatz verfassungswidrig ist, da dieser gegen das Prinzip der Gleichbehandlung gleichliegender Tatbestände (Art. 3 Abs. 1 GG) verstoßen könnte.[13]

Allerdings soll unter bestimmten Voraussetzungen das Verwenden von kurzen Samples anderer Autoren nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 20. November 2008[16] zulässig sein.[17]

Einzelnachweise

  1. a b c Vinck in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl, § 24 Rdn. 2
  2. Amtliche Begründung auf urheberrecht.org
  3. Vinck in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl, § 24 Rdn. 1
  4. Vinck in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl, § 24 Rdn. 2, 4, 5
  5. Vinck in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl, § 24 Rdn. 6
  6. a b Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 4. Aufl, Rdn. 245
  7. a b Vinck in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl, § 24 Rdn. 9
  8. BGH, Urteil vom 13. April 2000 - I ZR 282/ 97 - Mattscheibe
  9. a b Vinck in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl, § 24 Rdn. 3
  10. Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 4. Aufl, Rdn. 244; Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, § 8 Rdnr. 15
  11. Urteile vom 11. Dezember 2007 – Az: 11 U 75/06 und 11 U 76/06; OLG Frankfurt: Zulässige Inhaltsangaben von Buchkritiken Dritter in verkürzter Form (Abstracts)
  12. News auf urheberrecht.org
  13. a b Vinck in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl, § 24 Rdn. 12
  14. Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, § 8 Rdnr. 18
  15. Vinck in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl, § 24 Rdn. 15
  16. BGH, Urteil vom 20. November 2008 - I ZR 112/ 06 - Metall auf Metall
  17. Heise Newsticker vom 20. November 2008 „BGH: Sampling grundsätzlich zulässig“
Rechtshinweis Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten!

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • freie Benutzung — freie Benutzung,   die urheberrechtliche Befugnis, ein Werk, das unter Benutzung eines anderen Werkes entstanden ist, ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes zu veröffentlichen und zu verwerten (§ 24 Urheberrechtsgesetz). Voraussetzung… …   Universal-Lexikon

  • freie Benutzung — Begriff des Urheberrechts für ein ⇡ Werk, das sich von der Vorlage so weit gelöst hat, dass es als eine völlig selbstständige Neuschöpfung anzusehen ist. Unterliegt dem Urheberrecht seines ⇡ Urhebers. Es darf ohne Zustimmung des Urhebers des… …   Lexikon der Economics

  • Freie Software — (englisch free software) ist Software, die für jeden Zweck verwendet, studiert, bearbeitet und in ursprünglicher oder veränderter Form weiterverbreitet werden darf. Das schließt auch die kommerzielle Nutzung ein. Freie Software Lizenzen… …   Deutsch Wikipedia

  • Freie Technik — Qualifikationswettbewerb für die Tour de Ski Die Loipen für Skating und klassische Technik werden häufig direk …   Deutsch Wikipedia

  • Argentinien — Argentinien. Inhaltsübersicht: I. Geschichtliche Entwicklung. II. Eisenbahnpolitik. III. Verwaltung und Gesetzgebung. IV. Technische Anlage und Betrieb. V. Eisenbahntarife. I. Geschichtliche Entwicklung. Bis 1870 standen nur einige Teilstrecken… …   Enzyklopädie des Eisenbahnwesens

  • Bearbeitung (Urheberrecht) — Die Bearbeitung ist ein Begriff des Urheberrechts. Inhaltsverzeichnis 1 Regelung im deutschen Urheberrecht 1.1 Die Bearbeitung als Gegenstand urheberrechtlichen Schutzes 1.2 Voraussetzung einer Bearbeitung …   Deutsch Wikipedia

  • Indische Nationalbibliothek — 22.5332488.333436 Koordinaten …   Deutsch Wikipedia

  • Festival (Software) — Festival Maintainer Rob Clark und Alan Black Entwickler „Centre for Speech Technology Research” (CSTR) der Universität Edinburgh Aktuelle Version 2.1 beta (November 2010) Betriebssystem …   Deutsch Wikipedia

  • Urheberrecht — Das Gesetz trat am 1. Januar 1902 in Kraft und bezieht sich im einzelnen a) auf Schriftwerke und solche Vorträge oder Reden, die dem Zwecke der Erbauung, Belehrung oder Unterhaltung dienen, b) auf Werke der Tonkunst, c) auf Abbildungen… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Könizer Bibliotheken — Die Könizer Bibliotheken sind die öffentlichen Bibliotheken der Schweizer Gemeinde Köniz im Kanton Bern. Bibliotheksgebäude in Köniz, Stapfen Inhaltsverzeichnis 1 …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”