Gerd Dembowski

Gerd Dembowski

Gerd Dembowski (* 1972 in Recklinghausen) ist ein deutscher Sozialwissenschaftler, freier Autor, Vortragsreisender, Sänger, Ausstellungsmacher und Lehrbeauftragter.

Inhaltsverzeichnis

Biographie

Als Arbeiterkind von Spätaussiedlern aus dem polnischen Giżycko studierte er von 1993 bis 1998 Sozialwissenschaften und Pädagogik an der Gerhard-Mercator-Universität-GH in Duisburg. Dort eröffnete 1995 der Soziologe Dieter Bott dem damaligen Vereinsfußballer den Weg in die gesellschaftswissenschaftlichen Analysen des Fußballs. Seit 2009 ist er Promotionsstipendiat der Hans-Böckler-Stiftung und schreibt seine Doktorarbeit bei Gunter Gebauer und Christoph Wulf an der Freien Universität Berlin zu „Diskriminierung und Antidiskriminierung im englischen und deutschen Fußball“. Er lebt in Berlin.

Leistungen

Erste Aktivitäten in Fanszenen

Dembowski wirkte neben Dieter Bott im ersten Duisburger Fanprojekt mit, organisierte 1996 mit ihm das erste Fußball-Fanzine-Festival im Salvador-Allende-Haus in Oer-Erkenschwick und gab das MSV Duisburg-nahe Fanzine „Blutgrätsche“ mit heraus. 1996 wurde er für mehrere Jahre Bundessprecher des Bündnisses Aktiver Fußballfans (BAFF), war maßgeblich an der Organsation der bundesweiten Fankongresse von 1997 bis 1999 beteiligt. 1998 – 2000 war Dembowski im zweiten Fanprojekt Duisburg e.V. angestellt und entwickelte dort Botts Ansatz der jugendpolitisch-strukturellen Sozialarbeit weiter, der ein lebensweltorientiertes Empowerment von jugendlichen und jungerwachsenen Fußballfans zum Inhalt hat. Dies wurde 1998 auch Thema seiner Diplomarbeit. 1998 war er im sozialpädagogischen WM-Team der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) und gab in Frankreich das Fan-Magazin „AlleZmagne“ mit heraus.

Wander-Ausstellung Tatort Stadion

Ende 1999 zog Dembowski nach Berlin und kuratierte für BAFF und das Netzwerk Football Against Racism in Europe (FARE) die sozialhistorische Wander-Ausstellung und Antidiskriminierungskampagne „Tatort Stadion. Rassismus und Diskriminierung im Fußball“, die bis 2006 über einhundertmal gezeigt wurde. Auch an ihrem Nachfolger „Tatort Stadion 2“, die seit 2010 durch Deutschland und Österreich tourt, ist er beteiligt.

Nach der Eröffnung 2001 löste „Tatort Stadion“ einen Eklat aus, da sie nicht nur Diskriminierung in Fanreihen verortete, sondern auch schaute, wo z.B. der damalige DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder sich diskriminierend äußerte und gehandelt hatte. Der DFB zog zugesagte Gelder zurück und rief mit der Deutschen Fußball-Liga (DFL) seine Vereine dazu auf, die Ausstellung nicht zu unterstützen. Langfristig betrachtet hat die öffentliche Debatte und Gremienarbeit, die „Tatort Stadion“ 2001 anschob, erheblich zu einer Öffnung des Fußballs in Sachen Antidiskriminierung beigetragen. 2001 war Dembowski dabei, als BAFF für „Tatort Stadion“ den Titel „Botschafter für Toleranz“ des Bündnisses für Demokratie und Toleranz erhielt. Die Wander-Ausstellung war auch Teil des Programmes von FARE, das 2002 den „Free your Mind“-Preis des Musik-TV-Senders MTV bekam. 2003 folgte der Jean-Kahn-Preis des European Monitoring Centers on Racism and Xenophobia (EUMC).

Weitere Ausstellungen

2003 kuratierte Dembowski in Basel die Kunst-Ausstellung „Kultort Stadion“ für Littmann Kulturprojekte mit. 2006 arbeitete Dembowski ebenso an der Ausstellung „Heimspiel. Standort – Sport – Spektakel“ in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (NBGK) in Berlin, ein kritischer Agitprop-Kommentar zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Im gleichen Jahr trug er Exponate zur Ausstellung „You'll never walk alone. Fußball und Fankultur“ die Thomas Edlinger im O.K. Zentrum für Gegenwartskunst in Linz zusammenstellte. Seit 2006 tourt die von Dembowski mit der Projektgruppe Flutlicht gestaltete Wander-Ausstellung „BallArbeit. Szenen aus Fußball und Migration“ durch Deutschland. Sie gewann 2006 die Herbert-Wehner -Medaille der Gewerkschaft ver.di.

Für Football Against Racism in Europe

Von 2000 bis 2007 half Dembowski hauptamtlich mit, FARE als anerkanntes Netzwerk – auch bei UEFA und FIFA – zu etablieren. 2001 sprach er beim FIFA-Kongress in Buenos Aires/Argentinien und half, die spätere FIFA-Agenda gegen Rassismus mit auf den Weg zu bringen. Im gleichen Jahr war er Projektleiter des deutschen Aktionsprogramms von FARE, als FARE den „UEFA Charity Cheque“ überreicht bekam. Bei FARE war er auch an der Entwicklung der ersten UEFA-Konferenzen „Unite Against Racism“ beim Londoner Chelsea FC 2003 und beim FC Barcelona 2006 beteiligt, mit denen die UEFA den Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und Homophobie langfristig auf ihre Agenda setzte. Auch am antidiskriminierenden FARE-Begleitprogramm zur Fußball-Europameisterschaft 2004 in Portugal sowie zur WM 2006 in Deutschland war er beteiligt.

Gremienarbeit und Lehraufträge

2007 saß er für die Projektgruppe Flutlicht und FARE in der DFB-Task-Force-AG gegen Diskriminierung, seit 2008 als Sozialwissenschaftler in der AG Fandialog des DFB und der DFL. Als berufenes Mitglied der Deutschen Akademie für Fußballkultur fungierte er 2007 in der Jury des Akademie-Preises „Lernanstoß“. Im gleichen Jahr wurde sein „Fußball vs. Countrymusik“ zum Fußballbuch des Jahres nominiert. Nach „Soziale Interventionen mit Fußballfans“ an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen 2006 in Berlin folgten 2010 Lehraufträge an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg, an der Georg-August-Universität Göttingen und wieder an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen in Berlin.

Veröffentlichungen und Lesereisen

Nicht nur seine antidiskriminierende Projektarbeit begleitet er stets mit Buchbeiträgen und Gastartikeln in Tageszeitungen und Fußball-Magazinen, auch zu Poststrukturalismus und linksalternativen Themen, zu Popkultur und Subversion arbeitet er und bringt sich vor Ort ein. Schon 1996 hatte er für George Taboris Stück „Mutters Courage“ am Theater Oberhausen hospitiert. Dembowski organisiert seit 2000 seine literarische Spoken Word-Performances und trat u.a. mit Wiglaf Droste, Fritz Tietz, Markus Flohr, Marvin Chlada, atomiclily und der österreichischen Künstlergruppe monochrom auf. Hinzu kommen seine unzähligen Vorträge, Workshops und Podiumsteilnahmen, in denen er über Diskriminierung, Nationalismen, Migration/Integration, Kommerzialisierung und Repression im Fußball europaweit auftritt. 2001 sprach er z.B. auch für FARE beim FIFA-Weltkongress in Buenos Aires/Argentinien, 2006 bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Sao Paulo/Brasilien und 2008 an der Universität Wien.

Von 2006 bis 2010 lebte und arbeitete er nicht nur in Berlin, sondern viel im südenglischen Brighton, im Dorf Corrie auf der schottischen Insel Arran und unterwegs. In diese Zeit fällt auch der Start seines Engagement für US-amerikanische „Do it yourself“-Szenen rund um Punk, Alternative Country, Riot-Folk und Folkpunk – besonders für das Label Plan-it-X seines Freundes Chris Clavin. 2008 tourte er im Vorprogramm und als Co-Sänger mit Kinderinstrumenten mit der US-amerikanischen Folkpunk-Band Ghost Mice durch England, Polen und Deutschland. 2009 folgte seine ausgedehnte „Cold-Water“-Lesereise mit der Punkband Imperial Can und dem „Up the Puppets-Theater“ in den USA. 2010 trat er beim Plan-it-X-Festival in Bloomington, Indiana auf. Dembowskis literarisches, satirisches Faction-Programm nennt er Riot-Lesung, eine Mischung aus Lesung, Gesang, Spielzeuggeräuschen und Manie.

Werke

Als Herausgeber
  • Das Foucaultsche Labyrinth. Eine Einführung. Alibri, Aschaffenburg 2002, ISBN 3-932710-32-0 (sowie Commercial Press: Peking 2005)
  • Tatort Stadion. Rassismus, Antisemitismus und Sexismus im Fußball. Papyrossa, Köln 2002, ISBN 3-89438-238-4.
  • Ballbesitz ist Diebstahl. Fans zwischen Kultur und Kommerz. Die Werkstatt, Göttingen 2003, ISBN 3-89533-430-8.
  • Der Ball ist bunt; Fußball, Migration und die Vielfalt der Identitäten in Deutschland. Brandes & Apsel, Frankfurt a. M. 2010, ISBN 978-3-86099-614-0.
Bücher
  • Ball & Birne. Zur Kritik der herrschenden Fußballkultur. zus. mit Dieter Bott, Marvin Chlada. VSA, Hamburg 1998.
  • Das zerbrochene Fenster. Hools und Nazi-Skins zwischen Gewalt, Repression, Konsumterror und Sozialfeuerwehr. zus. mit Andreas Buderus, Jürgen Scheidle. Pahl-Rugenstein Nachfolger, Bonn 2001, ISBN 3-89144-285-8.
  • Die neuen Heilgen, Band I und II. zus. mit Marvin Chlada. Alibri Aschaffenburg 2001, ISBN 3-932710-27-4 und ISBN 3-932710-35-5.
  • Im Revier der Zebras. Die Geschichte des MSV Duisburg. zus. mit Dirk Piesczek, Jörg Riederer. Die Werkstatt, Göttingen 2001, ISBN 3-89533-307-7.
  • Alles Pop? Kapitalismus und Subversion. zus. mit M. Chlada, Deniz Ünlü. Alibri, Aschaffenburg 2003, ISBN 3-932710-48-7.
  • Fußball vs. Countrymusik. Essays, Satiren und Antifolk.Papyrossa Köln 2007, ISBN 978-3-89438-369-5.
  • Der Ball ist bunt. Fußball, Migration und die Vielfalt der Identitäten in Deutschland. zus. mit M. Chlada, Deniz Ünlü. Brandes & Apsel, Frankfurt a. M. 2010, ISBN 978-3-86099-614-0.
Buchbeiträge
  • In: Marvin Chlada, Wolfgang Haible: Lara Croft, Ein Mythos wird dekonstruiert - "Pixelhaufen mit Titten. Die perfektionierte Zeitwäsche durch Lara Croft". Trikont Duisburg, Duisburg 2002, ISBN 3-87975-711-9.
  • Von Gorillas und Blockräumungen. Seit je her protestieren Fans. In: Bündnis Aktiver Fußallfans (Hrsg.): Die 100 „schönsten“ Schikanen gegen Fußballfans- Repression und Willkür rund ums Stadion. Trotzdem, Grafenau 2004, ISBN 3-931786-35-8.
  • Warum Country? Nachdenken über entschleunigende Landfluchten in der Großstadtwüste. In: Uwe Altrock, Simon Güntner u. a. (Hrsg.): Landliebe – Landleben. Ländlicher Raum im Spiegel von Sozialwissenschaften und Planungstheorie. Altrock, Berlin 2005, ISBN 3-937735-03-8.
  • Stichworte zu Fußball, Männlichkeit, deutschem Nationalismus und Herrschaft. zus. mit Dieter Bott. In: Georg Spitaler, Eva Kreisky (Hrsg.): Arena der Männlichkeit. Über das Verhältnis von Fußball und Geschlecht. Campus, Frankfurt a. M. 2006, ISBN 3-593-38021-8.
  • Rassismus: Brennglas Fußball. In: Wilhelm Heitmeyer (Hrsg.): Deutsche Zustände. Folge 5, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2007, ISBN 978-3-518-12484-0.
  • In: Michaela Glaser, Gabi Elverich (Hrsg.): Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus im Fußball. Erfahrungen und Perspektiven der Prävention. Deutsches Jugendinstitut, Halle 2008, ISBN 978-3-935701-24-2, (online)

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Fußball — Fußballszene Ein Fußball Fußball ist eine …   Deutsch Wikipedia

  • Buserant — Schwule Zweisamkeit Lesbische Romantik Homosexualität (bzw. Homophilie) ist eine sexuelle Orientierung, bei der Liebe, Romantik und …   Deutsch Wikipedia

  • Homoerotisch — Schwule Zweisamkeit Lesbische Romantik Homosexualität (bzw. Homophilie) ist eine sexuelle Orientierung, bei der Liebe, Romantik und …   Deutsch Wikipedia

  • Homosexuell — Schwule Zweisamkeit Lesbische Romantik Homosexualität (bzw. Homophilie) ist eine sexuelle Orientierung, bei der Liebe, Romantik und …   Deutsch Wikipedia

  • Homosexuelle — Schwule Zweisamkeit Lesbische Romantik Homosexualität (bzw. Homophilie) ist eine sexuelle Orientierung, bei der Liebe, Romantik und …   Deutsch Wikipedia

  • Homosexueller — Schwule Zweisamkeit Lesbische Romantik Homosexualität (bzw. Homophilie) ist eine sexuelle Orientierung, bei der Liebe, Romantik und …   Deutsch Wikipedia

  • Not-Homosexualität — Schwule Zweisamkeit Lesbische Romantik Homosexualität (bzw. Homophilie) ist eine sexuelle Orientierung, bei der Liebe, Romantik und …   Deutsch Wikipedia

  • Schwulenszene — Schwule Zweisamkeit Lesbische Romantik Homosexualität (bzw. Homophilie) ist eine sexuelle Orientierung, bei der Liebe, Romantik und …   Deutsch Wikipedia

  • Schwulenverfolgung — Schwule Zweisamkeit Lesbische Romantik Homosexualität (bzw. Homophilie) ist eine sexuelle Orientierung, bei der Liebe, Romantik und …   Deutsch Wikipedia

  • LesArt (Dortmund) — Das LesArt.Festival ist ein regionales Literaturfestival in Dortmund, das seit dem Jahre 2000 literarische Werke sowohl von bekannten Autorinnen und Autoren als auch des literarischen Nachwuchses vorstellt. Inhaltsverzeichnis 1 Durchführung 1.1… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”