Studentenkarzer (Göttingen)

Studentenkarzer (Göttingen)
Eine Zelle des Göttinger Karzers mit Karzermöbeln

Der Studentenkarzer in Göttingen diente früher als Gefängnis für Studenten der Georg-August-Universität. Er befindet sich heute in der Aula am Wilhelmsplatz.

Der Göttinger Karzer besteht aus acht Karzerzellen mit den dazugehörigen Fluren. Er ist farbenprächtig mit den naiven Malereien der einstig einsitzenden Studenten versehen. Auf jeder Ebene des sich über zwei Etagen ausdehnenden Gefängnisses befinden sich vier Karzerräume, die mit verschiedenen Karzermöbeln – Tisch, Stuhl, Bett, Ofen, Eimer-Toilette – ausgestattet sind.

Er wurde durch eine Spendenaktion der Universität Göttingen zu Beginn des 21. Jahrhunderts vollständig restauriert. Der obere Karzer kann als kleines Museum der Universitäts- und Studentengeschichte besichtigt werden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Kurze Geschichte des Göttinger Karzers

Die Aula der Universität Göttingen - um 1837

Der alte Göttinger Karzer wurde im 19. Jahrhundert wegen der Erweiterung der Universitätsbibliothek unter das Dach der Aula am Wilhelmsplatz verlegt, samt einer Zellentür des alten Karzers und dem darauf befindlichen Graffito Bismarcks, die sich inzwischen allerdings in Bismarcks letzter Göttinger Studentenwohnung, dem Bismarckhäuschen, befindet.

Die Ursprünge des Göttinger Karzers gehen zurück auf die Zeit, als die Universität noch eine eigene Rechtsprechung über Studenten hatte. Damals diente ein Karzer als Gefängnis für Studenten, die gegen die Regeln der Universität verstoßen hatten. Mit der Einrichtung eines Studentenkarzers wurden Haftstrafen üblich, die bis zu 14 Tagen Dauer betragen konnten. Strafbare Vergehen waren unter anderem Beleidigung, öffentliche Trunksucht, nächtliches Lärmen, Faulheit und zu schnelles Reiten in der Stadt.[1]

Typische Wandverzierungen: Wappen, Zirkel, Schattenriss und Karzersprüche

In Göttingen hielten sich diese Rechtsverhältnisse bis in die 1930er Jahre. Am Ende war das Absitzen der Zeit im Karzer ein Jux für Studenten, die stolz darauf waren, hier inhaftiert zu werden und sich mit Namen, Konterfei und den Zeichen ihrer jeweiligen Studentenverbindung an den Wänden verewigten.

Zu diesen späteren Karzer-Aufenthalten gehörte die obligatorische Karzerfahrt. So wurden die verurteilten Studenten teilweise in schwere Ketten gelegt und als Sträflinge verkleidet durch die Stadt geführt, gefolgt von einem mit schweren Pferden bespannten Brauereiwagen, auf dem sich ein großes Faß Bier und eine Bierorgel befanden. Vor der Aula wurden dann Reden gehalten und die Verurteilten feierlich in den Arrest geleitet.[2]

Der Göttinger Karzer wurde im Februar 1933 geschlossen.

Das Hotel de Brühbach

In den 1820er Jahren, als sich Heinrich Heine in Göttingen aufhielt, war ein Pedell namens Brühbach für den Betrieb des Karzers zuständig, der sich aber offensichtlich keines großes Respekts seitens der Studenten erfreute. So berichtet Heine in seiner Harzreise von folgender Begebenheit:

Nachdem ich meinen Magen etwas beschwichtigt hatte, bemerkte ich in derselben Wirtsstube einen Herrn mit zwei Damen, die im Begriff waren abzureisen. Dieser Herr war ganz grün gekleidet, trug sogar eine grüne Brille... Der Grüne wünschte, daß ich ihm ein Hotel in Göttingen empfehlen möchte, und ich riet ihm, dort von dem ersten besten Studenten das Hotel de Brühbach zu erfragen. ... Beide Damen fragten mich zu gleicher Zeit: ob im Hotel de Brühbach auch ordentliche Leute logierten. Ich bejahte es mit gutem Gewissen, und als das holde Kleeblatt abfuhr, grüßte ich nochmals zum Fenster hinaus. Der Sonnenwirt lächelte gar schlau und mochte wohl wissen, daß der Karzer von den Studenten in Göttingen Hotel de Brühbach genannt wird.
(Heinrich Heine, Reisebilder, Erster Teil:Die Harzreise, 1824)

Der Karzer im Ersten Weltkrieg

Im August 1914 wurde ein in Göttingen studierender Kanadier vom Ausbruch des Ersten Weltkrieges überrascht. Als nun feindlicher Ausländer sollte er in ein Internierungslager gebracht werden. Da nahm ihn der damalige Prorektor der Universität kurzerhand in Karzerhaft, und zwei Monate später durfte er schließlich nach Kanada ausreisen.[3]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Universität Göttingen:Karzer
  2. Hansheiner Schumacher (Hrsg.): Burschenschaft Holzminda Göttingen. Beiträge zu ihrer Geschichte 1860-1985. Göttingen 1985, S. 30.
  3. Stadt Göttingen (Hrsg.): Karzer der Georg-August-Universität Göttingen. Göttingen 1994, S. 6.

Literatur

  • Gesetze für die Studirenden auf der Georg Augusts Universität zu Göttingen. Hannover 1835.
  • W. Ebel: Der Karzer und die Strafbarkeit der Universität. In: Georgia Augusta. Heft 16, Göttingen 1971.
  • Gert Hahne: Der Karzer - Der Göttinger Universitätskarzer und seine Geschichte(n). Göttingen 2005.

Weblinks

 Commons: Karzer (Göttingen) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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