Kompostellhof

Kompostellhof
Der Kompostellhof auf dem Merianplan, 1628. Das Gebäude mit den Stufengiebel links neben dem Fronhofturm sowie das links parallel zu ihm verlaufende bilden den Innenhof des Kompostells. Am oberen Bildrand das Dominikanerkloster.

Der Kompostellhof (auch: das Kompostell) war eine große Hofanlage in der Altstadt von Frankfurt am Main. Der im 13. Jahrhundert entstandene Hof gehörte dem Frankfurter Deutschordenshaus und diente als Herberge für Jakobspilger auf ihrer Reise zum Grab des Apostels Jakob in Santiago de Compostela. Im frühen 19. Jahrhundert wurde der Hof durch die Jüdische Gemeinde genutzt, sowohl das Philanthropin als auch das Chemieunternehmen Cassella haben hier ihre Wurzeln. Etwa 80 Jahre lang befand sich hier außerdem eine Synagoge. Das Gebäudeensemble wurde bei Luftangriffen 1944 schwer beschädigt und anschließend abgerissen.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Der Kompostellhof lag im äußersten Osten der Stadterweiterung des 12. Jahrhunderts, direkt an der Stadtmauer. Die burgartig umschlossene Anlage zog sich von der (im 19. Jahrhundert angelegten und bis heute bestehenden) Dominikanergasse nach Süden bis zur Predigergasse (auch Nach dem Fronhof), einer heute nicht mehr bestehenden Straße, an der sich ursprünglich der Hauptzugang befand.

In unmittelbarer Nachbarschaft lagen weitere größere Hofanlagen in kirchlichem Besitz. Der bedeutendste Nachbar lag nördlich, auf der anderen Seite der Dominikanergasse, nämlich das Dominikanerkloster. Der direkte Nachbar im Südosten war der Fronhof des Bartholomäusstifts, dessen Zugang am Ende der Predigergasse direkt neben dem des Kompostells lag. Auf der gegenüberliegenden, also südlichen, Seite dieser Gasse lag der Arnsburger Hof, der Wirtschaftshof des Kloster Arnsburg.

Dominikanerkloster, Kompostellhof und Fronhof grenzten im Osten an die Stadtmauer, die hier zwei mächtige Wachtürme besaß, den nach den Dominikanern benannten Mönchsturm und den Fronhofturm. Jenseits der Mauer lag das südliche Ende der Judengasse und vor deren Südtor der Judenmarkt. Das südlich angrenzende Innere Fischerfeld wurde erst im 17. Jahrhundert in den Befestigungsring einbezogen und blieb bis zur Anlage des Fischerfeldviertels (ab 1793) unbebaut.

Nutzungsgeschichte

Ravensteinplan, 1862: Das Compostell ist im Plan zwischen der (Domi)nicaner Gs. und der Prediger Strasse verzeichnet, die Isr. Andacht-S. ist die damalige Synagoge.
Peter Becker: Blick auf das Dominikanerkloster, 1872. Links neben dem Chor der Klosterkirche ist die Synagoge im Kompostellhof zu sehen, die übrigen Hofgebäude liegen weiter links von ihr.

Das Kompostell war eine Station auf dem Jakobsweg, der wichtigsten Pilgerstrecke des europäischen Mittelalters. Der benachbarte Arnsburger Hof besaß eine Kapelle, in der die im Kompostell wohnenden Jakobspilger die Messe hören konnten.

Der Deutsche Orden verkaufte den Hof 1570 an das Erzbistum Mainz. Dieses verlor es 1803 durch die Säkularisation an die Stadt.

Johann Wolfgang Goethe beschreibt in seiner Autobiographie Dichtung und Wahrheit (1,1), wie er als Kind das Frankfurt der 1750er Jahre entdeckte und nennt dabei namentlich auch den Kompostellhof:

„Was aber die Aufmerksamkeit des Kindes am meisten an sich zog, waren die vielen kleinen Städte in der Stadt, die Festungen in der Festung, die ummauerten Klosterbezirke nämlich, und die aus frühern Jahrhunderten noch übrigen mehr oder minder burgartigen Räume: so der Nürnberger Hof, das Kompostell, das Braunfels, das Stammhaus derer von Stallburg, und mehrere in den spätern Zeiten zu Wohnungen und Gewerbsbenutzungen eingerichtete Festen.“

Um 1800 veränderte sich die bauliche Umgebung durch die Aufgabe der Stadtmauern erheblich. Der Fronhofturm wurde 1793 abgerissen, der Mönchsturm stürzte 1795 ein, der Stadtgraben wurde zugeschüttet. Auf dem bislang unbebauten Fischerfeld wurde die erste Stadterweiterung seit über 400 Jahren vorbereitet, die östliche Altstadt nach Osten hin geöffnet.

Im Zuge des Wiederaufbaus des 1796 durch ein französisches Bombardement zerstörten jüdischen Ghettos und angesichts dessen unmenschlicher Überbelegung gab es etwa 1806-08 konkrete Pläne, das Ghetto um die nun leerstehenden Areale des Dominikanerklosters und des Kompostellhofs zu erweitern. Der damalige Landesherr Karl Theodor von Dalberg bestätigte in der Judenstättigkeit von 1808 das Prinzip Ghetto. Es herrschte jedoch Einigkeit darüber, dass die dortigen Lebensverhältnisse verbessert werden und das jüdische Viertel räumlich erweitert werden musste.

In der Folge erwarb die jüdische Gemeinde Teile des Kompostellhofs. 1813 entstanden Schulräume und Lehrerwohnungen für eine Volksschule sowie die 1804 in der Judengasse gegründete bedeutende jüdische Lehranstalt Philanthropin. Am nördlichen Zugang an der inzwischen bis zum Judenmarkt durchgebrochenen Dominikanergasse wurde eine Synagoge eingerichtet.

Andere Gebäude des Hofs erwarb David Löb Cassel, der seit 1798 mit seinem Schwager Isaac Reiss in der Judengasse eine Gewürzhandlung betrieb, die nun im Kompostell erheblich größere Betriebsflächen erhielt. Cassel nahm später den Namen Leopold Cassella an, sein Unternehmen zog später nach Fechenheim und entwickelte sich unter dem Namen Cassella Farbwerke Mainkur zum Weltkonzern der chemischen und Farbenindustrie.

Die Frage der Ghetto-Erweiterung erübrigte sich bereits im Jahr 1811, als der nunmehrige Großherzog Dalberg den Juden die vollständige bürgerlicher Gleichstellung gewährte und das Ghetto aufhob. Das damals in reger Bautätigkeit befindliche Fischerfeldviertel auf der anderen Seite des Judenmarkts wurde nun, allerdings auf freiwilliger Basis, zum zweiten Judenviertel der Stadt, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dann das Ostend zum dritten.

Die im Kompostell begründeten jüdischen Einrichtungen zogen im Laufe des 19. Jahrhunderts in repräsentativere Neubauten im Fischerfeldviertel. Philanthropin und Volksschule erhielten 1845 ein neues Schulhaus in der Rechneigrabenstraße, das seinerzeit als das schönste der Stadt galt. Nach der Spaltung der jüdischen Gemeinde 1851, durch die die Hauptsynagoge in der Judengasse in die Hoheit der stark vom Philanthropin beeinflussten liberalen Gemeinde kam, errichtete der Minderheitsflügel der orthodoxen Israelitischen Religionsgemeinschaft an der Ecke Schützenstraße und Rechneigrabenstraße eine eigene Synagoge und eine Volksschule, die bis zur Eröffnung der Synagoge Friedberger Anlage 1907 das Zentrum des orthodoxen Judentums in Frankfurt blieb. Die sich als Mittelweg zwischen beiden Flügeln etablierende konservative Gemeinde hielt ihre Gottesdienste weiterhin in der Synagoge im Kompostellhof, bis sie 1882 am Judenmarkt eine neu errichtete, repräsentative Synagoge einweihen konnte, die Horovitz-Synagoge, nach der Umbenennung des Judenmarkts besser bekannt als Börneplatzsynagoge.

Die Gebäude des Kompostells wurden bei den Luftangriffen vom 22.-24. März 1944 schwer beschädigt und brannten aus. Außenmauern blieben jedoch zum großen Teil erhalten.

Der Standort des Kompostellhofs heute

Von allen christlichen Hofanlagen der östlichen Altstadt wurde nur das Dominikanerkloster teilweise wiederaufgebaut. Von den übrigen Anlagen sind im heutigen Stadtbild keine Spuren mehr sichtbar. Die Ruinen des Kompostells wurden im Zuge des modernen Wiederaufbaus niedergerissen. Dies geschah vor allem im Zusammenhang mit dem Bau der Kurt-Schumacher-Straße, einer neu durch die zerstörte Altstadt trassierten Nord-Süd-Hauptverkehrsstraße.

Das ehemalige Gelände des Kompostells, vor allem der sich über die gesamte Nord-Süd-Ausdehnung erstreckende Bauteil am Ostrand der Anlage, liegt heute unter der westlichen (zum Main hin führenden) Fahrbahn der Kurt-Schumacher-Straße. Die eigentliche Hoffläche ist heute dagegen überbaut, ungefähr mit den Hausnummern Kurt-Schumacher Straße 9-21, gegenüber der Einmündung der Rechneigrabenstraße. Die ehemalige Synagoge lag an der Predigergasse, genau gegenüber dem Chor der Dominikanerkirche, auf dem Grundstück des heutigen Kopfbaus der Häuserzeile Kurt-Schumacher-Straße 21.

Literatur

  • Hans-Otto Schembs; Magistrat der Stadt Frankfurt am Main (Hrsg.): Der Börneplatz in Frankfurt am Main. Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt 1987, ISBN 3-7829-0344-7.

Weblinks

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