Mord (Deutschland)

Mord (Deutschland)

Mord bezeichnet in Deutschland eine spezielles Tötungsdelikt. Es handelt sich dabei nach ganz herrschender Lehre um eine Strafverschärfung in Form einer Qualifikation des Totschlages.

Inhaltsverzeichnis

Rechtslage

In Deutschland liegt die rechtliche Grundlage für den Mordbegriff im Strafgesetzbuch.

Wortlaut im Gesetz

Die Regelung nach § 211 des Strafgesetzbuches (StGB) lautet:

§ 211 Mord
(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

Verhältnis zu anderen Tötungsdelikten

Im deutschen Recht unterscheidet sich Mord vom Totschlag (§ 212 StGB) dadurch, dass Beweggrund, Begehungsweise und/oder Tatzweck besonders verwerflich sind.

Strittig ist, wie Mord und Totschlag rechtsdogmatisch zueinander stehen. Die Rechtsprechung sieht den Mord als delictum sui generis an; Mord und Totschlag sind zwei selbständige Tatbestände mit arteigenen Unrechtsgehalten (Sonderdeliktslehre).[1] Nach ganz herrschender Lehre hingegen stellt § 211 StGB eine Qualifikation und die Tötung auf Verlangen nach § 216 StGB eine Privilegierung zu § 212 StGB dar.[2] Relevanz hat der Streit für die Strafbarkeit von Teilnehmern (Anstifter bzw. Gehilfe).

Zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen BGH und herrschende Lehre ebenfalls bei der Konkurrenz von Qualifikation und Privilegierung, etwa bei § 211 StGB (Mord) und § 216 StGB (Tötung auf Verlangen). Tritt hier nach der herrschenden Lehre im Rahmen der Gesetzeskonkurrenz § 211 StGB hinter § 216 StGB zurück, was zu einer Bestrafung wegen Tötung auf Verlangen führte, ließe sich nach der vom BGH vertretenen Ansicht wegen Mordes bestrafen. Indes hat der 5. Strafsenat des BGH in einem Beschluss vom 10. Januar 2006 (Az.: 5 StR 341/05) angedeutet, seine Rechtsprechung unter Beachtung der herrschenden Lehre zu überdenken.[3]

Mordmerkmale

Die Mordmerkmale müssen auf Grund der absoluten Strafandrohung aus Absatz 1 sehr restriktiv ausgelegt werden. Dies ist schon verfassungsrechtlich geboten und wird aus dem in Art. 20 Grundgesetz angesprochenen Rechtsstaatsprinzip und dem ihm immanenten Übermaßverbot abgeleitet (Grundsatz des schuldangemessenen Strafens).[4] Die Literatur und die Rechtsprechung haben verschiedene Rechtsfiguren geschaffen, um dieser restriktiven Auslegung gerecht zu werden: Die ältere Literatur schlägt dazu die positive oder die negative Typenkorrektur vor. Heute wird nur noch die negative Typenkorrektur vertreten (Eser in Schönke/Schröder). Daneben - oder zusätzlich - wird eine restriktive Auslegung vertreten. Beim Merkmal der Heimtücke wird etwa ein besonders verwerflicher Vertrauensbruch gefordert. Dies wird auch als Tatbestandslösung bezeichnet. Die Rechtsprechung lehnt die negative Typenkorrektur ab, da sie nicht mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar ist. Den Vorschlag beim Heimtückemerkmal einen besonders verwerflichen Vertrauensbruch zu fordern (Tatbestandslösung) lehnt sie ab, da der Begriff des Vertrauens selbst zu vage ist. Liegen außergewöhnliche, schuldmildernde Umstände vor, so gewährt sie unter Berufung auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz schuldangemessenen Strafens eine Strafmilderung gemäß § 49 Abs. 1 StGB, obgleich das Gesetz diese nur für benannte Milderungsgründe zulässt (sog. Rechtsfolgenlösung). Beide Lösungsvorschläge können jedoch nicht in jeder Hinsicht überzeugen. Die Tatbestandslösung schlägt keine plausiblen Abgrenzungskriterien vor, so dass sie letztlich doch auf eine negative Typenkorrektur hinausläuft. Diese widerspricht dem Gesetzeswortlaut. Die Rechtsfolgenlösung wahrt hingegen eine strikte Tatbestandsbindung, weicht aber auf der Rechtsfolgenseite von der gesetzlichen Regelung ab, um das verfassungsrechtliche Gebot schuldangemessen Strafens nicht zu verletzten. Beiden Ansichten lässt sich daher den Vorwurf machen, dass sie mit dem geltenden Recht nicht vereinbar sind. Diesen Zustand zu beseitigen ist der Gesetzgeber gefordert. Unterschieden werden drei Merkmalsgruppen (zwei täterbezogene (1+3 Gruppe) und eine tatbezogene (2. Gruppe); Die tatbezogenen Mordmerkmale werden im objektiven Tatbestand geprüft, die täterbezogenen im subjektiven Tatbestand (str., z.T. werden die täterbezogenen Merkmale auch als besondere Schuldmerkmale angesehen):

1. Gruppe: Niedrige Beweggründe (täterbezogen)

Der Täter handelt aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder aus einem anderen niedrigen Beweggrund heraus.

  • Mordlust
    Allein die Tötung eines Menschen an sich ist Zweck der Tathandlung. Die Freude an der Vernichtung eines Menschenlebens bzw. der Wunsch, jemanden sterben zu sehen, treibt den Täter zur Tat. Mögliche Ursachen sind beispielsweise Langeweile, Neugier oder Angeberei. Mordlust kann einer natürlichen Neigung entspringen oder gezielt trainiert werden. Kennzeichen der Mordlust ist, dass das Opfer vollkommen austauschbar ist. Es geht also um das Töten an sich, nicht darum, einen bestimmten Menschen zu töten. Ein Mord aus Mordlust ist oftmals mit sadistischen Handlungen verbunden. Der Täter muss mit direktem Vorsatz handeln, dolus eventualis reicht nicht aus (Der Tod des Opfers muss das direkte Ziel der Tat sein, es reicht nicht aus, wenn der Tod aus Sicht des Täters eine mögliche Folge ist).[5]
  • Befriedigung des Geschlechtstriebes
    Hier will sich der Täter durch die Ermordung eines Menschen sexuell befriedigen („Lustmord“). Die Befriedigung erfolgt entweder direkt durch den Akt der Tötung oder im Nachhinein an der Leiche. Ebenfalls erfüllt ist das Merkmal, wenn der Täter den Tod seines Opfers bei einer Vergewaltigung billigend in Kauf nimmt, das heißt Gewalt anwendet und sich darüber im Klaren ist, dass sein Opfer dadurch möglicherweise stirbt. Auch ist das Mordmerkmal – in von der Lehre teilweise als zu ausufernd kritisierten Weise – vom BGH dann als gegeben angesehen worden, wenn der Täter Videos, Fotos oder Tonaufnahmen von der Tötung herstellt, um sich im Nachhinein sexuell zu erregen. Dies hat der BGH im Fall Armin Meiwes (sog. „Kannibale von Rotenburg“) so festgestellt – und damit Widerspruch in der Lehre hervorgerufen.[6] Eine hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde Meiwes' wurde vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 7. Oktober 2008 nicht zur Entscheidung angenommen.[7]
  • Habgier
    Darunter verstehen Rechtsprechung und Lehre das rücksichtslose Streben nach Vermögensmehrung oder Besitzerhaltung um jeden Preis. Der Täter handelt mit dem Ziel, sein Vermögen durch die Tötung seines Opfers zu vermehren (z. B. eine Erbschaft oder Lebensversicherung zu kassieren, Raubmord, Auftragsmord) oder zu behalten (z. B. einen bestimmten Betrag – Unterhalt, Schadenersatz – nicht zahlen zu müssen). Ob das angestrebte Ziel auch erreicht wird, ist unerheblich. Es kommt lediglich darauf an, ob das Gewinnstreben des Täters die Tat beherrscht. Dabei spielt die Höhe der angestrebten Bereicherung keine Rolle. In der Literatur wird die Definition der Habgier als zu unbestimmt kritisiert. Es ließen sich nämlich keine Beispiele für eine Tötung aus „normalem Gewinnstreben“ finden, wie dies die Definition nahelege. Vielmehr werde eine Tötung aufgrund Gewinnstrebens regelmäßig als Mord angesehen.[8]
  • Sonstige niedrige Beweggründe
    Die herrschende Meinung versteht unter diesem Begriff solche Motive, die nach allgemeiner sittlicher Anschauung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verwerflich, ja verachtenswert sind. Dies ist anhand der Wertmaßstäbe der deutschen Rechtsgemeinschaft zu bestimmen. Dabei wird oft auf ein krasses Missverhältnis zwischen dem Anlass der Tat und der Tat selbst Bezug genommen (besonders verwerfliche Zweck-Mittel-Relation).
    • Als niedrige Beweggründe gelten insbesondere solche, die nach ihrer Art den in § 211 Abs. 2 aufgeführten speziellen Merkmalen nahestehen und deshalb eine Gleichstellung mit diesen rechtfertigen (vgl. dazu BGHSt. 41 358, 362 [BGH 23. November 1995 - 1 StR 475/95]). Die mutwillige Tötung ohne Anlass entspricht der Mordlust, diejenige aus wirtschaftlicher Missgunst oder Geiz, zum Zwecke der Suchtbefriedigung (Paeffgen GA 1982 255, 270), wegen ausgebliebener Geldzahlungen (vgl. BGH NStZ 1993 385 [BGH 18. Februar 1993 - 1 StR 49/93]) oder zwecks Heirat einer wohlhabenden Frau (BGH StV 2000 21 [BGH 9. März 1999 - 1 StR 50/99]) entspricht der Habgier; die Tötung zur Erregung des Geschlechtstriebs steht auf der selben Stufe wie die Tötung zu seiner Befriedigung. Die Tötung zur Verdeckung einer Ordnungswidrigkeit oder einer peinlichen Situation entspricht der Absicht, eine andere Straftat zu verdecken (§ 211 II 3 Gruppe) und wird daher als sonstiger niedriger Beweggrund eingestuft (§ 211 II 1 Gruppe). Weitere niedrige Beweggründe sind Rassenhass und Ausländerfeindlichkeit.[9]
    • So genannte normal-psychologische Verhaltensweisen wie zum Beispiel Wut und Eifersucht sind dann niedrige Beweggründe, wenn die Motive, auf die sie sich gründen, als niedrige Beweggründe einzustufen sind, also wenn zum Beispiel Grund der Eifersucht eine erhebliche Eigensucht oder übersteigertes Ehrgefühl ist. Auch ein sogenannter „Ehrenmord“ kann unter „sonstige niedrige Beweggründe“ subsumiert werden, da zur Bestimmung dieses Mordmerkmals (nach anfänglich anderer Wertung) nun nicht mehr der ausländische, sondern der inländische Kulturkreis entscheidend ist.
    • In jedem Fall erfordert die Annahme dieses Mordmerkmals eine Gesamtwürdigung der Motive, Tatumstände, Lebensverhältnisse und der Persönlichkeit des Täters.[10]

2. Gruppe: Besonders verwerfliche Begehungsweise (tatbezogen)

Die Tat selbst muss dieses Merkmal erfüllen, und zwar indem sie entweder heimtückisch oder grausam war oder mit gemeingefährlichen Mitteln durchgeführt wurde.

  • Heimtücke
    Der Heimtückebegriff ist umstritten. Nach der Rechtsprechung handelt heimtückisch, wer die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt und in feindlicher Willensrichtung gegen das Opfer handelt.[11] Arglos ist derjenige, der sich im Moment der Tat keines Angriffs bewusst ist. Die Wehrlosigkeit ist Folge der Arglosigkeit, da die Verteidigungsbereitschaft und -möglichkeit eines arglosen Opfers eingeschränkt ist. Schwierig ist die Abgrenzung bei Kleinstkindern, welche keinen Argwohn entwickeln können. Hier wird i. d. R. auf die Arglosigkeit schutzbereiter Dritter abgestellt, die der Täter ausgenutzt haben muss. In einem Fall nahm der BGH an, dass ein Täter heimtückisch handelt, wenn er den natürlichen Schutz- und Abwehrinstinkt beim Kind überwindet, indem er bitteres Gift in süßen Brei rührt, damit das Kind ihn isst und nicht wieder ausspuckt (sehr streitig). In dem Fall wurde die Tat durch die eigene Mutter begangen. Hätte sie hingegen das Kind erwürgt, so hätte auch der BGH lediglich einen Totschlag angenommen (kritisch auch das BVerfG in seiner Grundsatzentscheidung zur lebenslangen Freiheitsstrafe, das diese Auslegung ausdrücklich rügt). Bei Schlafenden wird angenommen, dass diese ihre Arglosigkeit „mit in den Schlaf nehmen“. Ein Bewusstloser kann hingegen nicht arglos sein. Aufgrund der vom Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die lebenslange Freiheitsstrafe vorgesehene, restriktive Auslegung dieses Mordmerkmals werden in der Literatur und Rechtsprechung umstrittene Einschränkungsversuche gemacht. Einerseits wird auf Tatbestandsseite zusätzlich ein „besonderer Vertrauensbruch“, eine „besondere Verwerflichkeit“ oder ein „tückisch verschlagenes Vorgehen“ gefordert. Die Rechtsprechung versucht, die Rechtsfolge durch Strafmilderung abzufedern.
  • Grausamkeit
    Das Opfer ist körperlichen oder seelischen Qualen ausgesetzt, die nach Intensität und Dauer über das „normale Maß“ einer Tötung hinausgehen, wobei der Täter aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung heraus zusätzlich die Todesqualen erhöhend handelt. Dies trifft beispielsweise zu, wenn der Sterbeakt des Opfers vom Täter verlängert oder anderweitig intensiviert wird (z. B. Tötung durch dauerhaften Nahrungs- bzw. Flüssigkeitsentzug oder Folter, das Verhungernlassen eines Kleinkindes).
  • Gemeingefährliche Mittel
    Mittel sind dann gemeingefährlich, wenn der Täter sie im Einzelfall nicht sicher zu beherrschen vermag und sie geeignet sind, Leib und Leben mehrerer Menschen zu gefährden. Die Gefahr beschränkt sich also nicht nur auf eine Einzelperson, sondern wird auf eine eingegrenzte Allgemeinheit ausgeweitet. Beispiele sind u. a. der Einsatz von Sprengstoff, mehrere, unkontrollierte Schüsse aus einer Waffe oder Feuer in der Nähe einer Menschenmenge. Das Vorliegen dieses Mordmerkmales bedarf der Begründung, wenn der Täter mit dem Mittel nur auf das eine Opfer zielte, durch das Täterhandeln die mit dem Mittel verbundene Gefahr aber auf eine unbestimmte Vielzahl von Personen ausgeweitet wurde: Eine Frau, welche eine Affäre hatte, schickte ihrem bei der Bundeswehr dienenden Mann einen vergifteten Geburtstagskuchen, den der an seine Stubenkameraden verteilte.

Verwerflichkeit der deliktischen Zielsetzung (täterbezogen)

  • Ermöglichung oder Verdeckung einer anderen Straftat
    Wenn diese Mordmerkmale der dritten Gruppe erfüllt sein sollen, so muss es das maßgebliche Ziel des Täters gewesen sein, entweder eine andere Straftat zu ermöglichen oder eine solche zu verdecken. Darunter fällt nicht nur eine eigene, sondern auch die Tat eines Dritten. Sie muss allerdings nicht strafbar und auch nicht tatsächlich begangen worden sein; es reicht, wenn der Täter dies irrigerweise annimmt. Beispiele hierfür sind das Töten eines Zeugen oder Ermittlers, wobei entscheidend ist, dass die Straftat aus der Sicht des Täters noch verheimlicht werden kann. Der Täter muss auch nicht aus Furcht vor strafrechtlichen Konsequenzen heraus handeln. Auch wenn der Täter lediglich außerstrafrechtliche Konsequenzen vermeiden will, liegt Verdeckungsabsicht vor (BGH). Fürchtet etwa ein Täter im kriminellen Milieu, dass ein Mitwisser einer Straftat, die der Täter begangen hat, weitererzählt, was ihm z. B. Schläge oder gar Schlimmeres von einem Bandenchef einbringen könnte – sicher aber keine Anzeige bei der Polizei –, so ist gleichwohl das Merkmal der Verdeckungsabsicht erfüllt. Wenn der Täter zur Verdeckung einer Ordnungswidrigkeit handelt, ist aber das Merkmal nicht erfüllt; allerdings liegt dann ein sonstiger „niedriger Beweggrund“ vor.

Abgrenzung zu verwandten Rechtsbegriffen

Schwangerschaftsabbruch wird von manchen als Mord empfunden und bezeichnet. Dabei ist allerdings zu beachten, dass diese Bezeichnung in der Regel nicht juristisch, sondern ethisch gemeint ist, da Ungeborene (Embryonen/Föten) nach diesem Verständnis als Menschen gesehen werden, die aufgrund nach dieser Ansicht aus niederen Beweggründen ihres Lebens beraubt werden. Juristisch gesehen fällt der Schwangerschaftsabbruch vor allem durch die Formulierung des § 218 StGB nicht unter die Definition des Mordes, sondern bildet nach § 218 StGB einen eigenständigen Straftatbestand. Ungeborenes menschliches Leben wird juristisch ab Nidation als ideeller Wert der Sozialordnung und Vorstufe der menschlichen Persönlichkeit geschützt (BVerfGE 39,1 (133), BVerfGE 88,203). Daraus lässt sich der Rückschluss ziehen, dass nach geltendem deutschen Recht Ungeborene keine tauglichen Tatobjekte eines Mordes (oder eines Totschlags sowie darüber hinaus einer fahrlässigen Tötung und von Körperverletzungsdelikten) sein können. Die Existenz eines „Menschen“ als taugliches Tatobjekt im Sinne der o. g. Vorschriften beginnt – anders als im BGB, das für die Rechtsfähigkeit auf die Vollendung der Geburt abstellt (§ 1 BGB) – mit dem Beginn des Geburtsvorgangs (BGHSt 32,194). Maßgeblich ist der Eintritt der Eröffnungswehen; bei einer Geburt durch operative Methoden (Schnittentbindung) ist der relevante Zeitpunkt die Öffnung der Gebärmutter.

Eine Tötung auf Verlangen in der Form einer „Mitleidstötung“ ist gem. § 216 StGB nur als privilegierter Fall des Totschlags zu bestrafen.

Sterbehilfe findet als „Hilfe“ von der Idee her ohne Verwirklichung eines Mordmerkmals statt.

Anders sieht es beim Begriff Patiententötung aus. Hierbei wird auf den institutionellen Rahmen abgehoben; es handelt sich um eine Tat im Rahmen einer professionellen Beziehung des Opfers zu Medizinern oder Pflegekräften. Es ist dabei nicht nur der Unterschied zwischen Mord und Totschlag wichtig, sondern diese Taten bedeuten regelmäßig einen Vertrauensbruch zwischen gepflegter Person und der Institution, in der die Täter aktiv wurden (Arztpraxis, Krankenhaus, Pflegeheim). Auch die Öffentlichkeit, die davon erfährt, wird wissen wollen, welche Schutzvorkehrungen gegen solche vereinzelten Fehlhandlungen existieren. In wenigen Extremfällen handelte es sich um Serienmorde (vgl. die Aufzählung bei Pflegeskandal und Dr. Shipman).

Die von Soldaten vorgenommenen Tötungen gegnerischer Soldaten werden vom Kriegsvölkerrecht nicht als Mord angesehen. Es gibt jedoch Aussagen aus pazifistischen Kreisen, die Soldaten als Mörder bezeichnen (→ Soldaten sind Mörder).

Genauso wird von einzelnen Kirchen und Menschenrechtsgruppen der Vollzug der Todesstrafe als Mord angesehen, auch wenn dieser nicht unter die jeweilige staatliche Definition von Mord fällt.

Schließlich ist auch die Bezeichnung „Selbstmord“ in den meisten Ländern juristisch unzutreffend, da Selbsttötung nicht die Kriterien der Definition von Mord erfüllt.

Im deutschen Recht sind die Selbsttötung und ihr Versuch nicht strafbar.

Rechtsfolgen

Auf Mord steht in Deutschland zwingend lebenslange Freiheitsstrafe (sofern nicht das Jugendstrafrecht eingreift oder der Täter nicht voll schuldfähig war).

Diese absolute Strafandrohung ist mit dem Rechtsstaatsprinzip nur vereinbar, wenn der Richter in Härtefällen auf eine zeitlich begrenzte Freiheitsstrafe ausweichen kann. Die mithin gebotene Korrektur wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich vorgenommen. Teilweise wird vertreten, die einzelnen Mordmerkmale müssten restriktiv ausgelegt werden, teilweise wird – beispielsweise bei der Heimtücke – noch ein zusätzliches Moment der Tücke oder ein Vertrauensbruch gefordert. Nach der Rechtsprechung (sogenannte Rechtsfolgenlösung) soll in Ausnahmefällen, insbesondere bei den sog. „Haustyrannenmorden“, in denen eine Frau sich nicht mehr anders zu helfen weiß, als ihren gewalttätigen und gewaltgeübten cholerischen (Ehe-)Mann in einer fast schon notstandsähnlichen Situation mit wenigstens verbliebenen Rechtfertigungsfragmenten, die das Unrecht einer vorsätzlichen Tötung zwar nicht vollständig ausschließen, aber es so erheblich mindern, zu töten, eine im Gesetz eigentlich nicht vorgesehene Strafmilderung nach § 49 StGB stattfinden; damit droht einer solchen Täterin nur noch eine Freiheitsstrafe zwischen 3 und 15 Jahren. Im Einzelfall, wie dem Mord an DDR-Grenzsoldaten, ist auch die Verurteilung zu einem Jahr Freiheitsentzug, bei Strafaussetzung zu zwei Jahren Bewährung von der Rechtsprechung als möglich angesehen worden.[12]

Wer von einem geplanten Mord zu einer Zeit, zu der die Ausführung oder der Erfolg noch abgewendet werden kann, glaubhaft erfährt, ist in Deutschland verpflichtet, der Behörde oder dem Bedrohten rechtzeitig Anzeige zu machen, und wird widrigenfalls wegen eines von ihm begangenen Wortlaut-Unterlassungsdeliktes mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft (§ 139, § 138 StGB).

Verjährung

Mord verjährt nicht, Totschlag verjährt nach 20 Jahren (§ 78 StGB).

Geschichte der Verjährung

Von 1871 bis 1969 war im Strafgesetzbuch eine Verfolgungsverjährung von zwanzig Jahren für Mord vorgesehen. Um zu verhindern, dass von den Nationalsozialisten begangene Verbrechen verjährten, wurde 1965 in der Bundesrepublik zunächst der Zeitraum von Kriegsende bis 1949 bei der Berechnung der Verjährung ausgenommen.[13] 1969 beschloss die Große Koalition im Bundestag nach breiter öffentlicher Diskussion[14], dass Völkermord gar nicht und Mord erst nach 30 Jahren verjährt. 1979 wurde die Verjährung für Mord von der sozialliberalen Bundesregierung unter Helmut Schmidt schließlich ganz abgeschafft. Die Verjährung von Totschlag wurde jedoch nicht verändert.

Mord und Völkermord sowie (völkerrechtlich relevante) Verbrechen gegen die Menschlichkeit unterliegen folglich weder der Verfolgungs- noch der Vollstreckungsverjährung („Mord verjährt nie“). Laufende Verfahren werden bei Tod des Täters lediglich strafrechtlich dauerhaft gehemmt (umgangssprachlich: vorläufig eingestellt), damit jederzeit wegen einer eventuellen Mittäterschaft Dritter weiterermittelt werden kann.

In der Deutschen Demokratischen Republik wurde mit Inkrafttreten des StGB-DDR im Jahr 1968 die Verjährung für Mord auf 25 Jahre angehoben. Verbrechen gegen den Frieden, die Menschlichkeit und die Menschenrechte und Kriegsverbrechen verjährten nicht (§ 84 StGB-DDR).

Versuchter Mord

Ein Versuch des Mordes kann in zwei Varianten vorliegen:[15] Zum einen, wenn ein Täter mindestens dazu ansetzt, einen Menschen in der Form des Mordes zu töten und das Opfer jedoch überlebt (oder aus einem anderen Grunde die Vollendung unterbleibt, z. B. das Opfer aus einem völlig unabhängigen Grunde stirbt). Zum anderen wenn (gemessen an der irrigen Vorstellung des Täters von der Wirklichkeit bei der vollendeten oder versuchten Tötung) nach dem Gesetz Mordmerkmale vorliegen würden (Unterfall des sogenannten umgekehrten Tatbestandsirrtums).

Da der Mord nach seiner Strafandrohung ein Verbrechen ist, ist der versuchte Mord strafbar. Nach der allgemeinen Regel des § 23 Abs. 2 StGB kann die Strafe für den versuchten Mord gemildert werden. Bei Anwendung dieser Milderung wird ein versuchter Mord mit einer Freiheitsstrafe von 3 bis zu 15 Jahren bestraft (§ 49 Abs. 1 Nummer 1 StGB). Ansonsten wird versuchter Mord mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe bestraft.

Der Versuch des Mordes verjährt ebenso wenig wie der vollendete Mord (vgl. § 78 Abs. 2 StGB).[16]

Prozessuales

Zuständiges Gericht erster Instanz ist die Große Strafkammer des Landgerichts als „Schwurgericht“, besetzt mit drei Richtern und zwei Schöffen. In Jugendstrafverfahren ist erstinstanzlich die Große Jugendkammer des Landgerichts zuständig. Rechtsmittel gegen das Urteil ist die Revision zum Bundesgerichtshof.

Reformbedarf

Wegen der starren Kasuistik im Bereich der Tötungsdelikte wird allgemein kritisiert, dass die Regelung der Tötungsdelikte im Strafgesetzbuch den Anforderungen an Einzelfallgerechtigkeit und Rechtssicherheit nicht mehr genügt. Mit dem 6. Strafrechtsänderungsgesetz wurden 1998 einzelne Tötungsdelikte neu gefasst. Eine grundlegende Reform, die zunächst von der Bundesregierung geplant war, wurde jedoch nicht verwirklicht.[17]

Statistik

In der Kriminalstatistik werden zurzeit immer weniger vorsätzlich vollendete Tötungsdelikte registriert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es ein Dunkelfeld für Mord und Totschlag gibt. Die Statistik bezieht sich naturgemäß nur auf die als solche erkannten Morde. Dass viele Tötungsdelikte nicht erkannt werden, liegt unter anderem daran, dass die meisten Todesfälle durch den Hausarzt begutachtet werden und nicht durch einen ausgebildeten Rechtsmediziner. Weiter ist zu beachten, dass die Statistik auch dadurch verzerrt wird, dass der polizeiliche Tatvorwurf nicht identisch mit der juristischen Wertung sein muss. Die fallbezogene Häufigkeit des Morddeliktes (vollendet und versucht) pro 100.000 Einwohner im Erfassungsgebiet sank im Zeitraum von 1987 bis 2007 von 1,6 auf 0,9. „Schusswaffe dabei“ bedeutet lediglich, dass eine Schusswaffe durch den Täter geführt wurde. Abgefeuerte Schüsse schwankten zwischen 237 (1996) und 81 (2007).

Kriminalstatistik für Mord und Totschlag in der Bundesrepublik Deutschland[18]
Jahr Fälle (einschl. Versuchte) Versuchte Fälle Schusswaffe dabei Aufklärung Anzahl Opfer insgesamt Anzahl Opfer, vollendete Morde
1994 1.146 547 (= 47,7 %) 220 88,5 % 1.396 662
1995 1.207 602 (= 49,9 %) 226 89,7 % 1.394 655
1996 1.184 563 (= 47,6 %) 237 88,2 % 1.441 720
1997 1.036 500 (= 48,3 %) 229 92,8 % 1.148 583
1998 903 451 (= 49,9 %) 196 93,2 % 1.023 498
1999 962 480 (= 49,9 %) 206 93,0 % 1.085 521
2000 930 476 (= 51,2 %) 170 94,7 % 1.108 497
2001 860 436 (= 50,7 %) 181 94,1 % 996 464
2002 873 452 (= 51,8 %) 138 96,7 % 989 449
2003 829 435 (= 52,5 %) 140 95,2 % 921 422
2004 792 432 (= 54,5 %) 104 96,5 % 907 399
2005 794 407 (= 51,3 %) 119 95,8 % 891 413
2006 818 484 (= 59,2 %) 101 95,2 % 983 375
2007 734 420 (= 57,2 %) 91 97,3 % 884 339
2008 694 376 (= 54,2 %) 98 97,6 % 926 370
2009 703 404 (= 57,5 %) 86 94,6 % 914 365
2010 692 399 (= 57,7 %) 79 96,1 %

Literatur

  • Müssig, Bernd: Mord und Totschlag: Vorüberlegungen zu einem Differenzierungsansatz …. Köln 2005, ISBN 3-452-25956-0.
  • Thomas, Sven: Die Geschichte des Mordparagraphen. Eine normgenetische Untersuchung. Dissertation 1985.
  • Stern, Steffen: Verteidigung in Mord- und Totschlagsverfahren. Heidelberg 2005, ISBN 3-8114-1911-0.

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Mord – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Wikiquote: Mord – Zitate
  • § 211 StGB (dejure) - Gesetzestext mit Hinweisen zu Entscheidungen und Aufsätzen
  • Paragraf 211. Mord. In: lexetius.com. Thomas Fuchs, abgerufen am 15. November 2011., Übersicht (Synopse) der verschiedenen Fassungen von § 211 seit dem Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871 mit Geltung ab dem 1. Januar 1872.

Einzelnachweise

  1. Ständige Rechtsprechung seit BGHSt 1, 368, 370 ff.
  2. Statt vieler siehe LK-Jähnke, vor § 211, Rn. 39 m.w.N.
  3. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006, Az.: 5 StR 341/05, unter III. 2. = S. 19 ff. des anonymisierten Originalbeschlusses .
  4. BVerfGE 45, 267; BVerfGE 54, 112
  5. Tröndle/Fischer: Strafgesetzbuch. 54. A. § 211 Rn 6.
  6. Tröndle/Fischer: Strafgesetzbuch. 54. A. § 211 Rn 7.
  7. http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20081007_2bvr057807.html
  8. Tröndle/Fischer: Strafgesetzbuch. 54. A. § 211 Rn 8, 8c.
  9. Leipziger Kommentar: Strafgesetzbuch, 11 Auflage 1992-2006, § 211 Rn 9ff.
  10. Tröndle/Fischer: Strafgesetzbuch. 54. A. § 211 Rn 9ff.
  11. http://www.servat.unibe.ch/dfr/bs009385.html
  12. vgl. BGH-Urteil vom 6. Juli 2000 – 5 StR 629/99 und BVerfG-Beschluss vom 30.11.2000 – 2 BvR 1473/00
  13. § 1 StrVerjFrG; vgl. BVerfGE 25, 269
  14. Deutsches Historisches Museum: Verjährungsdebatte
  15. Herbert Tröndle/Thomas Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 54. Auflage, München 2007 (ISBN 978-3-406-55477-3), § 211 Rn. 35.
  16. Lackner/Kühl, Strafgesetzbuch, Kommentar, 25. Auflage, München 2004 (ISBN 3-406-52295-5), § 78 Rn. 6.
  17. Tröndle/Fischer: Strafgesetzbuch. 54. A. Vor § 211 Rn 1.
  18. http://www.bka.de/pks/index.html Tabellen 01 und 91
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