Dinotheriensande

Dinotheriensande

Als Dinotheriensande werden die Ablagerungen (Sande und Schotter) des Ur-Rheins aus dem oberen Miozän vor etwa zehn Millionen Jahren in Rheinhessen bezeichnet. Ihr Name fußt darauf, dass sie oft fossile Zähne und Knochen des Rüsseltieres Dinotherium (auch Deinotherium) enthalten.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Begriff Dinotheriensande war bereits zu Lebzeiten des Darmstädter Paläontologen Johann Jakob Kaup (1803-1883) üblich, der 1829 das riesige Rüsseltier Dinotherium giganteum (auch Deinotherium giganteum) als Erster beschrieb. Kaup hat zahlreiche Säugetiere aus den Dinotheriensanden bei Eppelsheim untersucht und benannt.

Ur-Rhein

Der Ur-Rhein hatte im Obermiozän einen ganz anderen Lauf als der heutige Rhein. Er floss nicht wie jetzt in der Gegend von Oppenheim, Nierstein, Nackenheim und Mainz, sondern westlich davon ab dem Raum Worms quer durch Rheinhessen über Eppelsheim, Bermersheim, den Wißberg bei Gau-Weinheim und den Steinberg bei Sprendlingen auf die Binger Pforte zu. Erst später verlagerte er allmählich seinen Lauf nach Osten, bis er seine gegenwärtige Position erreichte.

Fossilien

Ablagerungen des Ur-Rheins mit Resten fossiler Säugetiere kennt man aus ehemaligen Sandgruben in Rheinhessen - zum Beispiel bei Westhofen, Eppelsheim, Bermersheim und Gau-Weinheim. In den Dinotheriensanden wurden außer mehreren Arten von Rüsseltieren auch Raubtiere, Nagetiere, Unpaarhufer, Paarhufer und sogar Primaten entdeckt. Zu den seltensten Funden zählen Reste von Menschenaffen. Der etwa 28 Zentimeter lange Oberschenkelknochen von Paidopithex rhenanus aus einer Sandgrube bei Eppelsheim gilt als der historisch erste Fund eines fossilen Menschenaffen. Seit 1996 finden alljährlich wissenschaftliche Grabungen statt.

Dinotherium-Museum

Über die Tierwelt am Ur-Rhein informiert das Dinotherium-Museum in Eppelsheim. Es ist der Idee und Initiative des Altbürgermeisters Heiner Roos zu verdanken. Eine Attraktion im Dinotherium-Museum ist der Abguss eines 1835 in einer Sandgrube bei Eppelsheim gefundenen Schädels des Rüsseltieres Dinotherium giganteum. Funde aus den Dinotheriensanden werden in etlichen Museen aufbewahrt: Hessisches Landesmuseum Darmstadt, Naturhistorisches Museum Mainz, Naturmuseum Senckenberg in Frankfurt am Main und Museum Alzey.

Literatur

  • Heinz Tobien: Bemerkungen zur Taphonomie der spättertiären Säugerfauna aus den Dinotheriensanden Rheinhessens. Weltenburger Akademie, 191-200, Kelheim/Weltenburg 1983
  • Jens Lorenz Franzen: Auf dem Grunde des Ur-Rheins - Ausgrabungen bei Eppelsheim. Natur und Museum, 130 (6), 169-180; Frankfurt am Main 2000
  • Jens Lorenz Franzen, Oldrich Fejfar, Gerhard Storch: First micromammals (Mammalia, Soricomorpha) from the Vallesian (Miocene) of Eppeslheim e.V., Rheinhessen (Germany). Senckenbergiana lethaea, Band 83, Nr. 1/2, 95-102; Frankfurt am Main 2003
  • Jens Lorenz Franzen, Heiner Roos, Ernst Probst: Das Dinotherium-Museum in Eppelsheim. Herausgegeben vom Förderverein Dinotherium-Museum Eppelsheim, Eppelsheim 2009
  • Jens Sommer: Sedimentologie, Taphonomie und Paläoökologie der miozänen Dinotheriensande von Eppelsheim/Rheinhessen. Dissertation am Fachbereich Geowissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main 2007
  • Ottmar Kullmer, Michael Morlo, Jens Sommer, Herbert Lutz, Thomas Engel, Markus Forman & Frank Holzförster: The second specimen of Simocyon diaphorus (Kaup, 1832) (Mammalia, Carnivora, Ailuridae) from the Type-Locality Eppelsheim (Early Late Miocene, Germany). Journal of Vertebrate Paleontology 28 (3): 928-932, September 2008.
  • Frank Holzförster, Jens Sommer, Ottmar Kullmer & Herbert Lutz: Der Obermiozäne Ur-Rhein bei Eppelsheim (Rheinhessen) und sein Bezug zur Tektonik des Mainzer Beckens. Mainzer naturwiss. Archiv 46, 37-52, Mainz 2008.

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