Goldpfeil

Goldpfeil
Stammhaus in Offenbach

Goldpfeil (Goldpfeil Ludwig Krumm AG, oder Gold-Pfeil) war ein Traditionshersteller hochwertiger Taschen und Lederaccessoires und größter Betrieb der Offenbacher Lederwarenindustrie. Goldpfeil fungierte neben Comtesse als Luxusmarke des EganaGoldpfeil-Konzerns und betrieb weltweit auch eigene Filialen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Werbung der Londoner Verkaufsfiliale Ludwig Krumm (London) Ltd. um 1900
Lieferwagen mit Aufbau in Kofferform, 1920er Jahre

Gegründet wurde das Unternehmen 1856 als Ludwig Krumm AG Vereinigte Lederwarenfabriken in Offenbach am Main. Ursprünglich als Manufaktur für Portemonnaies gegründet, kamen schnell Reisegepäck und Damen- und Herrentaschen in hochwertiger Ausstattung ins Programm. 1881 beschäftigte das Unternehmen 200 Mitarbeiter, 1906 waren es bereits 1000 Mitarbeiter. Die ersten Exporte gingen nach Russland und Großbritannien.

Eine neue Firmenzentrale wurde an der Offenbacher Kaiserstraße 1911-13 errichtet, das Gebäude mit der Sandsteinfassade im Stil des barockisierenden Späthistorismus wurde von dem Architekten Philipp Forster entworfen und der Frankfurter Betonbau-Gesellschaft gebaut. 1919 beauftragte die Familie Krumm den Architekten Hugo Eberhardt mit dem Bau eines aufwändigen Mausoleums am Offenbacher Friedhof.

Aufstieg und Expansion

1920 wurde die Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Moritz Krumm, einer der sechs Söhne des Firmengründers Ludwig Krumm, verkaufte zu jener Zeit die Taschen in London. Von dort stammte auch die Anregung zur Umbenennung des Unternehmens zu Goldpfeil, eine Bezeichnung die auf den Luxuszug Golden Arrow zurückging, den Heinrich Krumm der Legende nach in der Londoner Victoria Station und der damals als Symbol für Exklusivität und mondänes Leben stand. Von dem Zug wurden auch die Farben übernommen, grün und gold waren die neuen Hausfarben der Firma. Bis dahin war es üblich die Produkte allgemein nur mit der Herkunftsbezeichnung Offenbacher Lederwaren zu bewerben und zu verkaufen.

Wesentliche Änderungen im Unternehmen fanden in den 1920er Jahren statt, als Heinrich Krumm die Führung des Unternehmens von seinem Onkel Moritz übernahm. Der verlorene englischen Markt wurde durch Exporte in die USA ersetzt wo Goldpfeil-Lederwaren ua. in den New Yorker Kaufhäusern Macy's und Saks angeboten wurden, 1924 erfolgte die Umwandlung des Familienunternehmen in eine Aktiengesellschaft, 1928 wurde der Konkurrent Gebrüder Langhardt übernommen, da diese vor allem in Deutschland stark vertreten war. Von konventionellen Lederwaren wurde das Sortiment fortan eher gestaltungsorientiert. Hugo Eberhardt wurde als Berater herangezogen. Leo Schumacher, später Professor an den Technischen Lehranstalten Offenbach, wurde als für die gesamte „Gold-Pfeil“-Produktion verantwortlicher Gestalter und Vorstandsmitglied des Unternehmens[1].

In den 1930er Jahren wurde in 56 Länder geliefert und in Deutschland wurden die ersten eigenen Läden eröffnet. Diese wurden als eigenes Tochterunternehmen Gold-Pfeil Lederwaren GmbH geführt[2]. 20% aller aus Deutschland exportierten Lederwaren waren von Goldpfeil. Der Exportanteil von Goldpfeil lag 1931 bei 90%.

Im Zweiten Weltkrieg wurden 90% der Produktionsstätten zerstört. In den Folgejahren wurden sie wieder aufgebaut. Heinrich Krumm organisierte am 17. März 1952 in Bonn eine Konferenz zwischen westdeutschen Industrieunternehmen und der sowjetischen Führung. Diese war Türöffner für alle späteren bilateralen Beziehungen.[3] Neben den eigenen Kollektionen stellte Goldpfeil auch Taschen für renommierte Modehäuser in Lizenz her, beispielsweise ab 1956 für Christian Dior. Heinrich Krumm verunglückte 1957 auf einer Fahrt zur Leipziger Messe.

Willi Leibbrand KG, ein Unternehmen das auch einen 25-Prozent-Anteil an Rewe besaß,[4] erhöhte 1969 seine bisherige Minderheitsbeteiligung an Goldpfeil zu einer Mehrheitsbeteiligung[5]. Ab 1980 trennte sich die Goldpfeil vollständig vom mittelpreisigen Marktsegment und konzentrierte sich auf die hochpreisigen Produkte[6] 1981 wurde eine Damenhandtasche mit dem IF-designaward ausgezeichnet[7]. Der 1889 gegründete Lederwarenhersteller aus Offenbach und ehemalige Kgl. Sächs. Hoflieferant Mädler wurde 1984 aus der Konkursmasse erworben und deckte fortan wieder das mittelpreisige Segment ab.

Goldpfeil hatte in vielen deutschen Großstädten, aber auch in Metropolen weltweit Filialen. 1984 wurde das eigene Filialnetz auch auf die USA ausgeweitet, mit 10 Filialen ua. am Rodeo in Beverly Hills und an der Fifth Avenue in New York[8] Ab 1993 wurde ein neues einheitliches Ladenkozept eingeführt, welches von Helmut Pummer entworfen wurde. Eine der ersten umgebauten Filialen war die am Rodeo Drive, Beverly Hills[9]. 1988 wurde der Goldpfeil Design-Wettbewerb veranstaltet[10] Ein Lizenzabkommen mit Jil Sander wurde 1984 geschlossen. Als Zeitschrift für Kunden wurde das Goldpfeil Journal - Das Journal der Lebensfreude und des exclusiven Unterschieds herausgegeben.

Krise und Umstrukturierung

Goldpfeil-Filiale in Ginza, Chuo-ku, Tokio, (2006)

In den 1990er Jahren geriet das Unternehmen in die Krise, da das internationale Luxussegment vor allem von französischen Firmen dominiert wurde. Allein 14 Mal wechselte in den 1990er Jahren die Unternehmensführung[11]. Auch der Breitenmarkt schrumpfte, von 45.000 Beschäftigen in der Lederwarenindustrie in Deutschland hatten sich diese bis 2002 halbiert, ebenso die Anzahl der Betriebe.

Schließlich fusionierte 1998 die Firma Goldpfeil mit der Egana Gruppe zur EganaGoldpfeil (seit 2006 Egana Goldpfeil Accessoires GmbH), wobei Goldpfeil als Unternehmen und als Marke von Lederwaren weiterhin erhalten blieb. Die Marke schrieb rote Zahlen. Der Umsatz der Marke selbst betrug 2002 noch 65 Millionen Euro, weniger als 10% des Umsatzes des Konzerns. In diesem Jahr wurde eine Umstrukturierung beschlossen[12]. Das Luxussegment mit den traditionellen Produktlinien Oxford und Tradition wurde in Deutschland belassen, während die mittelpreisigen Linien fortan in Tschechien und China produziert wurden. Der alte 1911–13 errichtete Stammsitz an der Kaiserstraße wurde durch den Architekten Werner Kraus aus Braunfels aufwändig saniert und erweitert und zu einem Zentrum für Produktentwicklung, Mustertäschnerei, Design und Marketing sowie der Europazentrale der EganaGoldpfeil umgebaut. Als sportliche Kollektion wurde auch die Linie Stefanie Graf by Goldpfeil eingeführt. Zu diesem Zeitpunkt produzierte Goldpfeil noch rund 6000 Luxus-Taschen pro Jahr in Deutschland.

Niedergang

Hans-Jörg Seeberger, Eigentümer der EganaGoldpfeil verstarb 2007, und bereits am 21. August 2008 meldete EganaGoldpfeil beim Amtsgericht Offenbach Insolvenz an. Fun Fashion Vertrieb GmbH, eine Tochtergesellschaft von Tchibo erwarb zahlreiche Rechte an der Marke und den Produkten von Goldpfeil. Einen letzten Teil des Firmenarchivs konnte die Stadt Offenbach vor der Entsorgung retten [13] Zu Weihnachten 2009 bot Tchibo Geldbörsen mit dem Markennamen Goldpfeil an [14], 2010 wurde das Sortiment auch auf Taschen ausgeweitet[15], wobei diese Produkte preislich ein anderes Segment ansprechen, als die ursprüngliche Traditionsmarke. 2010 wurde der Geschäftssitz in Offenbach an die WGF AG, verkauft.[16] Ein Gebäude auf dem Gelände wird als „Halle K39 Messen + Ausstellungen“ [17]temporär vermietet. Bis Ende Januar 2011 existierte noch der frühere Werksverkauf, der Lagerbestände abverkaufte[18]. Aufgrund fehlenden Nachschubs und noch vorhandener Nachfrage wurden viele Waren nur mit sehr geringen Nachlässen verkauft.

Sortiment

Taschenwerbung von 1938
Henkeltasche von Goldpfeil aus den 1970ern

Goldpfeil-Taschen waren lange ein Statussymbol der deutschen Oberschicht, so schrieb Ulrike Posche noch 2004 in "Weibliche Übernahme: wie Frauen in Deutschland sich die Macht nehmen": Sie sind nahezu im Bellheim-Alter, schwenken Goldpfeil-Taschen und lassen sich unter dem düsteren Begriff Witwe fassen.[19] Im gleichen Jahr schrieb die Wirtschaftswoche: Labels wie Chanel, Louis Vuitton oder Goldpfeil wecken bei den vermögenden Kundinnen Begehrlichkeiten [20]

Lederwaren

Das klassische Sortiment waren Lederwaren, vor allem Taschen aber auch Koffer, Jacken etc. Die Produkte wurden in verschiedenen Kollektionen angeboten, einige davon waren:

  • Goldpfeil Sport (bis ca. 1980)
  • Pegasus Club
  • Carraciola
  • Stefanie Graf by Goldpfeil
  • Oxford (oberes Segment, bis zum Ende in Deutschland produziert)
  • Tradition (oberes Segment, bis zum Ende in Deutschland produziert)

Die japanische Firma NAAS Co., Ltd. aus Adachi-ku/Tokio erwarb 2006 eine Lizenz um Schulranzen für den japanischen Markt unter dem Namen Goldpfeil anzubieten. Diese wurden in Italien gefertigt und für ¥90.300 verkauft[21].

Allen Produkten war als Echtheitszertifikat eine goldene Karte mit der Aufschrift Goldpfeil Germany 1856 beigelegt, auf der das Modell und der Händler eingetragen war.

Uhren

Ab 2001 gehörten auch Luxusuhren zu dem Sortiment, diese wurden von den Schweizer Uhrmachern Antoine Preziuso, Bernhard Lederer, Felix Baumgartner, Frank Jutzi, Svend Andersen, Vianney Halter und Vincent Calabrese (alle Mitglieder der Académie Horlogère des Créateurs Indépendants (AHCI) ) gefertigt.[22] Die Uhren entstanden in Kleinserie zu Stückzahlen um die 100 Stück[23] Preislich lagen die Uhren im fünfstelligen Eurobereich, der Listenpreis der Seven Masters lag bei 65.800 USD[24]

Brillen

Unter dem Namen Goldpfeil wurden auch Brillenfassungen und Sonnenbrillen vertreiben. Diese stammten von der Firma Argenta aus Wetzlar.

Einzelnachweis

  1. http://www.deutsche-biographie.de/sfz46379.html
  2. Handbuch der deutschen Aktiengesellschaften: Band 49,Teil 3 , 1944
  3. Karsten Rudolph: Wirtschaftsdiplomatie im Kalten Krieg, S.37
  4. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13502012.html
  5. Concurrence et marché: Band 39,Ausgaben 1-6, 1969 Handelsblatt
  6. Heinz Stehle: Erb- und familienrechtliche Unternehmenssicherung, S.32
  7. http://www.ifdesign.de/beitragsdetails_e.html?offset=363&sprache=1&award_id=60&beitrag_id=11547
  8. http://www.thefreelibrary.com/GOLDPFEIL+OPENS+BOUTIQUE+AT+711+FIFTH+AVE.,+NEW+YORK%3B+THE+GOLDEN...-a012227885
  9. Stores of the year: Band 7, Retail Reporting Bureau (New York, N.Y.)
  10. D. Moebel interior design, 1988, S.86
  11. http://www.welt.de/print-wams/article102422/Und_Tschuess_Goldpfeil_geht.html
  12. http://www.welt.de/print-wams/article102422/Und_Tschuess_Goldpfeil_geht.html
  13. http://www.op-online.de/nachrichten/offenbach/goldpfeil-kaiserstrasse-offenbach-geschichte-1100931.html
  14. http://www.tchibo.com/corweb/servlet/content/320692/Lnderstartseitesterreich/Presse/Pressemitteilungen/NonFoodProdukte/Goldpfeil_LuxusmitTradition.html;jsessionid=8224AF4FA989221561303DA8908AFF95
  15. http://www.shoppic.de/33624/tchibo-geldborsen-und-hand-umhange-und-shoppertaschen/
  16. http://www.internet-intelligenz.de/fachartikel320096.html
  17. http://www.broich-locations.de/335.0.html
  18. http://www.op-online.de/nachrichten/offenbach/goldpfeil-kaiserstrasse-offenbach-geschichte-1100931.html
  19. Ulrike Posche: Weibliche Übernahme: wie Frauen in Deutschland sich die Macht nehmen, Klappentext, 2004
  20. Wirtschaftswoche, Band 58,Ausgaben 41-46, 2004 S.75
  21. Ulrike Posche: Weibliche Übernahme: wie Frauen in Deutschland sich die Macht nehmen, Klappentext, 2004
  22. Ulrike Posche: Weibliche Übernahme: wie Frauen in Deutschland sich die Macht nehmen, Klappentext, 2004
  23. European jeweler, Band 100. S.70
  24. http://www.prestigetime.com/items.php?brand=84

Weblinks

50.1032345886118.7594857811111

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