Heinrich Riebesehl

Heinrich Riebesehl

Heinrich Riebesehl (* 9. Januar 1938 in Lathen an der Ems; † 31. Oktober 2010[1] in Hannover) war ein bedeutender deutscher Fotograf der Nachkriegszeit und Hochschullehrer.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Riebesehl begann im Rahmen seiner Drogistenlehre 1955 mit der Fotografie. Erste Erfolge hatte er mit Reportagefotos für eine Lokalzeitung. Nach Abschluss seiner Lehre arbeitete er als Fotospezialist in einer hannoverschen Drogerie. Er studierte von 1963 bis 1965 bei dem einflussreichen Fotografen und Hochschullehrer Otto Steinert an der Folkwang-Hochschule in Essen. Während seines Studiums fotografierte er mehrere Serien zu besonderen Themen wie Lokomotiven und Happenings. Sein Bild von Joseph Beuys mit blutig geschlagener Nase aus dem Jahr 1964 wird zu einem der berühmtesten Porträts des Düsseldorfer Künstlers. Nach der Heirat mit Gisela Remane unterbrach er sein Studium. 1967 begann er für die Hannoversche Presse zu arbeiten. In dieser Zeit entstanden die Serien „Gesichter“ und „Menschen im Fahrstuhl“. Für letztere erhielt Riebesehl internationale Aufmerksamkeit. 1971 wurde er Mitglied in der Gesellschaft deutscher Lichtbildner, schon im nächsten Jahr saß er der Jury vor. Er eröffnete mit anderen Fotografen 1972 eine der ersten Fotogalerien in Europa, die Spectrum-Fotogalerie in Hannover, mit dem Ziel, der Fotografie als einer jungen Kunstform Raum zu verschaffen.

Riebesehl nahm zeitgleich sein Studium bei Otto Steinert wieder auf und machte seinen Abschluss. In diese Zeit fielen Aufnahmen für das Projekt „Situationen und Objekte“, die er in verschiedenen internationalen Zeitschriften und schließlich 1978 mit einer Auswahl in dem gleichnamigen Buch veröffentlicht. Das Buch versammelt ungewöhnliche Motive in teilweise surrealer Art, die auf den Betrachter rätselhaft, verbergend wirken: Poetische Wolkenmotive, Menschen von hinten, einsame Maschinen. Starke Kontraste und schwarze Himmel ziehen sich leitmotivisch durch die Serie. Manche Kritiker ordnen sie deshalb der Richtung des magischen Realismus zu, Ähnlichkeiten mit Werken von Herbert List und Ralph Gibson sind spürbar. Das Buch erhielt den Kodak-Fotobuchpreis 1978.

Nur ein Jahr später erschien sein Buch „Agrarlandschaften“, welches zu den wichtigsten Werken deutscher dokumentarischer Fotografie der 1970er gezählt wird und den Fotografen international berühmt macht. Riebesehl vollzog hier einen deutlichen Bruch. An die Stelle der rätselhaften Objekte und flüchtigen Situationen trat ein zumeist nüchterner Blick auf norddeutsche Agrarlandschaften in feinen Grauwert-Abstufungen, die vielen Betrachtern zunächst als banal erscheinen müssen. Ähnlich wie bei den Fotografen Bernd und Hilla Becher entfaltet sich die Wirkung hier erst bei der Betrachtung der Bilder als Serie.

Spätestens jetzt galt Riebesehl als Teil der Kunstszene, seine Werke wurden von Museen und Sammlern in aller Welt angekauft. 1982 erhielt Riebesehl den Sprengel-Preis der Stadt Hannover. Er wurde 1984 als Professor für Fotografie an die Fachhochschule Hannover berufen, an der er bis 1997 lehrte. Es entstanden verschiedene Serien, unter anderen „Industrielandschaften“, „Gewerbebauten“, „Bahnlandschaften“ und „Dorfansichten“. 2004 zeigte das Sprengel-Museum in Hannover in einer Retrospektive eine Auswahl aus seinen Serien. Im gleichen Museum wird seit 2001 sein Archiv mit mehr als 3.600 Fotografien und 15.000 Negativen gelagert. Als Künstler wird er von der Galerie Kicken in Berlin vertreten.

Im Alter erkrankte Riebesehl an der Parkinson-Krankheit.

Auszeichnungen

1981 Riebesehl erhält als erster Fotograf das Niedersächsische Künstlerstipendium, 1997 den Kunstpreis der SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, 1999 den Kunstpreis der Stadtsparkasse Hannover, 2000 den Niedersächsischen Kunstpreis 2000 im Bereich Bildende Kunst

Publikationen

  • Agrarlandschaften. Text von Peter Sager. Bremen 1979.
  • Agrarlandschaften. Erw. Neuauflage. Köln 2002.

Literatur

  • Krichbaum, Jörg: Heinrich Riebesehl. Situationen und Objekte. Eine Monografie. Riesweiler 1978
  • Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst: Heinrich Riebesehl. Hannover 1986.
  • Thomas Weski: Heinrich Riebesehl. Bahnlandschaften. Hannover 1997
  • Schneider, Ulrike: Heinrich Riebesehl. Fotografische Serien 1963-2001. Ostfildern: 2004.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Uwe Janssen: Der Landvermesser. Im Alter von 72 Jahren ist der Fotograf Heinrich Riebesehl gestorben., in: Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 2. November 2010, S. 7, online am 1. November 2010
  2. Johanna Di Blasi: Riebesehl gibt dem Norden ein Gesicht, in: Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 8. Dezember 2009, Seite 5

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