Lübecker Rathaus

Lübecker Rathaus
Das Lübecker Rathaus
Lübecker Rathaus um 1885 von Cornelis Springer
Rathaustreppe, Straßenbahn, Pferdekutsche

Das Lübecker Rathaus in der Hansestadt Lübeck ist ein backsteingotischer Bau. Es ist eines der größten und bedeutendsten Rathäuser in Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Bau begann kurz nach der Verleihung der Reichsfreiheit, die Lübeck 1226 erhielt. Von dem frühen Bau zeugen noch heute Teile der Südwand, die im spätromanischen Stil erhalten sind. 1308 war das Rathaus fertiggestellt. 1435 erfolgte der Anbau des Neuen Gemachs im spätgotischen Stil mit der mit Türmen besetzten und aus verschiedenfarbigen Ziegeln gebauten Schauwand, sowie rund 150 Jahre später die Renaissancelaube aus Sandstein auf der Marktseite. 1594 folgte dann auch die von dem flämischen Bildhauer Robert Coppens im Niederländischen Stil errichtete Renaissancetreppe an der Breiten Straße. Sie führte zu der so genannten Kriegsstube, dem einstigen Schatz des Rathauses, die sich hinter der Schauwand befand. Sie wurde im März 1942 beim ersten schweren Luftangriff auf Lübeck zerstört und wird heute nicht mehr benutzt. Der Name des Teilkomplexes zeigt, dass die Hanse nicht nur Einfluss auf die Wirtschaft hatte, sondern auch auf die Politik und oftmals über Krieg und Frieden entschied.

Im Rathaus tagte der Rat der Hansestadt auch als Gericht: der Oberhof Lübeck war bis 1820 Appellationsgericht für Entscheidungen aus anderen Städten, die dem Lübschen Rechtskreis angehörten.

Das Rathaus ist heute noch Sitz des Bürgermeisters und Versammlungsort der Bürgerschaft. Der Haupteingang ist nicht am Markt, sondern in der Breiten Straße. Der Ratskeller ist an den Kellermeister verpachtet und hat seinen Eingang auf der Marktseite unter der Renaissancelaube.

Zum erweiterten Komplex des Rathauses gehört auch das nördlich an der Breiten Straße gelegene Kanzleigebäude im Stil der Backsteinrenaissance.

Innenarchitektur

Das Gebäude ruht auf einem Arkadendurchgang aus Kreuzrippengewölbe unter dem früher die Buden der Goldschmiede und die Ratswaage standen.

Gleich hinter der Eingangstür befinden sich das riesige Foyer und ein Treppenaufgang, in dem zahlreiche Bilder hängen, die Szenen aus der Stadtgründung zum Thema haben. Rechts befindet sich das Renaissanceportal, welches 1574 von Tönnies Evers d. Ä. angefertigt wurde und das in den Rats- und Audienzsaal führt. Der Saal war traditionell der Gerichtssaal des Rates, in dem dieser als Obergericht tagte. Die Beteiligten an diesen Verfahren wurden die Themen der Darstellungen auf den Türen und durch Spruchweisheiten an ihren Pflichtenkreis im Gericht erinnert. Die Supraporte der Tür zeigt das Urteil Salomons, darunter wird auf die Liebe und die Gerechtigkeit verwiesen. Die Sinnsprüche im Inneren des Saals, aber auch die an der Außenseite, entstammen bis auf einen, der dem 1. Korintherbrief entnommen ist, einem 1539 erschienenen niederdeutschen Glossar zum Reynke de vos des Buchdruckers Ludwig Dietz:

„Beide Part schal ein Richter horen und den ordel.“

„Snelle to horen arfst langsam to ge lofen.“

„Na Ummestendicheit der Sake schal men alle Worde vor stan.“

„Wo hart is de Rechtferdicheit gefangen wo hoch deit Ungerchdicheit prangen.“

„De Leve is langkmodich unde frundtlick se is nicht afgünstich.“

(1 Kor 13,4 LUT)

Außen heißt es um das Portal und Christus als Richter:

„Van den Wisen hort men Wisheit unde van den Getruwende gude Rat.“

„Der Werlt Wisheit id bedrechlick unde vorfort Lande unde Lude.“

An der Ausstattung dieses Saals erkennt man den Übergang zwischen Spätbarock und Rokoko. An den Wänden befinden sich zehn allegorische Gemälde von Stefano Torelli, die dieser zwischen 1754 und 1761 anfertigte. Sie stellen die Tugenden einer guten Regierung dar, die alle bis auf eine als Frauengestalten dargestellt wurden. Nur bei der Tugend der Verschwiegenheit war nach der Vorstellungswelt zu damaliger Zeit die weibliche Verkörperung der Tugend nicht denkbar. Die Gemälde befinden sich in Stuckrahmen und prägen den Saal im Stil des Rokoko.

Genau über den Audienzsaal befand sich im Mittelalter der Hansesaal, welcher die Tagungsstätte des gleichnamigen Städtebundes war. Dieser Raum wurde 1818 durch Verwaltungsräume ersetzt.

Im westlichen Trakt befindet sich der Bürgerschaftssaal, welcher 1891 im Zuge größerer Umbauarbeiten im neugotischen Stil errichtet wurde. Auf den Fluren befinden sich Gemälde ehemaliger Bürgermeister und Ratsherren. Die Porträts der Bürgermeister von Wickede und von Höveln werden dem Lübecker Maler der Renaissance Hans Kemmer zugeschrieben. Die historistischen Wandmalereien wurden von dem Berliner Maler Max Friedrich Koch im Zuge der Umbauten 1891 angebracht.

Die von Tönnies Evers dem Jüngeren geschaffene Vertäfelung der Kriegsstube gehörte zu den Hauptwerken der Spätrenaissance in Lübeck und verlieh dem Festraum einen besonderen Glanz. Der Saal, in dessen vier Wänden sich, eingeleitet von einem prunkvollen Portal an der nördlichen Schmalseite, Vertäfelungsblöcke über einer gleichfalls umlaufenden mit Intarsienfeldern geschmückten Bank herumzogen, barg die älteste Ausstattung, die im Rathaus von den einstigen Prunkräumen und Sälen verblieben war

Besonderheiten

Die runden Löcher in den Ziermauern der Fassade zum Markt hin haben den Zweck, den Wind zu brechen und die Fassade vor zu starkem Winddruck zu schützen. Die kleineren runden Löcher zur Marienkirche hin dienen nur der Zierde. Die Türen zum ehemaligen Gerichtssaal im Erdgeschoss sind verschieden hoch. Freigesprochene Angeklagte durften das Gericht durch die hohe Tür verlassen, verurteilte Angeklagte mussten durch die niedrige Tür gehen und dabei den Kopf senken.[1]

Bilder

Weblinks

 Commons: Lübecker Rathaus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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Quellen

  1. Catherina Riedemann: Willkommen im historischen Rathaus. In: Lübecker Nachrichten vom 9. April 2011, S. 13

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