Moriz Winternitz

Moriz Winternitz

Moriz Winternitz (* 23. Dezember 1863 in Horn; † 9. Januar 1937 in Prag) war ein österreichischer Indologe und Ethnologe, der sich vor allem mit der Sanskrit-Literaturgeschichte, mit dem Mahabharata und spätvedischen Ritualen beschäftigte. Seine Sanskritforschungen gelten noch heute als wegweisend.

Leben und Werk

Er besuchte das Gymnasium in Horn (Niederösterreich) (1872 - 1880), studierte anschließend klassische Philologie und Philosophie in Wien, wandte sich dann jedoch unter dem Einfluss von Georg Bühler der Indologie zu. In seiner Dissertation (1886) beschäftigte er sich mit dem altindischen Hochzeitsritual gemäß dem „Apastambiya Grihyasutra“, einem Werk der Sutra-Literatur, das er einige Jahre später in einer kritischen Ausgabe herausbrachte.

Im Jahr 1888 ging Winternitz nach Oxford und arbeitete dort mit Friedrich Max Müller an einer Neuausgabe des Rigveda. In Oxford wirkte er auch an verschiedenen Institutionen als Privatlehrer für Deutsch und Sanskrit. 1911 wurde er zum ordentlichen Professor für Sanskrit und Ethnologie an der deutschsprachigen Karl-Ferdinands-Universität in Prag ernannt, wo er bereits seit 1899 als Privatdozent lehrte und bis 1934 tätig blieb. Er veröffentlichte viele maßgebliche Studien im Bereich von Religion, Epen und Sanskrit-Literatur.

Im selben Jahr kam Albert Einstein an die deutsche Universität in Prag und blieb für drei Semester. Er war Mitglied derselben Philosophischen Fakultät und mit Winternitz und seiner Familie, einschließlich der fünf Kinder, befreundet. Als Dekan der Fakultät empfing Winternitz im Juni 1921 den prominenten und gefeierten indischen Dichter, Autor, Philosophen und Nobelpreisträger Rabindranath Tagore als Gast der Universität. Ein Jahr später folgte er der Einladung Tagores an dessen Schule in Santiniketan, wo er 1922/1923 Sanskrit und alte indische Literatur unterrichtete. Eine langdauernde Freundschaft entstand und Tagore besuchte Prag 1926 ein weiteres Mal.

Zu seinen Prager Studenten zählten Vincenc Lesný, Wilhelm Gampert und Otto Stein, die später selbst namhafte Indologen wurden.

Ein wichtiges Studienfeld war für Winternitz auch das Epos Mahabharata, zu dem er bereits 1897 einen Beitrag im „Journal of the Royal Asiatic Society“ veröffentlichte. Viele weitere Artikel folgten in den nächsten Jahren, darunter auch eine Studie über die Entstehung des Epos, wobei Winternitz die Auffassung vertrat, dass es nicht das Werk eines einzelnen Autors sei. 1901 regte er erstmals die Fertigung einer kritischen Ausgabe auf der Grundlage der zahlreichen Manuskripte an, die in zum Teil abweichenden Versionen vorliegen, wobei ihm die südindischen als besonders wichtig erschienen. Erst nach dem Ersten Weltkrieg konnten seine Pläne vom Bhankarkar Oriental Research Institute in Pune realisiert werden, das 1966 die „Erstellung der Critical Edition of the Mahabharata“ abschloss. Es war das große Verdienst von Winternitz, dieses Projekt angestoßen und als Mitglied des Herausgeber-Gremiums lange begleitet zu haben.

Als sein Hauptwerk gilt die „Geschichte der indischen Literatur“, die in drei Bänden von 1905 bis 1922 erschien. Darin behandelt Winternitz die vedische Literatur, die Epen und Puranas ebenso wie die buddhistischen und Jaina-Texte sowie Lyrik und Wissenschaft. 1927 erschien eine englische Ausgabe des Werks, deren erste beide Bände er noch selbst durchsehen konnte.1934 brachten O. Stein und W. Gampert eine Bibliographie von Winternitz' Werken und Beiträgen heraus, die nicht weniger als 452 Titel nannte.

Der bengalische Autor Debabrata Chakrabarti publizierte 1988 Notizen des Sohnes von Moriz Winternitz, Georg Winternitz, über das Leben seines Vaters und seiner Geschwister. Angesichts der nationalsozialistischen und antisemitischen Bedrohung schlossen sich drei der Söhne von Winternitz sozialistischen und antifaschistischen Organisationen an. Sein Sohn Josef arbeitete in den zwanziger Jahren für die KP in Deutschland, musste aber 1933 nach Prag fliehen, als es für ihn zu gefährlich wurde. Nach dem Einmarsch der Deutschen 1938 in Prag emigrierten die Winternitz-Söhne nach England. Dem Vater Moriz blieb durch seinen Tod 1937 diese bittere Zeit erspart. Josef Winternitz ging nach dem Krieg 1948 nach Ostberlin und übernahm für kurze Zeit wichtige Rollen in der SED bis er wegen einer Veröffentlichung ideologisch in Ungnade fiel. Er ging 1951 zu seiner Familie in England zurück, wo er ein Jahr später starb.

Werke

  • Geschichte der indischen Literatur, 3 Bände, Leipzig 1905-1922. Internet Archiv: Bd. I.,Bd. II.,Bd. III.
  • Rabindranath Tagore - Religion und Weltanschauung des Dichters, Prag 1936
  • Religion und Moral - Ihr Wesen und ihr Verhältnis zueinander, Prag 1922

Weblinks

 Wikisource: Moriz Winternitz – Quellen und Volltexte

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Moriz Winternitz — (born at Horn, Austria, December 23, 1863–January 9, 1937) was an eminent Austrian Orientalist. He received his earliest education in the gymnasium of his native town, and in 1880 entered the University of Vienna, receiving the degree of Doctor… …   Wikipedia

  • Moriz — may refer to: Karl Moriz Diesing (1800–1867), an Austrian naturalist and zoologist, specializing in the study of helminthology Moriz Heider (1816–1866), an Austrian dentist who was born in Vienna Moriz Henneberger (1878–1959), a Swiss chess… …   Wikipedia

  • Winternitz — ist der Familienname folgender Personen: Adolfo Winternitz (1906–1993), österreichischer Künstler Friederike Winternitz, Gattin von Stefan Zweig, siehe Friderike Maria Zweig Moriz Winternitz (1863–1937), österreichischer Orientalist Josef… …   Deutsch Wikipedia

  • Moritz Winternitz — Moriz Winternitz (* 23. Dezember 1863 in Horn (Niederösterreich); † 9. Januar 1937 in Prag) war ein österreichischer Indologe und Ethnologe. Er beschäftigte sich vor allem mit der Literaturgeschichte des Sanskrit und spätvedischen Ritualen.… …   Deutsch Wikipedia

  • Josef Winternitz — (* 18. Februar 1896 in Oxford; † 22. März 1952 in London) war ein kommunistischer Politiker. Leben Winternitz war ein Sohn des österreichischen Indologen und Ethnologen Moriz Winternitz. Er studierte in Prag Philosophie, war Mitglied der… …   Deutsch Wikipedia

  • Indologe — Indologie ist eine geisteswissenschaftliche Disziplin, die sich mit der Beschreibung und Erklärung der Sprachen, Kulturen und Geschichte des indischen Kulturraumes befasst. Ausgangspunkt der modernen europäischen Indologie im 18. Jahrhundert… …   Deutsch Wikipedia

  • Indologie — ist eine geisteswissenschaftliche Disziplin, die sich mit der Beschreibung und Erklärung der Sprachen, Kulturen und Geschichte des indischen Kulturraumes befasst. Ausgangspunkt der modernen europäischen Indologie im 18. Jahrhundert waren, in… …   Deutsch Wikipedia

  • Foding zunsheng tuoluoni jing — Das Usnisa vijaya dharani oder Usnisa vijaya dharani Sutra (chin. 佛頂尊勝陀羅尼經 / 佛顶尊胜陀罗尼经, Foding zunsheng tuoluoni jing, engl. Dharani of the Jubilant Corona/Dharani of Buddha Corona the Triumphant) ist ein Sutra des esoterischen Buddhismus. Es… …   Deutsch Wikipedia

  • Ushnîsha-Vigaya-Dhâvanî — Das Usnisa vijaya dharani oder Usnisa vijaya dharani Sutra (chin. 佛頂尊勝陀羅尼經 / 佛顶尊胜陀罗尼经, Foding zunsheng tuoluoni jing, engl. Dharani of the Jubilant Corona/Dharani of Buddha Corona the Triumphant) ist ein Sutra des esoterischen Buddhismus. Es… …   Deutsch Wikipedia

  • Usnisa Vijaya Dharani Sutra — Das Usnisa vijaya dharani oder Usnisa vijaya dharani Sutra (chin. 佛頂尊勝陀羅尼經 / 佛顶尊胜陀罗尼经, Foding zunsheng tuoluoni jing, engl. Dharani of the Jubilant Corona/Dharani of Buddha Corona the Triumphant) ist ein Sutra des esoterischen Buddhismus. Es… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”