Autonomiestatut von Katalonien

Autonomiestatut von Katalonien
Wappen der Generalitat de Catalunya

Das Autonomiestatut für Katalonien ist ein spanisches Organgesetz und bildet die Grundlage der Rechtsordnung der Autonomen Region Katalonien. Es wird in Artikel 147 der spanischen Verfassung als Bestandteil der eigenen Rechtsordnung anerkannt und regelt die Rechte und Pflichten der Bürger Kataloniens, ihre politischen Institutionen, deren Zuständigkeiten und Beziehungen zum Spanischen Staat sowie die finanzielle Ausstattung der Generalitat de Catalunya. Diese bestehen aus den im Autonomiestatut festgelegten politischen Institutionen.

Inhaltsverzeichnis

Das Autonomiestatut von 1979

Die ersten demokratischen Wahlen seit 1936 führten am 15. Juni 1977 zu einer politischen Mehrheit, die die Wiederherstellung der Generalitat und der Autonomie anstrebte. Diese waren im Januar 1939 durch ein Gesetz des spanischen Staats aufgelöst worden. Bei der folgenden Diada Nacional de Catalunya am 11. September 1977 demonstrierten fast eine Million Katalanen in Barcelona für Llibertat, amnistia, Estatut d’Autonomia (‚Freiheit, Amnestie, Autonomiestatut‘).

Parlament von Katalonien am Parc de la Ciutadella in Barcelona

Dies zwang die spanische Regierung unter Adolfo Suárez zur Wiederherstellung einer provisorischen Generalitat am 29. September 1977 und zur Erlaubnis der Wiedereinreise des bisherigen Präsidenten Josep Tarradellas aus dem Exil. Dieser wurde formal zum Präsidenten ernannt und eine provisorische Regierung gebildet um dieses Autonomiestatut und die folgenden Parlamentswahlen vorzubereiten.

Das Statut wurde durch ein Referendum in Katalonien bestätigt und im November 1979 durch die Cortes Generales des spanischen Staates ratifiziert. Am 18. Dezember 1979 unterzeichnete König Juan Carlos I. das Autonomiestatut für Katalonien als ein Organgesetz des Staates. Es trat am 31. Dezember in Kraft.

Der Entwurf des Statuts wurde von Abgeordneten und Senatoren des Parlaments von Katalonien, der „Kommission der Zwanzig“, in einem Parador bei der Gemeinde Vilanova de Sau ausgearbeitet. Das Statut wird daher auch das „Statut von Sau“ genannt und folgt damit der Tradition, die Satzungen Kataloniens nach ihrem Entstehungsort zu benennen – wie auch das „Statut von Núria“ 1932.

Das Autonomiestatut von 2006

Die politischen Institutionen Kataloniens beruhten bis 2006 auf einem Autonomiestatut von 1979. Am 30. September 2005 wurde vom katalanischen Parlament der „Entwurf eines neuen Autonomiestatuts für Katalonien“ beschlossen, nach dem Verhandlungsort auch „Statut von Miravet“ genannt.

Am 2. November 2005 wurde das Statut von Miravet dem Kongress vorgelegt und von drei Sprechern des katalanischen Parlaments erläutert. Die Sprecher der katalanischen Parteien CiU, PSC und ERC begründeten die Notwendigkeit einer Reform des bestehenden Statuts von 1979 damit, dass es damals in einem Kongress mit zahlreichen Politikern des ehemaligen Franco-Regimes behandelt worden sei. Es müssten die Veränderungen seit dem Eintritt Spaniens in die Europäische Union vor 26 Jahren berücksichtigt werden, sowie die Tatsache, dass Katalonien eine Nation sei.

Plakat gegen die Zustimmung zum Statut

Nach langen und emotionalen Verhandlungen der im Kongress vertretenen Parteien wurden rund die Hälfte der Artikel im Statut-Entwurf verändert. Am 10. Mai 2006 stimmte das Spanische Parlament dem Statut schließlich mit den Stimmen von PSOE, CiU und IU zu. ERC, EA und PAR enthielten sich, und PP stimmte dagegen.

In einem abschließenden Referendum am 18. Juni 2006 sprachen sich 73,9 % der Katalanen für das neue Statut aus. Eine große Enttäuschung bildete jedoch die geringe Wahlbeteiligung von etwa 49 % der Wahlberechtigten.

Nachdem König Juan Carlos I. das Statut am 19. Juli 2006 unterzeichnete, trat es am 9. August 2006 in Kraft.

Klage vor dem Verfassungsgericht

Am 31. Juli 2006 reichte die PP (Partido Popular) eine Normenkontrollklage beim Verfassungsgericht (Tribunal Constitucional) ein, mit der sie 114 der insgesamt 223 Artikel des Autonomiestatuts als verfassungswidrig angriff. Nach fast vierjähriger Beratung verkündete das Gericht am 28. Juni 2010 sein Urteil[1]. Danach sind 14 Artikel insgesamt oder teilweise verfassungswidrig. Für 27 weitere Bestimmungen bestimmte es, dass und wie sie nach den näheren Ausführungen in den Urteilsgründen verfassungskonform auszulegen sind. Hinsichtlich der heftig umstrittenen Bezeichnung Kataloniens als „Nation“ in der Präambel des Autonomiestatuts urteilte es, dass diese keinerlei juristische Wirkung bei der Auslegung anderer Normen entfaltet (insbesondere daraus nichts hergeleitet werden kann, woraus sich eine Sonderstellung Kataloniens im Vergleich zu anderen Autonomen Gemeinschaften ergeben könnte, die sich nicht als "Nation" definieren). Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

Reaktionen auf das Urteil

Kundgebung am 10. Juli 2010 in Barcelona
Saló de Cent, historischer Ratssaal der Stadt Barcelona

Das Urteil des Verfassungsgerichts rief große Empörung bei der Bevölkerung und den verschiedenen Institutionen von Katalonien hervor. Auf Initiative des Kulturvereins Òmnium Cultural riefen daraufhin über 200 Gruppen und Institutionen unter dem Schlagwort Som una nació. Nosaltres decidim! (‚Wir sind eine Nation. Wir entscheiden!‘) zu einer Kundgebung am 10. Juli 2010 in Barcelona auf, zu der über eine Mio. Bürger auf die Straße gingen.[2]

In zahlreichen Stadt- und Kreisparlamenten wurden Erklärungen und Beschlüsse zugunsten des Autonomiestatuts gefasst. Die Stadt Barcelona berief eine Sondersitzung des Stadtrats ein. Sie fand der großen Bedeutung entsprechend im mittelalterlichen Saló de Cent statt, dem historischen Ratssaal aus dem Jahre 1369. Die Stadträte aller politischen Richtung außer der PP verteidigten in einer scharfen gemeinsamen Erklärung den Inhalt des Statuts, riefen zur Teilnahme an der Kundgebung auf und verurteilten die Haltung des Verfassungsgerichts. Auch in den Räten der Städte Girona, Lleida und Tarragona wurden vergleichbare Beschlüsse gefasst. Außerdem schlossen sich die Diputaciones Provinciales, die Selbstverwaltungsorgane der Provinzen Barcelona und Lleida, die dem Staat direkt unterstehen, der allgemeinen Empörung an[3]. Bürgermeister und Gemeinderäte verfassten ein Manifest für Entscheidungsfreiheit[4], dem sich bis Ende August 2010 rund 1400 Bürgermeister und Mandatsträger anschlossen[5].

Der Gemeinderat von El Port de la Selva begnügte sich als erste Gemeinde nicht mit einem Beschluss zugunsten des Autonomiestatuts. Er erklärte sich darüber hinaus "moralisch aus der spanischen Verfassung ausgeschlossen", denn das Streben nach Selbstbestimmung in Katalonien finde nach dem Urteil des Gerichtshofs keinen Raum mehr innerhalb der Verfassung. Außerdem stellte der Gemeinderat die spanische Souveranität über Katalonien in Frage [6]. Bis Dezember 2010 folgten über 110 weitere Städte und Gemeinden diesem Beispiel, darunter auch neun Hauptorte von Comarcas (Kreisstädte).[7].

Auf gesamtspanischer Ebene begrüßte die PSOE - anders als ihre katalanische Schwesterpartei PSC - das Urteil, mit dem die Verfassungsmäßigkeit des Autonomiestatuts in den zentralen Punkten bestätigt worden sei. Die konservative PP wollte den Ausgang des Verfahrens nicht als Misserfolg gewertet wissen. Auch wenn nur eine einzige Vorschrift für verfassungswidrig erklärt worden wäre, wäre ihrer Ansicht nach die Klage gerechtfertigt gewesen. Die linke IU schloss sich der Kritik der katalanischen Parteien an dem Urteil an.

Quellen

  1. Urteil des Verfassungsgerichts vom 28. Juni 2010 (STC 31/2010) (Spanisch), der Urteilstenor findet sich auf S. 681 - 683
  2. Bericht in SPIEGEL-ONLINE vom 11. Juli 2010
  3. Bericht in AVUI vom 2. Juli 2010
  4. decidim.cat: Manifest der Bürgermeister und Gemeinderäte für Entscheidungsfreiheit
  5. decidim.cat: Aktuelle Liste der unterstützenden Bürgermeister und Gemeinderäte
  6. Bericht in AVUI vom 6. Juli 2010
  7. Berichte in AVUI vom 6. Dezember 2010 mit Nennung der unterstützenden Städte und Gemeinden

Weblinks


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