Rolf Fehlbaum

Rolf Fehlbaum

Rolf Peter Fehlbaum (* 1941 in Basel) ist Präsident des Verwaltungsrats (Chairman of the Board) der Vitra AG, eines im Bereich der Möbelherstellung tätigen Familienunternehmen mit Stammsitz in Birsfelden, Schweiz.

Die Leitung des Unternehmens, das er als «kulturell-wirtschaftliches Projekt» begreift, hatte er 1977 übernommen. Unter seiner Führung entwickelte sich Vitra zu einer bekannten Marke. Dies gelang einerseits durch die Zusammenarbeit mit bedeutenden zeitgenössischen Designern und andererseits durch den Ausbau des Produktionsstandortes im süddeutschen Weil am Rhein zum Vitra Campus, zu dem unter anderem das Vitra Design Museum (1989) und das 2010 eröffnete VitraHaus gehören.

Inhaltsverzeichnis

Ausbildung und erste berufliche Tätigkeiten

Rolf Fehlbaum wurde 1941 als ältester Sohn von Willi und Erika Fehlbaum in Basel geboren. Nach der Matura begann er ein Studium der Sozialwissenschaften in Freiburg im Breisgau, das er später in München, Bern und Basel fortsetzte. Sein Studium schloss er 1967 mit einer Doktorarbeit bei Edgar Salin über den Saint-Simonismus ab, die 1970 unter dem Titel Saint-Simon und die Saint-Simonisten auch als Buch veröffentlicht wurde. Im Anschluss an das Studium arbeitete Rolf Fehlbaum für kurze Zeit im elterlichen Unternehmen. In dieser Zeit gründete er 1968 gemeinsam mit Freunden einen Multiples Verlag namens XartCollection. 1970 zog er nach München, um als Redakteur und Produzent für die Münchener Bavaria Filmgesellschaft zu arbeiten. Zwischen 1973 und 1977 war er als Referent für Aus- und Fortbildung bei der Bayerischen Architektenkammer tätig.

Vitra Chairman

Das von Willi und Erika Fehlbaum gegründete Unternehmen Vitra, das ursprünglich vorwiegend im Bereich des Ladenbaus tätig war, hatte 1957 damit begonnen, die Möbel der amerikanischen Herman Miller Collection (vor allem Entwürfe von Charles Eames und Ray Eames sowie von George Nelson) für den europäischen Markt in Lizenz zu produzieren. 1967 brachte das Unternehmen den revolutionären Panton Chair auf den Markt. Seit Anfang der 1970er Jahre richtete sich Vitra auf den Büromöbelmarkt aus. Die zu dieser Zeit neue Idee, Ergonomie und gutes Design zu verbinden, erwies sich als erfolgreich. 1977 übernahm Rolf Fehlbaum die Leitung von Vitra. In den Folgejahren entstand eine Vielzahl neuer Produkte. 1984 wurde die seit 1957 bestehende Partnerschaft mit Herman Miller einvernehmlich aufgelöst. In der Folge gingen die Rechte an den Entwürfen von Charles und Ray Eames und George Nelson für die Regionen Europa und Naher Osten an Vitra über.

Für die Ausstrahlung des Unternehmens war der 1981 nach einem Grossbrand einsetzende Ausbau des Vitra Produktionsstandortes in Weil am Rhein zum Vitra Campus von grosser Bedeutung. Beauftragt von Fehlbaum entwarfen international bekannte Architekten ein vielgestaltiges Bau-Ensemble, das weit über die Fachkreise hinaus Beachtung fand und zu einem touristischen Highlight in der Region Basel geworden ist. Ein wichtiger Faktor war das von Fehlbaum initiierte Vitra Design Museum. 1989 gegründet und in einem Gebäude von Frank O. Gehry untergebracht, hat es durch sein Ausstellungsprogramm internationale Anerkennung gefunden. Im Kontext der Unternehmensgeschichte war auch die Vitra Editionen von 1987 wichtig. Auf Einladung von Fehlbaum entwarfen Designer und Künstler Möbelobjekte mit meist experimentellem oder manifestartigem Charakter, die in limitierter Stückzahl produziert wurden. In designhistorischer Hinsicht bemerkenswert erscheint daneben das von Fehlbaum 1993 initiierte Forschungs- und Ausstellungsprojekt «Citizen Office. Ideen und Notizen zu einer neuen Bürowelt», das in eine Wander-Ausstellung des Vitra Design Museums mündete. In Kooperation mit Andrea Branzi, Michele De Lucchi, Ettore Sottsass und James Irvine wurde dabei eine Bürovision entwickelt, die auf der damals revolutionären These basierte, dass das Büro nicht nur einen Arbeits-, sondern zugleich einen Lebensraum darstelle. Der daraus folgende Gedanke, bei der Gestaltung von Büros auch die emotionalen und sozialen Bedürfnisse der Angestellten zu berücksichtigen, hat seither bei der Formulierung zeitgemässer Bürokonzepte einen nachhaltigen Einfluss ausgeübt.

Nach dem von den 1970er bis Ende der 1990er Jahre der Fokus von Vitra auf den Bereich der Büromöbel gerichtet war, leitete Fehlbaum um 2002 eine Neuorientierung ein, die auch die Welt des Wohnens einbezog. Im Rahmen eines Diskussionsprozesses mit Jasper Morrison und den Brüdern Ronan & Erwan Bouroullec wurde das auf der Idee der Collage basierende Konzept der Vitra Home Collection entwickelt. Die 2004 lancierte Kollektion umfasst Vitra-Klassiker und zeitgenössische Entwürfe. 2005 zog sich Rolf Fehlbaum aus der operativen Geschäftsleitung von Vitra zurück. Als Verwaltungsratspräsident der Vitra AG ist er weiterhin für die Ausrichtung des Unternehmens mitverantwortlich.

Design und Architektur als Lebensthemen

«Balancing Tools» von Claes Oldenburg und Coosje van Bruggen
Feuerwehrhaus von Zaha Hadid

Bedingt durch die Geschäftsverbindungen seiner Eltern kam Rolf Fehlbaum schon früh in Kontakt zu Designerpersönlichkeiten wie George Nelson oder Charles und Ray Eames - zunächst vor allem als Dolmetscher für seinen Vater. 1960 bot eine mehrmonatige USA-Reise die Gelegenheit zu Begegnungen mit George Nelson in New York, den Eames in Los Angeles und mit Alexander Girard in New Mexico. Vor allem zu Nelson entwickelte sich eine enge Beziehung, die für das Designverständnis von Fehlbaum von prägender Bedeutung war. Bei Herman Miller in Zeeland, Michigan, lernte Fehlbaum ausserdem eine für ihn neuartige, nicht allein auf das Geschäftliche fixierte Unternehmenskultur kennen, die ihn stark beeinflusste.

Schon in den 1960er, verstärkt aber in den 1970er Jahren rückte das italienische Design in den Fokus von Fehlbaums Interesse. Daraus resultierte die 1979 begonnene und bis heute anhaltende Zusammenarbeit von Vitra mit Mario Bellini. Die Verbindung zum italienischen Design blieb wichtig. 1985 begann die Kooperation mit Antonio Citterio. 1994 stiess mit Alberto Meda ein dritter Italiener dazu. Im Einklang mit der allgemeinen Designentwicklung weitete sich Fehlbaums Horizont in den späten 1980er Jahren. Die erste Vitra Edition von 1987 ist dafür ebenso ein Indiz, wie die 1989 einsetzende Zusammenarbeit mit Jasper Morrison. Ähnlich intensive Kooperationen wie mit ihm ergaben sich seither auch mit Maarten van Severen, den Brüdern Ronan und Erwan Bouroullec sowie mit Hella Jongerius. Auch mit einer Reihe von Grafikdesignern arbeitete Fehlbaum über einen langen Zeitraum hinweg zusammen. Pierre Mendell hat über viele Jahre das visuelle Erscheinungsbild von Vitra geprägt und auch die bekannte Wortmarke mit dem Punkt gestaltete. In den 1990er Jahren kam es zu einer intensiven, auch persönlich engen Beziehung mit Tibor Kalman, aus der unter anderem das 1998 erschienene Buch „Chairman Rolf Fehlbaum“ hervorging. Zuletzt ergab sich eine vergleichbare Kooperation mit Cornel Windlin, der die ersten Vitra Home Kataloge entwarf und 2008 mit Fehlbaum die Publikation „Projekt Vitra“ konzipierte, in der die Geschichte, das Selbstverständnis und die Produkte des Unternehmens vorgestellt werden.

Zum zweiten Leitthema von Fehlbaum entwickelte sich die Architektur. Anfang der 1980er Jahre arbeitete er mit Nicholas Grimshaw, den er nach einem Grossbrand auf dem Firmenareal in Weil am Rhein mit dem Neubau von Fabrikationshallen und der Entwicklung eines Masterplans für das Gelände beauftragte. Angeregt durch die Bekanntschaft mit Frank O. Gehry rückte er aber Mitte der 1980er Jahre von der mit Grimshaws Plan verbundenen Idee der Corporate Architecture zugunsten eines pluralistischen Konzeptes ab. Seither entstanden auf dem Weiler Vitra-Areal Bauten von so unterschiedlichen Architekten wie Frank O. Gehry (Vitra Design Museum und Fabrikationshalle, 1989), Zaha Hadid (Feuerwehrhaus, 1993), Tadao Ando (Konferenz-Pavillon, 1993), Alvaro Siza (Fabrikationshalle, 1994), Herzog & de Meuron (VitraHaus, 2010) sowie SANAA (Produktionsgebäude, 2011). Von den beiden jüngsten Projekten abgesehen, handelte es sich um Architekten, die von Fehlbaum beauftragt wurden, bevor sie sich zu jenen internationalen «Stars» entwickelten, als die man sie heute kennt. Seine Wahl in die Jury des Pritzker-Preises, der er von 2004 bis 2010 angehörte, war eine Anerkennung seines Engagement für die zeitgenössische Architektur. Neben seiner Rolle als Unternehmer und Bauherr ist Fehlbaum auch Sammler. Eine in erster Linie aus persönlicher Liebhaberei entstandene Sammlung von japanischen Spielzeug-Robotern dokumentieren sein Interesse an der Alltags- bzw. Populärkultur. Bei der Anfang der 1980er Jahren begonnenen Sammlung industriellen Möbeldesigns spielten hingegen von Anfang an professionelle Motive eine Rolle. Sie bildete den Grundstock für die Sammlung des Vitra Design Museums, deren Ausbau Fehlbaum bis heute aktiv begleitet.

Auszeichnungen (Auswahl)

Werke

  • Saint-Simon und die Saint-Simonisten. Vom Laissez-Faire zur Wirtschaftsplanung. Dissertation, Universität Basel. Kyklos-Verlag, Basel 1970.
  • Cornel Windlin, Rolf Fehlbaum (Hrsg.): Projekt Vitra. Orte, Produkte, Autoren, Museum, Sammlungen, Zeichen; Chronik, Glossar. 2. korrigierte Auflage. Birkhäuser, Basel 2008, ISBN 978-3-7643-8592-7.[1]

Literatur

  • Uta Brandes (Hrsg.): Rolf Fehlbaum, Vitra. Vom Umgang mit Design, Gegenwart und Ökonomie. Steidl, Göttingen 1991, ISBN 3-88243-196-2.
  • Tibor Kalman: Chairman Rolf Fehlbaum. Müller, Baden 1997, ISBN 3-907044-46-0 (der Einband ist im Stil einer Mao-Bibel oder der «Worte des Vorsitzenden Mao» gestaltet[2][3]).
  • Kai-Uwe Scholz: Besuch bei Rolf Fehlbaum: der Vitra-Chef im Interview. In: Design-Report. Nr. 11, 2002, ISSN 0932-3724, S. 46–49 (Online-Text).

Film

  • Der Magier der Stühle. Rolf Fehlbaum und sein Vitra-Design. Dokumentation, Deutschland, 1996, 45 Min., Buch und Regie: Horst Schäfer, Produktion: Südwestfunk Mainz, Erstausstrahlung: 31. Mai 1997

Weblinks

Interviews

Einzelnachweise

  1. Besprechung von «Projekt Vitra»: Schrecklich, diese vielen Bürodesaster! FAZ, 29. Februar 2008, S. 41
  2. Kai-Uwe Scholz: Thronerbe, Sitzriese, in: mobil, 2002, Nr. 10, S. 10-11, ISSN 0949-586X
  3. Buch-Umschlag: Chairman Rolf Fehlbaum

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