- Yasmina Reza
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Yasmina Reza (* 1. Mai 1959 in Paris) ist eine französische Schauspielerin und Schriftstellerin. Insbesondere durch ihre Stücke „Kunst“ und „Drei Mal Leben“ wurde sie in den vergangenen zehn Jahren zur weltweit meistgespielten zeitgenössischen Dramatikerin.
Inhaltsverzeichnis
Herkunft und Familie
„Mein Leben verlief durch und durch banal“, sagt Reza über sich selbst. „Ich bin in Paris geboren, ging in Paris zur Schule, habe in Paris studiert. […] Was allerdings weniger banal ist, ist meine Herkunft […]“. Yasmina Reza stammt aus einer weitverzweigten jüdischen Familie. „Mein Vater war Iraner, meine Mutter Ungarin, meine Großeltern liegen irgendwo in Amerika begraben“. Vor allem die Familie ihres Vaters blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Als sephardische Juden war sie bis vor etwa 500 Jahren in Spanien ansässig, emigrierten von dort nach Persien, Ende des 19. Jahrhunderts nach Moskau, und 1918 schließlich – in den Wirren der russischen Revolution – nach Paris. Unter dem Anpassungsdruck konvertierten sie über die Jahrhunderte zeitweise – wenigstens äußerlich – zum Katholizismus und zum Islam, und ihr Familienname wandelte sich von Gedaliah (spanisch) über Reza (arabisch) zu Rezaiov (russisch) und schließlich zurück zu Reza und – für den israelischen Zweig der Familie – zu Gedaliah.
Yasmina Reza wuchs in Paris, der Wahlheimat ihrer Großeltern, auf – „mit wunderbaren Eltern, in kultivierten und wohlhabenden Bedingungen“. Musik hatte einen besonderen Stellenwert im Familienleben. Ihre Mutter war Violinistin, ihr Vater – von Beruf Ingenieur – spielte Klavier. „Ich würde meine Familie sicher nicht als Musikerfamilie bezeichnen, aber als Familie von passionierten Musikliebhabern. Mein Vater pflegte sich im Morgenmantel vor uns Kinder zu stellen und Beethovens Fünfte zu dirigieren, während dazu die Aufnahme mit den Berliner Philharmonikern lief“.
Yasmina Reza lebt in Paris und hat eine Tochter und einen Sohn.
Künstlerische Entwicklung
Nach ihrem Schauspielstudium – zunächst an der Universität Paris X beziehungsweise Universität Paris-Nanterre, später an der Ecole Internationale de Théâtre Jacques Lecoq von Jacques Lecoq – hatte Reza zahlreiche Engagements auf französischen Bühnen in Stücken zeitgenössischer und klassischer Autoren. 1987 begann sie dann selbst zu schreiben. „Ich liebte das Theater, und ich liebte die Sprache, also war es logisch, für das Theater zu schreiben“. Die Erfolge ließen nicht auf sich warten. Bereits ihre ersten beiden Stücke wurden mit dem renommierten französischen Theaterpreis Molière ausgezeichnet. Ihr drittes, „Kunst“, avancierte zum absoluten Welterfolg. Es erhielt mehrere Preise, auch internationale (darunter den Tony Award und den Laurence Olivier Award) und war ihr Durchbruch zur weltweit meistgespielten zeitgenössischen Dramatikerin. Mit der wachsenden Berühmtheit als Bühnenautorin blieben Angebote an die Schauspielerin Yasmina Reza aus – mit Ausnahme eines eher zufälligen Engagements in der Pariser Erst-Inszenierung ihres zweiten großen Theatererfolgs, „Drei Mal Leben“. Seitdem hält sie es für möglich, in einem ihrer Stücke vielleicht einmal Regie zu führen.
Ende der 90er Jahre erweiterte Reza ihr Œuvre durch Drehbücher und Prosa. Auf die Frage, ob sie beim Wechsel zur Prosa größere Freiheiten gesucht habe, antwortete sie, damit sei es
ein bisschen wie mit dem Leben: Es gibt tausend Möglichkeiten, aber die wenigsten davon lassen sich realisieren. Wenn man sich beim Schreiben nicht früh genug auf gewisse Dinge konzentriert, verwandelt sich die totale Freiheit schnell in Seenot. Deshalb mag ich Vorgaben, auch und gerade bei der Prosa. In der Schule wurde uns manchmal die Aufgabe gestellt, eine Geschichte mit einer bestimmten Anzahl Wörtern, einer bestimmten Anzahl Figuren und einem einzigen Schauplatz zu erfinden – ich liebte das.
Genau deshalb ist und bleibt das Drama ihre favorisierte Gattung.
Das moderne Theater ist gewissermaßen der Gipfel an Vorgaben, das Königreich der Konzentration. Sie können nicht 400 Leute auf die Bühne stellen, Sie können nicht kommentieren, was die Figuren sagen, nicht korrigieren, was sie denken, Sie verfügen nur über begrenzte Zeit. Die Kunst besteht darin, innerhalb dieses fixen Rahmens die größtmögliche Phantasie zu entwickeln.
Im Zusammenhang mit dem Kosmopolitismus ihrer Familie bekannte Reza, ihre einzige Heimat sei die französische Sprache. Das habe auch Einfluss auf ihren Schaffensprozess, darauf, was ihr beim Schreiben wichtig sei. „Wie auf der Bühne geredet wird, interessiert mich mehr, als was da geredet wird. Es kommt häufig vor, dass ich Wörter verwende, weil sie an einer bestimmten Stelle gut klingen, und nicht, weil sie an dieser bestimmten Stelle richtig sind“. Diese besondere Affinität zum Klang der Sprache korrespondiert mit ihrer Wertschätzung für die Musik („ich halte die Musik für die größte aller Künste“), führt aber nicht zum l'art pour l'art. Gerade ihre besten Stücke sind inhaltsreich und konfliktgeladen, ihre Figuren lebendig und emotional.
Ein verbindendes Element fast aller ihrer Hauptfiguren ist deren Herkunft aus einem großbürgerlich jüdischen Milieu, ein anderes ihr Bezug zu den Künsten. Beides deutet auf einen autobiografischen Hintergrund, zu dem sich Reza auch ausdrücklich bekennt. „Ich glaube, dass man wirklich gut nur über seine eigenen Obsessionen schreiben kann“. Allerdings bedeutet das für sie nicht, Erlebtes zu beschreiben, sondern Möglichkeiten zu erkunden. „Für mich ist Schreiben eine Erforschung des Menschlichen, ein Erschließen des Unbekannten. Das Schreiben erlaubt mir, andere Leben zu leben“.
In ihre Dramen werden häufig Einflüsse Tschechows gedeutet, was Reza höchstens für ihre ersten beiden Stücke gelten lässt. Die gängige Zuordnung zum Boulevardtheater (häufig in Deutschland) weist sie entschieden zurück. Zu dieser Etikettierung kommt es am ehesten dann, wenn seitens der Inszenierung aus Rezas Witz Klamauk gemacht, wenn nicht wahrgenommen wird, wie vielschichtig ihre Stücke, wie nah auch am tödlichen Ernst sie sind.
Ihr Verhältnis zum Lachen und Glücklichsein beschreibt Reza so:
„Ich lache gern, aber das bedeutet nicht, dass ich in dem Moment auch glücklich bin. […] Die geistreichsten Menschen sind immer Pessimisten. Sie sind auch die humorvollsten. Ich habe noch nie mit einem Optimisten richtig gelacht. […]Die Aufgabe der Kunst ist es, ein zusätzliches Licht auf das Leben zu werfen und unserem an sich doch ziemlich trübseligen Dasein ein bisschen Glanz zu verleihen. Die Kunst soll den Menschen in eine Dimension versetzen, die über dem Alltag steht, sie soll ihn klüger machen. Ob der Mensch dadurch auch glücklicher wird, wage ich zu bezweifeln.“
Mit "Frühmorgens, abends oder nachts" („L'aube le soir ou la nuit", 2007) schrieb sie eine lange Reportage über Nicolas Sarkozy, den sie während des Präsidentschaftswahlkampfes ein Jahr lang begleitete.
Theaterstücke
- Gespräche nach einer Beerdigung („Conversations après un enterrement“, 1987), Prix Molière
- Reise in den Winter („La Traversée de l'hiver“, 1989)
- Kunst („Art“, 1994), Prix Molière, Tony Award 1998, in 40 Sprachen übersetzt. 1994 in Paris uraufgeführt. Deutsch von Eugen Helmlé. ISBN 978-3-905707-22-9
- Der Mann des Zufalls („L'homme du hasard“, 1995)
- Drei Mal Leben („Trois versions de la vie“, 2000), Uraufführung am Burgtheater in Wien, Regie: Luc Bondy. Übersetzt von Eugen Helmlé. ISBN 978-3-909081-87-5
- Ein spanisches Stück („Une pièce espagnole“, 2004). Deutsch von Frank Heibert und Hinrich Schmidt-Henkel. ISBN 978-3-909081-98-1
- Ein Grammophon („Une lumière“, 2006)
- Der Gott des Gemetzels („Le dieu du carnage“, 2006), Uraufführung am Schauspielhaus Zürich, Regie: Jürgen Gosch. Deutsch von Frank Heibert und Hinrich Schmidt-Henkel. ISBN 978-3-905707-15-1
Prosa
- Hammerklavier. Eine Sonate, 1998. Deutsch von Eugen Helmlé. ISBN 3-250-60023-7
- Eine Verzweiflung („Une Désolation“, 1999), 2001. Deutsch von Eugen Helmlé. ISBN 3-446-19978-0
- Adam Haberberg („Adam Haberberg“, 2004), 2005. Deutsch von Frank Heibert und Hinrich Schmidt-Henkel. ISBN 3-446-20575-6
- Im Schlitten Arthur Schopenhauers („Dans la luge d'Arthur Schopenhauer“, 2005), 2006. Übers. von Frank Heibert und Hinrich Schmidt-Henkel ISBN 3-446-20720-1
- Nulle part, 2005
- Frühmorgens, abends oder nachts („L'aube le soir ou la nuit", 2007), 2008. Übers. von Frank Heibert und Hinrich Schmidt-Henkel. ISBN 3-446-23029-7
Drehbücher
- Das Picknick von Lulu Kreutz („Le Pique-Nique de Lulu Kreutz“), 2000, mit verfilmt von Rezas Lebensgefährten Didier Martiny mit Philippe Noiret. Deutsche Buchausgabe übersetzt von Frank Heibert und Hinrich Schmidt-Henkel. ISBN 978-3-905707-18-2
- Jusqu'à la nuit, 1983
Weitere Auszeichnungen
- 2005 WELT-Literaturpreis
- 2009 Tony Award 2009
Weblinks
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