Eden-Hypothese nach David Rohl

Eden-Hypothese nach David Rohl

Der Garten Eden gilt in den Überlieferungen der drei großen monotheistischen Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam als der Ort des paradisischen Urzustands vor dem Sündenfall, das heißt vor dem Eintritt der Menschheit in das leidvolle, sterbliche Weltgeschehen. Seine Bedeutung und sein Realitätswert können dabei sehr unterschiedlich interpretiert werden.

Der britische Ägyptologe David Rohl hält den Garten Eden für einen historisch realen Ort. Rohl veröffentlichte seine Eden-Hypothese 1998 in dem Buch Legend: The Genesis of Civilisation. David Rohls Eden-Hypothese enthält zwei Konzepte. Das erste Konzept verankert die Idee vom Garten Eden in einem bestimmten kulturhistorischen Umfeld – mit den Sumerern wird eine historisch fassbare Kultur vorgestellt, in der die Eden-Motive entwickelt und überliefert worden sein soll. Das zweite Konzept der Eden-Hypothese verortet den Garten Eden in realer Geographie – mit der Ebene von Miandoab wird eine noch heute begehbare Region vorgestellt, in der einst der Garten Eden gelegen haben soll.

Rohls Eden-Hypothese stellt dabei nur einen unteren mehreren Versuchen dar, den Garten Eden in einer realen Weltgegend auszumachen. Sie kann umfangreich kritisiert werden.

Inhaltsverzeichnis

Die Eden-Motive der Rohl-Hyptothese

"noch gab es keinen Menschen, den Erdboden zu bebauen" Gen 2,5 ELB

"Und zum Menschen sprach Jahwe Elohim[1]: Weil du auf die Stimme deiner Frau gehört und gegessen hast von dem Baum, von dem ich dir geboten habe: Du sollst davon nicht essen! - so sei der Erdboden deinetwegen verflucht: Mit Mühsal sollst du davon essen alle Tage deines Lebens; und Dornen und Disteln wird er dir sprossen lassen, und du wirst das Kraut des Feldes essen! Im Schweiße deines Angesichts wirst du dein Brot essen, bis du zurückkehrst zum Erdboden ... Und Jahwe Elohim schickte ihn aus dem Garten Eden hinaus, den Erdboden zu bebauen, von dem er genommen war." (Genesis 3,17–19, 23 ELB)

Rohl deutet die Vertreibung aus dem Paradies als mythologisierte Nacherzählung eines bestimmten Ereignisses – nämlich des Übertritts vom Epipaläolithikum zum Neolithikum. Diese Idee ist an sich nicht neu und entspricht der verbreiteten, historischen Deutung der Eden-Erzählungen. In seinen Veröffentlichungen bringt Rohl die Ursprünge der Eden-Erzählung, die Eden-Motive, jedoch mit der Neolithisierung eines ganz bestimmten Volkes in Verbindung, nämlich mit den Sumerern. Allerdings treten Kulturen, die als Vorfahren der bronzezeitlichen Sumerer in Frage kommen könnten, erst mit der Samarra-Kultur im 7. Jahrtausend v. Chr. oder der darauf folgenden Obed-Kultur im frühen 6. Jahrtausend v. Chr. in Erscheinung[2]. Zu jener Zeit hatten sich an anderer Stelle im Alten Orient bereits seit dreitausend Jahren neolithische Kulturen etabliert[3].

Geographische Verortung der Region Eden

Mesopotamien und umliegende Gebiete.

Als Eden wird die Ebene von Miandoab ausgewiesen. Sie erstreckt sich in der Region Aserbaidschan im Nord-Iran. In dem Bereich befindet sich der Urmia-See. Eden wird als Teil des alten Reiches Aratta interpretiert, das zumindest die Ebene von Miandoab und das Land Hawila umfasst haben müsste.

"Und ein Strom geht von Eden aus, den Garten zu bewässern; und von dort aus teilt er sich und wird zu vier Häuptern. Der Name des ersten ist Pischon; der fließt um das ganze Land Hawila, wo das Gold ist; und das Gold dieses Landes ist gut; dort gibt es Bedolach-Harz und den Schoham-Stein. Und der Name des zweiten Flusses ist Gihon; der fließt um das ganze Land Kusch. Und der Name des dritten Flusses ist Hiddekel; der fließt gegenüber von Assur. Und der vierte Fluss, das ist der Perat" (Gen 2,10-14 ELB)

In den vier Häuptern (hebr. roschim (Gen 2,10 ELB)) liest Rohl vier Quellen. Denn Häupter kann auch mit Anfänge übersetzt, die vier Häupter könnten also als vier Fluss-Anfänge, sprich als vier Quellen gedeutet werden. Eden müsste sich demnach dort befinden, wo die Flüsse Pischon, Gihon, Hiddekel und Perat entspringen. Rohl identifiziert die Flüsse von Eden folgendermaßen:

  • Perat: Der hebräische Name für den Euphrat.
  • Hiddekel: Nahe von Assur floss der Tigris.
  • Gihon: Der Fluss Aras. Noch im 7. Jahrhundert war der Aras unter dem Namen Gihun geläufig. Zudem heißt ein Berg in der Nähe Kuscha-Dagh (Berg von Kusch). Das lässt darauf schließen, dass die Region am Fluss Aras einst unter dem Namen Kusch bekannt war.
  • Pischon: Der Fluss Qizil Uzan (Sefid Rud). Wörter mit U-Beginn können sich zu Wörtern mit P-Beginn wandeln, wenn sie in eine semitische Sprache gelangen. Dies kann anhand einer archäologischen Fundstätte belegt werden, die im Iranischen Uschteri, aber im Arabischen Pisdeli genannt wird. Der Name Pischon wäre dann eine hebräische Ableitung des altiranischen Fluss-Namens Uzan. Darüber hinaus wird im Sefid Rud noch heute Gold gefunden (vergleiche Gen 2,11-12 ELB).
  • Ursprungsfluss in Eden: Im Altertum könnte der Urmia-See als Quelle der vier Flüsse vermutet worden sein. Immerhin bedeutet der Name Urmia im Altsyrischen in etwa Wiege des Wassers. Zudem mündet der Adji Chay – der kleine Fluss, der nach Ansicht von Rohl durch den Garten von Eden floss, in diesen See.

Die Regionen unmittelbar östlich der Ebene von Miandoab heißen Oberes Nochdi und Unteres Nochdi. Nochdi kann aus dem Iranischen übersetz werden mit bei Noch. David Rohl bringt dieses Wort in Beziehung zum biblischen Nod: "So ging Kain weg vom Angesicht des Jahwe[1] und wohnte im Land Nod, östlich von Eden." (Gen 4,16 ELB)

Kritik an der Eden-Hypothese

David Rohls Eden-Hypothese hat unter Laien eine gewisse Verbreitung gefunden. Von der akademischen Welt scheint sie weitgehend ignoriert worden zu sein. Zuletzt wurde sie in einem Sonderheft des deutschsprachigen National Geographic erwähnt[4], das vom Theologen und biblischen Archäologen Wolfgang Zwickel wissenschaftlich beraten wurde.[5] Dort wird sie jedoch nur als eine unter mehreren vorstellbaren Verortungen angegeben. Andere Möglichkeiten wären versunkene Inseln in der Straße von Hormus oder aber der nördliche Abschnitt des Fruchtbaren Halbmonds, was von Wolfgang Zwickel selbst favorisiert wird.

Weiterhin lässt David Rohl außer Acht, dass die Sumerer auch eine bestimmte Landschaft kannten, die sie Gu-an Eden nannten - ein Name, der sehr an das hebräische Gan Eden (Garten Eden) erinnert. Diese Landschaft lag jedoch nicht am Urmia-See, sondern am Rand von Südmesopotamien (siehe Eden (Mesopotamien)).

Darüber hinaus ist umstritten, ob das Reich von Aratta tatsächlich um die Ebene von Miandoab herum lag, wie es David Rohl für seine Eden-Hypothese annimmt. Andere Forscher lokalisieren es an anderen Orten des mittleren Ostens. Augenblicklich wird dabei häufig an Fundstätten in der Stadt Jiroft im Südostiran gedacht.[6]

Außerdem gibt es zu den biblischen Eden-Erzählungen eine Menge Sekundärliteratur, die durchaus Kritikpunkte an Rohls Eden-Hypothese liefern kann, obwohl sie sich nicht direkt auf Rohl bezieht:

  • Abzweigstellen statt Quellen: Es ist umstritten, ob die vier Häupter (hebr.roschim) der vier Flüsse aus Eden adäquat mit Quellen übersetzt werden können. Sehr exakt übersetzt sind die vier Häupter keine Quellen, sondern Flussabzweigungen.[7] Dass sich ein Fluss in vier große Flüsse aufzweigt, ist hydromorphologisch unmöglich. Es sei denn, der Autor der Eden-Erzählung hätte von einem Flussdelta schreiben wollen. Dann hätten die Flüsse aber nicht mehr durch vier verschiedene Länder fließen können.[8]
  • Nachträgliche Einfügung der Paradiesgeographie: Es gibt die Meinung, dass die Angaben aus Gen 2,10-14 EU nachträglich in die Erzählung eingefügt worden sind.[9][10] Dann würden sie wahrscheinlich an Relevanz verlieren, wenn nach einer eventuell historisch realen Lage für Eden gesucht wird. Diese Meinung ist jedoch nicht unwidersprochen.[11]

Literatur

  • Bar-Yosef O: The Natufian Culture in the Levant, Threshold to the Origins of Agriculture. In: Evolutionary Anthropology 6 (1998): 159-177. URL: http://www.columbia.edu/itc/anthropology/v1007/baryo.pdf
  • Black JA, Cunningham G, Ebeling J, Flückiger-Hawker E, Robson E, Taylor J, Zólyomi G: The Electronic Text Corpus of Sumerian Literature. Oxford, 1998 - 2006. URL: http://etcsl.orinst.ox.ac.uk/
  • Halloran JA: Sumerian Language Page. Los Angeles, 1996 - 2009. URL: http://www.sumerian.org/
  • Roaf M: Weltatlas der Alten Kulturen · Mesopotamien. München, 1991
  • Westermann C: Genesis 1 – 11. Neukirchen-Vluyn, 1974

Einzelnachweise

  1. a b Westermann C: Genesis 1–11. Neukirchen-Vluyn, 1974: 270-271
  2. Magen U: Epocheneinteilung Großmesopotamien (mittlere Chronologie, Daten v. Chr.). Frankfurt, 2001. URL: http://web.uni-frankfurt.de/fb09/vorderasarch/Unterlagen/EpochenMesopotamien.pdf
  3. Jacomet S: Chronologie und Stratigraphien: Epipaläolithikum - Frühes Neolithikum Naher Osten, inkl. Zypern und Griechenland. Basel, 2009. URL: http://pages.unibas.ch/arch/archbot/pdf/Chronologie_NearEast_overview_short_2009.pdf
  4. Der Garten Eden In: National Geographic Sonderedition - Die großen Mythen der Bibel (2009): 8-35
  5. National Geographic Sonderedition - Die großen Mythen der Bibel (2009): 4
  6. Schulz M: Vergessene Botschaft. In: Der Spiegel 3 (2010): 105 f.
  7. Westermann C: Genesis 1–11. Neukirchen-Vluyn, 1974: 295
  8. Grotzinger J, Jordan TH, Press F, Siever R: Allgemeine Geologie. Heidelberg, 2008: 519
  9. Pfeiffer H: Eden - 3. Zur Lage von Eden. In: Bauks M, Koenen K (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet. Stuttgart 2007. URL: http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/details/quelle/WIBI/referenz/16807///cache/de8d01a4e4/#h3
  10. Pfeiffer H: Paradies / Paradieserzählung - 2.2.3. Bearbeitungen. In: Bauks M, Koenen K (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet. Stuttgart 2007. URL: http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/details/quelle/WIBI/referenz/29971///cache/1210daebd2/#h12
  11. Westermann C: Genesis 1–11. Neukirchen-Vluyn, 1974: 293-294

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