Gemeiner Rettich-Helmling

Gemeiner Rettich-Helmling
Gemeiner Rettich-Helmling
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Gemeiner Rettich-Helmling (Mycena pura)

Systematik
Klasse: Ständerpilze (Basidiomycetes)
Unterklasse: Hutpilze (Agaricomycetidae)
Ordnung: Blätterpilze (Agaricales)
Familie: Helmlingsartige (Mycenaceae)
Gattung: Helmlinge (Mycena)
Art: Gemeiner Rettich-Helmling
Wissenschaftlicher Name
Mycena pura
(Persoon 1794 : Fries 1821) Paul Kummer 1871

Der Gemeine Rettich-Helmling (Mycena pura) ist ein sehr häufiger, schwach giftiger Pilz aus der Familie der Ritterlingsartigen (Tricholomataceae).

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Die Fruchtkörper haben eine variable Erscheinung. Der Hut misst 1,5 bis 5, selten bis 8 Zentimeter im Durchmesser, ist anfangs kegelig, später gewölbt bis ausgebreitet. Er hat meist einen von einer konzentrischen Vertiefung erzeugten stumpfen Buckel und teils einen hochgebogenen Rand. Sein Rand ist meist durchscheinend gerieft, die Oberfläche ist glatt glänzend und ändert bei Feuchtigkeit ihr Aussehen (Hygrophanität). Die Färbung ist typischerweise blasslila, jedoch extrem variabel mit teils allen möglichen Rosa-Tönen, gelb-weißlich, rötlich, fleischfarben, violett, bläulich-grau … Die Lamellen sind etwas blasser als die Hutoberfläche, breit, am Grund adrig verbunden, stehen untermischt und sind ausgebuchtet am Stiel angewachsen. Ihre Schneiden sind bauchig geformt und schwach gekerbt. Der Stiel wird 4 bis 7 Zentimeter lang und 2 bis 8 Millimeter stark, ist brüchig und fein längsfaserig beschaffen, jung vollfleischig, dann ausgestopft und später hohl und zur Basis hin verdickt. Die Farbe ist ähnlich der der Hutoberfläche oder blasser. Das Fleisch ist sehr dünn, brüchig, wässrig, meist graulila gefärbt und riecht und schmeckt charakteristisch nach Rettich.

Mikroskopische Merkmale

Die Sporen sind durchscheinend (hyalin), lang ellipsoid geformt, glatt und messen 5 bis 8,5, selten bis 10 auf 2,5 bis 4,5 Mikrometer. Sie können mit Jodreagenzien angefärbt werden (Amyloidität). Sie wachsen zu viert an den Basidien. Cheilo- und Pleurozystiden sind selten bis im Überfluss vorhanden und messen 40 bis 70 auf 10 bis 20 Mikrometer.

Verwechslungsmöglichkeiten

Für Verwechslungen kommen andere nach Rettich riechende Helmlinge sowie der Duftende, der Schwarzgezähnelte und der Rosa Rettich-Helmling (Mycena rosea), eine Farbvariante des Erdblättrigen Risspilzes (Inocybe geophylla) und einige Lacktrichterlinge in Frage. Der Duftende Rettichhelmling (Mycena diosma) riecht süsslich, blütenartig, nach Zigarrenkisten oder auch nach Weihrauch und hat wahrscheinlich besonders wenige Pleurozystide. Der Rosa Rettich-Helmling (Mycena rosea) hat glockige, nicht konzentrisch vertiefte Hüte. Der Schwarzgezähnelte Rettich-Helmling (Mycena pelianthina) hat schwarze Lamellenschneiden. [1][2][3]

Verbreitung und Ökologie

Er lebt als Saprobiont in Laub- und Nadelwäldern und ist pH-indifferent. Er ist vermutlich weltweit verbreitet[4] und in Europa einer der häufigsten Pilze überhaupt.[5] Er fruktifiziert von Mai bis November.

Toxikologie, Inhaltsstoffe und Nutzung

Die Rettichhelmlinge enthalten alle möglicherweise unter den Farbvarianten unterschiedliche, geringe Mengen des psychoaktiven Giftes Muscarin davon und haben kaum Substanz. Sie eignen sich daher kaum für einfache Speisezwecke. Die Toxizität ist umstritten. Früher wurde der Pilz als essbare Art in Pilzbüchern geführt, heute als (schwach) giftig. Er produziert möglicherweise weitgehend physiologisch inaktive Muscarin-Isomere.[6] In einer aktuellen Untersuchung konnte bei var. rosea (Rosa Rettich-Helmling) gar kein Muscarin nachgewiesen werden.[7]

Weiterhin reichert er Bor an.[8]

Systematik und Taxonomie

Die offizielle Erstbeschreibung stammt von Christian Hendrik Persoon, der sie in einem 1794 veröffentlichten Werk als Agaricus prunus beschrieb. Auf Paul Kummers 1871 veröffentlichten „Führer in die Pilzkunde“ gehen die aktuelle wissenschaftliche Bezeichnung und Einordnung zurück.[9]

Unter anderem da die Fruchtkörper sehr variabel erscheinen, sind viele Varietäten und Formen des Pilzes beschrieben, die aber auch von Experten nicht zuverlässig auseinandergehalten werden können:

  • Varietät alba (Gillet)
  • Varietät carnea (Rea)
  • Varietät ianthina (Gillet)
  • Varietät lutea (Gillet)
  • Varietät luteorosa (Bon)
  • Varietät multicolor (Bresadola)
  • Varietät purpurea (Gillet)
  • Varietät rosea ([Persoon 1801] J. E. Lange)
  • Varietät roseoviolacea (Gillet 1876 [„roseo-violacea“])
  • Varietät violacea (Gillet)
  • Form alba ([Gillet 1876] Arnolds)
  • Form ianthina ([Gillet 1876] Maas Geesteranus)
  • Form lutea ([Gillet 1876] Arnolds) hat gelbliche Hüte und violette Stiele
  • Form multicolor hat graublau-grünliche Hüte und purpurrosafarbene Stiele
  • Form purpurea ([Gillet 1876] Maas Geesteranus)
  • Form roseoviolacea ([Gillet 1876] Maas)
  • Form subaquosa hat weiße Fruchtkörper mit violettlichen Lamellen
  • Form violacea

Es wird vermutet, dass die Art bei näherer phylogenetischer Erbgutuntersuchung aufgeteilt werden muss. In einer genetischen Untersuchung des ribosomalen Erbgutes konnten abgrenzbare Stämme ausgemacht werden, die jedoch nicht mit makroskopischen Merkmalen wie der Hutfarbe korrespondieren. Es werden daher Umwelteinflüsse als Ursache der Farbvariationen vermutet.[10] Unter anderem auch durch diese Untersuchung gestützt wird eine von German Josef Krieglsteiner und Helmut Schwöbel in einer 1982 erschienenen Veröffentlichung vorgeschlagene eigenständige Art namens Mycena diosma, die gewisse Anerkennung genießt. Sie unterscheidet sich nach den Autoren durch besonders lebhafte Farben und Geruch; nach vorgenannter genetischer Untersuchung könnte die Spärlichkeit der Pleurozystiden ein Unterscheidungsmerkmal darstellen.

Weblinks

 Commons: Mycena pura – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen

  1. Hans E. Laux: Der große Kosmos-Pilzführer. Alle Speisepilze mit ihren giftigen Doppelgängern. Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co., Stuttgart 2001, ISBN 978-3440124086, S. 214.
  2. Hans E. Laux: Essbare Pilze und ihre giftigen Doppelgänger. Pilze sammeln – aber richtig. Kosmos Verlags-GmbH, Stuttgart 2005, ISBN 978-3440102404, S. 48.
  3. Markus Flück: Welcher Pilz ist das?. 3 Auflage. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart Juni 2009, ISBN 978-3-440-11561-9, S. 215.
  4. http://eol.org/pages/1017425
  5. Erhebungen der Österreichischen Mykologischen Gesellschaft
  6. René Josef Stadelmann, Conrad Hans Eugster, Emil Müller: Über die Verbreitung der stereomeren Muscarine innerhalb der Ordnung der Agaricales. In: Helvetica Chimica Acta. 59, Nr. 7, 3. November 1976, S. 2432–2436, doi:10.1002/hlca.19760590718.
  7. Silke Peters, Peter Spiteller: The Mycenarubins A and B, Red Pyrroloquinoline Alkaloids from the Mushroom Mycena rosea. In: European Journal of Organic Chemistry. 2007, Nr. 10, S. 1571–1576, doi:10.1002/ejoc.200600826.
  8. Y. Vetter: Boron content of edible mushrooms of Hungary. In: Zeitschrift für Lebensmittel-Untersuchung und Forschung. 201, Nr. 6, Dezember 1995, S. 524–527 (PMID 8585328).
  9. Paul Kummer: Der Führer in die Pilzkunde. Anleitung zum methodischen, leichten und sichern Bestimmen der in Deutschland vorkommenden Pilze mit Ausnahme der Schimmel- und allzu winzigen Schleim- und Kern-Pilzchen. Verlag von E. Luppe's Buchhandlung, Zerbst 1871, S. 107 (http://www.archive.org/details/derfhrerindiep00kumm).
  10. Christoffer Bugge Harder, Thomas Læssøe, Rasmus Kjøller, Tobias G. Frøslev: A comparison between ITS phylogenetic relationships and morphological species recognition within Mycena sect. Calodontes in Northern Europe. In: Mycological Progress. 9, Nr. 3, Springer, S. 395-405, doi:10.1007/s11557-009-0648-7.

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