Domkapitel

Domkapitel
Kapitel der Sint-Salvator-Kathedrale in Brügge

Das Domkapitel (von lat. capitulum) – seltener auch in Abgrenzung zu Stiftskapitel Kathedralkapitel genannt – ist das leitende Gremium an katholischen Bischofskirchen. Es besteht aus dazu erwählten Geistlichen. Ist die Bischofskirche Sitz eines Erzbischofs oder Metropoliten, so wird das Domkapitel auch als Metropolitankapitel bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Aufgaben

Das Domkapitel unterstützt den Bischof als eigenständige juristische Person in der Leitung des Bistums. In bestimmten Angelegenheiten hat es ein Zustimmungs- oder Beratungsrecht. Das Gremium besteht aus dem Dompropst, Domdechant oder Domdekan (den sogenannten Dignitäten oder Dignitären, zu denen in einzelnen Kapiteln auch noch weitere, z. B. der Domkustos, Domscholaster, Domkantor), residierende und nichtresidierenden Mitglieder aus anderen Regionen des Bistums gehören. Dem erweiterten Domkapitel können Ehrendomherren (Ehrendomkapitulare) angehören, die vom Bischof ernannt werden. Eine seiner wichtigsten Aufgaben ist es, nach dem Amtsverzicht oder Tod eines Bischofs – also mit Eintritt der Sedisvakanz – den zwischenzeitlichen Diözesanadministrator zu wählen und dem Papst eine Liste von Kandidaten für das Bischofsamt zu unterbreiten. Die eigentliche Hauptaufgabe des Domkapitels ist es aber, das Chorgebet und die Liturgie an der Kathedralkirche zu pflegen.

Geschichte

Die Domkapitel entstanden bereits seit dem 9. Jahrhundert, später dort, wo Bistümer gegründet wurden. Sie lagen im Bereich der Domimmunität oder Domfreiheit, unterstanden also nicht der jeweiligen weltlichen Herrschaft über den Ort ihres Sitzes. Neben dem regelmäßigen Chorgottesdienst in der Kathedrale gehörte zu den Aufgaben eines Domkapitels die Beratung und Unterstützung des Bischofs in Diözese (geistlicher Herrschaftsbereich) und Hochstift (weltlicher Herrschaftsbereich). Im Verlauf des 12. Jahrhunderts formierten sich die Domkapitel zu exklusiven Wahlkollegien mit dem Recht zur Bischofswahl. Dieses Recht ging den meisten Domkapiteln bis zum Ende des 13. Jahrhunderts zu Gunsten päpstlicher Provisions- und landesfürstlicher Nominationsrechte wieder verloren. Die Mitglieder des Domkapitels bildeten im Frühmittelalter eine Lebensgemeinschaft, die derjenigen einer benediktinischen Mönchsgemeinschaft nicht unähnlich war. Im Hochmittelalter wurden die Gemeinschaften zumeist erheblich lockerer organisiert. Die Mitglieder der meisten Domkapitel waren in Mittelalter und früher Neuzeit überwiegend nachgeborene Söhne adeliger und ritterlicher Familien.

Das Konzil von Trient beendete den Versuch der Kanoniker, das Visitationsrecht des jeweiligen Bischofs gegenüber dem Domkapitel zu beschneiden und ordnete an, dass wenigstens die Hälfte der Kanoniker Priester sein sollten und ebenfalls die Hälfte einen akademischen Grad in Theologie oder dem kanonischen Recht haben solle. Zudem verlangte es die Bestellung eines Domtheologen und eines Bußkanonikers und beschnitt die Stellung der Domkapitel während der Sedisvakanz, in dem es ihnen auferlegte, innerhalb von acht Tagen einen Kapitelsvikar zu bestellen, der die Diözese anschließend unabhängig vom Domkapitel zu verwalten hatte.

Im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts wurde das Recht zur Bischofswahl in einer Vielzahl von Ländern mittels Konkordaten zwischen dem Heiligen Stuhl und den Regierungen neu festgelegt. In der Regel unterbreitet das jeweilige Domkapitel dem Papst eine Liste von Kandidaten für das Bischofsamt, aus denen dieser dann den Bischof ernennt.

Siehe auch: Domkapitel im Fürstbistum Paderborn, Mainzer Domkapitel, Kölner Domkapitel, Mindener Domkapitel, Wormser Domkapitel

Reformation

In vielen lutherischen Gebieten bestanden die Domkapitel auch über die Reformation hinaus. In einigen Fällen, wie in Halberstadt oder Minden, blieb das Kapitel als Körperschaft bestehen, wurde aber vom Landesherrn kontrolliert; in anderen Fällen, zum Beispiel im Fürstbistum Lübeck, übte das Kapitel, das nicht mehr aus Geistlichen bestand, auch die weltliche Herrschaft über seinen Anteil des Hochstifts aus; so besaß das lutherische Domkapitel zu Lübeck noch bis 1804 u.a. die stormarnschen Dörfer Hamberge und Hansfelde. Die lutherischen Domkapitel wurden im Rahmen der Säkularisation kirchlicher Güter im Reichsdeputationshauptschluss 1803 oder in Preußen bis 1810 aufgelöst. Lediglich das Domkapitel in Brandenburg wurde 1826 wiederhergestellt und ist nach wechselvoller Geschichte bis heute erhalten.[1] Die Kapitel in Meißen und Wurzen blieben als lutherische kirchliche Korporationen ebenfalls bis heute erhalten.

Gegenwart

Römisch-Katholische Domkapitel bestehen nicht mehr in jeder Diözese. Vor allem neuere Diözesen besitzen kein eigenes Domkapitel mehr.

Siehe auch

Literatur

  • Bollesen, Michael: Das Domkapitel in Rechtsgeschichte und Gegenwart, München 2008, ISBN 3-638-92899-3.
  • Haering, Stephan / Pimmer-Jüsten, Burghard / Rehak, Martin: Statuten der deutschen Domkapitel (= SICA 6), Metten 2003.
  • Peter Hersche: Die deutschen Domkapitel im 17. und 18. Jahrhundert. Peter Hersche, Bern 1984 (3 Bände).
  • Jüsten, Eva: Das Domkapitel nach dem Codex Iuris Canonici von 1983 unter besonderer Berücksichtigung der Rechtslage in Deutschland und Österreich (= Europäische Hochschulschriften. Reihe II: Rechtswissenschaft, Bd. 1386), Frankfurt am Main u. a. 1993.
  • Kotzula, Stephan: Der Priesterrat. Ekklesiologische Prinzipien und kanonistische Verwirklichung. Eine rechtstheologische Studie (= Erfurter Theologische Studien Bd. 48), Leipzig 1983.
  • Marchal, Guy P.: 'Domkapitel'. In: Theologische Realenzyklopädie 9 (1982), S. 136–140.
  • Puza, Richard: Die Dom- und Stiftskapitel, in: HdbKathKR 2. Auflage 1999, S. 475–479.
  • Schieffer, Rudolf: Die Entstehung von Domkapiteln in Deutschland (= Bonner Historische Forschungen 43), Bonn 1976.
  • Schieffer, Rudolf: Art. Kanoniker, in: LexMA 5, S. 903–904.
  • Schmitz, Heribert: Die Rechtsfigur des nichtresidierenden Domkapitulars, in: Josef Isensee / Wilhelm Rees / Wolfgang Rüfner (Hg.): Dem Staate, was des Staates - der Kirche, was der Kirche ist. FS für Joseph Listl zum 70. Geburtstag (= Staatskirchenrechtliche Abhandlungen Bd. 33), Berlin 1999, S. 875–892.
  • Schmitz, Heribert: Domkapitel in Deutschland nach der Vatikanischen Wende: Skizzen - Infos - Stolpersteine. Vortragsfassung des Beitrags zum Tag der Domkapitel am 10. September 1998 im Rahmen der 750-Jahrfeier der Hohen Domkirche Köln, Köln 1998.
  • Stoffel, Oskar: cc. 503–510, in: Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici unter besonderer Berücksichtigung der Rechtslage in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Essen seit 1985 (Loseblattsammlung Stand: 36. Ergänzungslieferung Dezember 2002).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. www.dom-brandenburg.de

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