Gleisfünfeck

Gleisfünfeck

Ein Gleisfünfeck oder Wendestern ist eine verschlungene Gleisfigur in Form eines Pentagramms, die zum Wenden von Schienenfahrzeugen, speziell Dampflokomotiven mit Schlepptender, dient. Es wurde insbesondere in Italien an Orten verwendet, wo man die Wartung von Drehscheiben als problematisch ansah.

Modellbahn-Version eines Gleisfünfecks, auf dem durch mehrfache Sägefahrten gewendet werden kann.

Inhaltsverzeichnis

Aufbau

Schematische Skizze eines Gleisfünfecks anhand eines fiktiven Gleisplans

Es besteht aus fünf Weichen (zwei davon zur Ein- und Ausfahrt), drei Kreuzungen und drei sternförmig angelegten Stumpfgleisen.

Gegenüber einem Gleisdreieck, wie es insbesondere von amerikanischen Eisenbahnen zum Wenden bekannt ist, ist das Gleisfünfeck konstruktiv um zwei zusätzliche Weichen und drei Kreuzungen aufwändiger, beansprucht jedoch bei gegebenem Mindestradius der Gleisbögen deutlich weniger Grundfläche.

Die Lokomotive wendet durch mehrfaches Vor- und Zurückstoßen, sog. Sägefahrten, wobei sie zunächst in ein äußeres, dann das innere und schließlich das andere äußere Stumpfgleis fährt, bevor sie gewendet den Stern zur anderen Seite hin verlässt. Das mehrfache, bei Dampflokomotiven aufwändige Umsteuern muss als betriebliches Hindernis gesehen werden (um gewendet wieder ins Ausgangsgleis zu gelangen, sind vier Richtungswechsel – mit Ankuppeln zur Rückfahrt sechs – nötig), doch müssen innerhalb des Sterns immerhin keine Weichen gestellt werden, da Rückfallweichen verwendet wurden.

Vorkommen

Der renovierte Wendestern in Mals am Tag der Wiedereröffnung der Vinschgaubahn am 5. Mai 2005

Gleisfünfecke sind aus Oberitalien und Sardinien belegt, konkret in Südtirol[1] auf den Bahnhöfen Mals, Brenner, Innichen und Predazzo[2], sowie in Verona Porta Nuova. Besonders das Exemplar in Mals ist noch vollständig erhalten und seit der Reaktivierung der Vinschgerbahn[3] 2005 für Museumsfahrten nutzbar. Die Lage des abgebauten Wendesterns in Innichen[4] ist in der Geländestruktur noch gut zu erkennen.

Auf Sardinien sind zwei Wendesterne erhalten (ital.: stella di inversione):

Geschichte

Über den Grund dieser kompliziert und kurios anmutenden Gleisfigur ist in Eisenbahnzeitschriften wiederholt spekuliert worden.

Als unhaltbar hat sich die mehrfach geäußerte These erwiesen, die Gleisfünfecke seien Richtanlagen für Eisenbahngeschütze aus dem Ersten Weltkrieg:[5][6] Alle Gleisfünfecke sind nachweislich erst später in der Zwischenkriegszeit entstanden, im Fall von Mals im Rahmen der Erweiterung des Bahnhofs 1930.[7] Auch entstand in den drei südtiroler Bahnhöfen Mals, Brenner und Innichen erst nach dem Ersten Weltkrieg überhaupt die Notwendigkeit, Schlepptenderlokomotiven zu wenden: Brenner und Innichen waren zuvor relativ bedeutungslose Durchgangsstationen und wurden erst durch die Teilung Tirols in Folge des Friedensvertrags von Saint-Germain zu Grenzbahnhöfen, wo Lokomotiven wendeten. Und im Fall von Mals war nach der Grenzziehung absehbar, dass die ursprünglich geplante Weiterführung der Vinschgerbahn über den Reschenpass bis Landeck nicht mehr verwirklicht werden würde.[8]

Die Stadt Carbonia auf Sardinien wurde erst 1937 gegründet, die Bahnlinie wurde 1956 eröffnet. Der Bahnhof in Oristano besteht seit 1872, die Bahnlinie Cagliari–Golfo Aranci Marittima wurde 1920 von den Ferrovie dello Stato übernommen. Wann und warum das Gleisfünfeck im Bahnhof gebaut wurde, ist nicht bekannt.

Unzweifelhaft ist, dass der gegenüber einem Gleisdreieck (oder gar einer Wendeschleife) geringere Platzbedarf speziell im Gebirge vorteilhaft war. Noch raumsparender wäre eine weithin übliche Drehscheibe gewesen, deren wintersicherer Betrieb bei viel Schnee und Eis allerdings kaum zu gewährleisten gewesen wäre.

Modellbahn

Funktionsfähiger Modell-Wendestern in der Baugröße H0

Auch auf Modellbahnanlagen sind Gleisfünfecke trotz des auch im Modell faszinierenden Betriebs sehr selten, nicht nur aufgrund der eingeschränkten Wahl konkreter Vorbilder: Zumindest für die drei im Gleisbogen liegenden Kreuzungen ist kein industriell gefertigtes Gleismaterial erhältlich. Zudem wird der im Falle des Zweileitersystems bereits bei Wendeschleifen und Gleisdreiecken[6] gegebene schaltungstechnische Aufwand durch die drei Kreuzungen noch erheblich gesteigert: Während des Wendevorgangs muss irgendwo die Polung beider Schienen getauscht werden, ohne dass es vorher oder nachher zu Kurzschlüssen kommt. Dennoch sind sie auch im Modell bereits erfolgreich und betriebssicher realisiert worden.[9]

Einzelnachweise

  1. Helmut Petrovitsch: Wendesterne, in: eisenbahn magazin 2/94, S. 25, Alba Verlag, Düsseldorf
  2. Walter Canciani: La Ferrovia Ora-Predazzo, TrainZItalia Foto 2006
  3. Carmen Müller: Meran–Mals Vinschgau. Auf den Spuren einer stillgelegten Bahnstrecke, Wien: Folio, 2001, 170 Seiten, ISBN 3-85256-192-2
  4. Historischer Gleisplan des Bahnhofs Innichen (ital: San Candido)
  5. F. W. Hoepke und Günter Niethammer: Das Geheimnis der Gleis-Fünfecke – gelüftet?, 
in: MIBA 9/66, MIBA Verlag, Nürnberg
  6. a b Hans Rothärmel: Das Wenden von miniclub-Schlepptenderlokomotiven mittels Gleisdreieck oder Kehrschleife sowie Horst Röchling (Fotos): Das Gleisfünfeck von Mals/Südtirol, 
in: MIBA 2/83, S. 116–119, MIBA Verlag, Nürnberg
  7. Zukunft bewegt! Die Vinschgerbahn Meran-Mals, Eisenbahntechnische Sonderpublikation Band III, Innsbruck: Eisenbahnarchiv Tirol, 2005
  8. Joachim Rothkegel: Die Reschenscheideckbahn und ihre geplanten Anschlußprojekte nach Norden und Süden, Augsburg: Rösler + Zimmer, 1976, 48 Seiten, ISBN 3-87987-143-4
  9. Moritz Gretzschel: Südtiroler Sternfahrt, in: MIBA 7/04, MIBA Verlag, Nürnberg

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