Gleitschirmakrobatik

Gleitschirmakrobatik

Als Gleitschirmakrobatik wird das Fliegen akrobatischer Flugfiguren mit einem Gleitschirm bezeichnet (Kunstflug). Dabei werden Flugfiguren ausgeführt, die ein Normal-Gleitschirmpilot nicht beherrschen muss.

Zur Durchführung sind ein spezielles Training, sowie eine gute Körper- und Fluggerätebeherrschung unbedingt notwendig. Viele Flugfiguren erfordern ein exaktes Timing bei der Ausführung und somit eine gute mentale Verfassung des Piloten. Training und Vorführung dieser Flugfiguren finden zumeist aus Sicherheitsgründen über einem See mit Schwimmweste statt, das Mitführen eines Rettungsfallschirms ist obligatorisch - viele Piloten führen zusätzlich noch einen zweiten mit.

Von Versuchen, die unten beschriebenen Figuren ohne Vorkenntnisse und Erfahrungsaustausch mit erfahrenen Piloten nachzuahmen, ist aufgrund dieser erhöhten Anforderungen an Pilot und Fluggerät absolut abzuraten.

Inhaltsverzeichnis

Geräte/Ausrüstung

Die ersten Kunstflugversuche wurden mit normalen Gleitschirmen gemacht. Um ein dynamischeres Verhalten der Schirme zu erreichen, wurden sie meist (weit) über der empfohlenen Gewichtsgrenze geflogen. Mit der Verbreitung der Sportart haben auch die Hersteller begonnen, spezielle Akrobatik-Schirme zu entwickeln. Sie sind wesentlich kleiner (< 20 m² projizierte Fläche) und haben eine bewusst stark reduzierte Pendelstabilität, wodurch Manöver wie Infinity-Tumbling erst möglich werden. Die meisten Akrobatik-Manöver können jedoch auch mit gewöhnlichen Gleitschirmen durchgeführt werden.

Die verwendeten Gurtzeuge verfügen meist über einen zweiten Rettungsschirm-Container. Der Brustgurt kann in der Regel weiter geöffnet werden als bei gewöhnlichen Gurtzeugen, was eine extremere Gewichtsverlagerung ermöglicht.

Wettbewerbe

2006 wurde vom Weltluftsportverband die erste offizielle Weltmeisterschaft in dieser noch jungen Sportart ausgerichtet. Zuvor hatte das Red Bull Vertigo in Villeneuve am Genfersee (Schweiz) den Status einer inoffiziellen Weltmeisterschaft. Die Bewerbe der Weltmeisterschaft und weitere regelmäßige Akro-Veranstaltungen finden in Villeneuve, Zell am See (Österreich), Omegna, am Gardasee, am Ortasee (alle drei Italien), in Voss (Norwegen), Ölüdeniz (Türkei), Chambéry, Annecy (beide Frankreich) und in Salta (Argentinien) statt.

Die für das Publikum sehr spektakulären Wettkämpfe werden von den Piloten einzeln oder in Zweierteams im Synchronflug vorgeführt. Durch die Schwierigkeit, die Manöver synchron mit einem Partner durchzuführen, wird dieses Fliegen im Team von vielen Piloten als die Königsdisziplin der Gleitschirmakrobatik angesehen. Daneben treten größere Gruppen als Showvorführung auf.

Eine weitere Form der Gleitschirmakrobatik stellt das bodennahe Freistilfliegen dar, auch Wagga Style genannt. Dabei werden bei laminarem Wind verschiedene Manöver, bei denen Pilot oder Schirmkappe Bodenkontakt haben, durchgeführt. Dazu zählen Vrillen-Landung, Todesspirale und kreatives Bodenhandling. Seit 2003 findet jährlich an der Dune du Pyla (Frankreich) ein Wettbewerb in dieser Disziplin statt.

Figuren

Shrimp/Horseshoe

Diese Flugfigur führt den Gleitschirm in eine Hufeisenform. Erreicht wird dies, indem die innersten A-Leinen soweit heruntergezogen werden, bis die Kappe in der Mitte einknickt und beide Flügelenden nach vorne wandern. Der Schirm hat dabei noch Vorwärtsfahrt und erhöhtes Sinken. Zum Ausleiten lässt man die A-Leinen wieder los und bremst gegebenenfalls leicht an.

Wingover

Eigentlich ein extremer Kurvenwechsel während des Fluges mit seitlichem Auspendeln des Piloten. Je nach Ausführung kann die Figur von einem leichten Pendeln des Piloten unter dem Schirm bis hin zu einem massiven Übersteigen des Schirmes ausgeführt werden. Bei hohen Wingovern wirken auf den Piloten während kurzer Momente starke Beschleunigungskräfte.

In gemäßigter Form ist es ein gutes Manöver, um die eigene Steuerungskoordination besser kennenzulernen und zu trainieren. Die leichte Ausführung der Wingover wird meistens schon in der Grundschulung geübt.

Gleichförmige, in einer Linie geflogene und hohe Wingover zählen zur hohen Kunst des Akrofliegens und verlangen vom Piloten Fingerspitzengefühl, ein gutes Timing und Präzision, sowie viel, viel Übung. Fehlerhafte Ausführung der Flugfigur kann zum Einklappen des Gleitschirms führen. Mit einem ausreichend dynamischen Schirm kann der Wingover bis zum Looping gesteigert werden.

Steilspirale

Die klassische Steilspirale ist eine technisch relativ einfache, jedoch körperlich anspruchsvolle Flugfigur. Der Pilot dreht sich dabei in einer Spiralbewegung um den Gleitschirm, der eine enge Kreisbahn fliegt. In einer vollen Spirale neigt sich die Eintrittskante des Gleitschirms in Richtung Boden.

Die Spirale wird von Piloten als Schnellabstiegsmanöver genutzt, um effizient Höhe abzubauen. Die Sinkgeschwindigkeit liegt zwischen 10 und ca. 25 m/s,

Bei zunehmender Sinkgeschwindigkeit treten immer größere Fliehkräfte auf. Bei einem Sinken von 15-18 m/s können Belastungen von ca. 3,8 g auftreten, bei großem Sinken sind bis 5 g möglich. Bei Steigerung der Sinkgeschwindigkeit können diese Kräfte zu einem stabilen Flugzustand führen, der vom Piloten nur aktiv auszuleiten ist.

Eine Weiterentwicklung der Steilspirale und des Wingovers ist die Asymmetrische Spirale. Dabei wird die Achse der Spirale immer mehr in Richtung Horizontale gedreht. Bei perfekter Ausführung kann sie so geflogen werden, dass der Pilot weit über Schirmhöhe steigt.

Die Belastung für den Körper ist ähnlich hoch wie bei der Steilspirale, tritt jedoch in kurzen und heftigen Impulsen auf.

Fullstall

Ein kompletter Strömungsabriss über die gesamte Schirmbreite. Dies wird erreicht, indem der Gleitschirm bis unter die Mindestfluggeschwindigkeit abgebremst wird. Während die Vorwärtsgeschwindigkeit gegen Null tendiert – teilweise wird sogar rückwärts geflogen – beträgt das Sinken ca. 9 m/s. Dabei bildet der Schirm meistens die Form eines Hufeisens oder einer Rosette.

Der wichtigste Punkt bei dieser Figur ist das saubere Ausleiten, wenn durch nachlassenden Bremsleinenzug der Schirm wieder Vorwärtsfahrt aufnimmt. Befindet sich das Pendelsystem Schirmkappe-Pilot in diesem Zeitpunkt in einer ungünstigen Konstellation, kann es zu einem schnellen „Vorschießen“ des Schirms kommen und der Piloten in die Gleitschirmkappe hineinfallen und sich dort verhängen. Auch ein unsymmetrisches Ausleiten kann zu einem unkontrollierten Flugzustand führen.

Wird der Fullstall nicht aus dem normalen Flug heraus ausgeführt, sondern aus voller Fahrt, aus einer asymmetrischen Spirale oder einem Wingover, wird von einem Dynamic Fullstall gesprochen, da der Pilot dabei zum Zeitpunkt des Strömungsabrisses wesentlich weiter nach vor pendelt. In extremer Ausführung kann der Pilot sogar bis auf gleiche Höhe mit der Schirmkappe hinaufpendeln.

Tailslide

Beim Tailslide (oder auch Backfly genannt) fliegt das gesamte Fluggerät rückwärts. Dies wird erreicht, indem nach einem Fullstall die Schirmkappe wieder leicht gefüllt wird damit sie fliegbar ist. Weil in diesem Zustand die hintere Schirmkante tiefer liegt als der vordere Teil des Schirmes, beginnt er rückwärts zu fliegen. Über Gewichtsverlagerung lässt sich der Schirm sogar ein wenig steuern.

Vrille/Helikopter

Eine Vrille ist ein einseitiger Strömungsabriss. Dieser wird durch Anbremsen der einen Flügelhälfte bis unter die Mindestfluggeschwindigkeit erreicht. In der Figur dreht sich der Gleitschirm flach um die eigene, senkrechte Achse. Dabei bewegt sich das eine Flügelende in der üblichen Flugrichtung (vorwärts), das andere Ende entgegen seiner normalen Flugrichtung (rückwärts). Eine Vrille über mehrere Umdrehungen geflogen, mit komplett geöffnetem Segel und dem Pilot sauber in der Drehachse zentriert, wird Helikopter genannt.

Ein Helikopter wird meist aus dem Sackflug heraus geflogen und verlangt vom Piloten viel Feingefühl. Das Sinken während dieser Figur beträgt ca. 4-5 m/s. Eine Überleitung aus einem Helikopter in einen in die Gegenrichtung drehenden Helikopter wird auch als Twister bezeichnet.

Gegendreher/Looping

Für dieses Manöver wird meistens über die asymmetrische Spirale Schwung geholt. Durch rechtzeitige Gewichtsverlagerung auf die Gegenseite und angepassten Bremseinsatz wird der Pilot durch den aufgebauten Schwung über den Schirm geschleudert.

Wird diese Figur so geflogen, dass der Pilot senkrecht über seinen Schirm fliegt, spricht man auch von einem Looping.

Der Looping und seine Vorbereitung ist eine der spektakulärsten, aber auch gefährlichsten Akrofiguren. Die Schwierigkeit besteht in der langsamen Trimmgeschwindigkeit des Fluggerätes. Der nötige Schwung kann nur durch spezielle Flugmanöver aufgebaut werden. Reicht dieser nicht aus, stürzt der Pilot in die Kappe.

SAT

Der SAT wurde über Nacht zum Zauberwort der Akroszene. Der Name stammt vom Erfinderteam der Figur (Safety Acro Team), das diese Figur durch Zufall entdeckte. Die Figur wurde zur Grundlage für eine ganze Generation von neuen Akroflugfiguren, wie z. B. das Tumbling.

Dabei wird eine Art Steilspirale geflogen, bei der sich aber der Drehpunkt der Flugbahn zwischen Pilot und Gleitschirm befindet. Der Schirm fliegt weiter vorwärts, während sich der Pilot rückwärts im Kreis bewegt. Bei der Einleitung können Extremwerte von 3,5 g Zentrifugalbeschleunigung entstehen; die Sinkgeschwindigkeit in diesem Manöver kann auf etwa 4 m/s reduziert werden.

Dieses Flugmanöver wurde weiterentwickelt zum Asymmetrischen SAT. Diese Flugfigur weist durch ein geeignetes Timing des Piloten keine senkrechte Drehachse auf, sondern wird in Richtung Waagrechte verlegt. Dies erreicht der Pilot, indem er das Manöver Beispielsweise aus der asymmetrischen Spirale heraus einleitet. Da die Drehachse irgendwo zwischen der Senkrechten und der Waagrechten liegt, ist diese Flugfigur eine gute Übung, um sich an den Tumbling heranzutasten.

Eine weitere Abwandlung des SAT ist der Rhythmische SAT. Dabei wird der Schirm von einem normalen SAT ausgehend immer mehr aufgeschaukelt bis er den Asymmetrischen SAT erreicht hat. Man kann sich die Bewegung des Gleitschirms bei diesem Manöver als eine immer stärker werdende Sinusschwingung vorstellen. Erreicht wird dies, indem während des SAT's die angebremste Seite rhythmisch immer ein wenig stärker gebremst und dann wieder ein wenig freigegeben wird. Profis können das Manöver bis zum Infinity Tumbling weiterführen.

Tumbling

Beim Tumbling fliegt der Pilot nicht wie beim klassischen Looping über den Schirm hinweg, sondern der Schirm wird sozusagen unter dem Piloten „hindurchgeschleudert“. Dabei liegt die Drehachse wie beim SAT zwischen dem Piloten und dem Schirm. Die dafür notwendige Energie wird meist aufgebaut über einen Gegendreher, hohe Wingover oder über die asymmetrische Spirale. Dieser Schwung reicht meistens für zwei bis drei Umdrehungen.

Dieses reinrassige Akromanöver verzeiht keine Fehler an Mensch und Material. Messungen während dieser Figur haben Belastungen von bis zu 7.5 g ergeben.

Eine Weiterentwicklung ist das Infinity Tumbling. Durch geeignete Technik holt der Pilot, respektive der Schirm, bei jeder Umdrehung neuen Schwung, womit die Figur scheinbar endlos (engl. infinite) wiederholt werden kann. Entdecker dieses Manövers ist Raul Rodriguez, der während der Free Flight 2006 in Garmisch-Partenkirchen (Deutschland) insgesamt 82 Umdrehungen vollbrachte.

Der aktuelle Weltrekordhalter heißt Horacio Llorens, er schaffte am 4. Dezember 2009 im Himalaja nach einem Hubschrauberabsprung aus 5200m in 6 Minuten 281 Umdrehungen.

Mac Twist

Der Mac Twist (manchmal auch Ass Chopper genannt) wurde von Mathias Roten erfunden und ist salopp ausgedrückt eine Vrille, bei der die Drehachse der Flugbahn in die Horizontale gedreht wurde.

Dabei wird der Schirm über eine normale oder eine asymmetrische Spirale auf die gleiche Höhe gebracht wie der Pilot. Dann wird durch einen starken Bremsimpuls der Schirm in die Vrille gedrängt. Gute Piloten schaffen bis zu vier Umdrehungen.

Die größte Gefahr in diesem Manöver liegt darin, dass der Pilot aufgrund der Massenträgheit der Rotation der Gleitschirmkappe nicht schnell genug folgt und es dadurch zu einem Eindrehen der Fangleinen, dem sogenannten „Eintwisten“ kommt. Bereits ab einer vollen Umdrehung ist die Reibung der Leinen so hoch, dass die Bremsleinen nicht mehr wirkungsvoll betätigt werden können. Ab zwei Umdrehungen ist das Fluggerät nicht mehr steuerbar, es bleibt nur noch der Wurf des Rettungsfallschirms.

Misty Flip

Der Misty Flip ist eine Weiterentwicklung des Mac Twists. Anders als beim Mac Twist ist jedoch bei einem sauber geflogenen Misty Flip der Gleitschirm komplett offen, beim Mac Twist sind meist die äußeren Flügelenden eingeklappt. Der Gleitschirm wird nicht in der Rotation gehalten, sondern gekonnt nach einer ca. 360° Drehung gestoppt und ausgeleitet. Dabei befindet sich die Kappe weit hinter dem Piloten und schießt mit hoher Dynamik nach vorne. Der Pilot muss im richtigen Moment den Schirm anbremsen um wieder in den Normalflugzustand überzugehen. Da (wie bei den meisten Akrofiguren) ein gutes Timing notwendig ist, besteht bei unsauberer Ausführung ein hohes Risiko in die Kappe geschleudert zu werden.

Kombinationen

Viele dieser Figuren können auch kombiniert werden. Hier sind einige aufgezählt:

SAT to Helico: Es wird ein SAT geflogen, und dabei wird die angebremste Seite so lange nachgezogen, bis die Strömung abreißt und der Gleitschirm in eine Vrille gelangt.
Helico to SAT: Es wird ein Helicopter geflogen (in diesem Fall nach rechts). Im nächsten Moment bremst man die Rotation ein wenig, bis der Schirm links ein wenig versetzt hinter dem Piloten steht. Die Bremsen werden freigegeben, und man lässt die Kappe leicht asymmetrisch nach rechts unten schießen. Während dieses Vorganges wird sofort die rechte Bremse wieder nachgezogen, und man fliegt einen SAT nach rechts.
Twister (Helico to Helico): Es wird die Rotation des Helicopters gestoppt und in die Gegenrichtung gelenkt.
Misty to Infinity: In dem Moment bei der Ausleitung des Misty Flips, wo die Kappe nach vorschießen will, wird diese nicht angebremst. Wenn diese genug Dynamik hat, ist man im nächsten Moment in einem Tumble. Dieses Manöver ist nur mit Acro-Schirmen mit extremster Dynamik möglich.
Misty to Helico: Der Misty Flip wird beim Ausleiten wieder einseitig abgerissen, und man befindet sich in einem Helicopter

Rechtliche Situation

In Deutschland ist Kunstflug mit dem Gleitschirm, der im deutschen Recht unter dem Begriff Luftsportgerät subsumiert wird, verboten. [1] Unter Kunstflug versteht man Flugzustände mit einer Neigung von mehr als 135 Grad um die Quer- oder Längsachse.[2] Der DHV hat im Januar 2009 eine Arbeitsgruppe zum Thema Drachenflug- und Gleitschirm-Kunstflug gebildet, die klären soll, ob das Drachenfliegen und Gleitschirmfliegen vom generellen Kunstflugverbot für Luftsportgeräte befreit werden sollte.[3]

In Österreich ist der Kunstflug für Hänge- und Paragleiter nicht speziell geregelt. Die allgemeinen Regeln für Kunstflug verbieten diesen unter 500 Meter über Grund, über Menschenansammlungen bzw. über dicht besiedeltem Gebiet, sofern keine Ausnahmegenehmigung vorliegt [4]. Da die verwendeten Gleitschirme jedoch meist über keine Zulassung für den Betrieb in Österreich verfügen, ist Gleitschirmakrobatik praktisch nicht zulässig.

In der Schweiz ist Kunstflug für Hänge- und Paragleiter ebenfalls nicht geregelt. Für die Geräte besteht lediglich eine Kennzeichnungs- aber keine Zulassungspflicht, somit ist Gleitschirmakrobatik zulässig.

Sinngebungen

Das extreme Gleitschirmfliegen findet in der Öffentlichkeit einerseits als spektakuläres Ereignis eine erhebliche Aufmerksamkeit, andererseits aber oft wenig Verständnis. Man unterstellt eine oberflächliche Sucht nach dem Kick und bei Vorführungen ein Geschäft mit der Gefahr, das sich lukrativ vermarkten lässt.

Dem gegenüber betont der Wagnisforscher S. A. Warwitz[5], dass die Sinngebungen wagnishaltigen Handelns immer aus dem persönlichen Werterleben des Einzelnen erwachsen und nicht von Außenstehenden zugemessen oder verweigert werden können: Wagnisse sind ethisch legitim, wenn sie von Kompetenz und Verantwortungsfähigkeit getragen werden, Werte schaffen und sich nicht im exzessiven Schädigungsbereich („Spiel mit dem Tod“) bewegen. Der Glücksforscher M. Csikszentmihalyi[6] konstatiert, dass bei der Egalisierung von höchsten Anforderungen und einem entsprechenden Können in dem auf diese Weise bewirkten Flow-Erleben intensive und nachhaltige Glücksgefühle entstehen. Diese aber sind jedem Menschen zuzubilligen.

Im Einzelnen werden Extremsportarten wie der Gleitschirmakrobatik von der Forschung etwa folgende Sinngebungen zugeordnet [7][8] [9][10] :

- wirtschaftlich: Akroflieger können als risikobereite, erfahrene Testpiloten wesentliche Erkenntnisse zur Weiterentwicklung des attraktiven Sportgeräts Gleitschirm beitragen.

- sicherheitstechnisch: Die Erkundung der Leistungsgrenzen der Schirme und extremen Schirmverhaltens schafft auch dem Normalflieger größere Sicherheitsspielräume. Sie dient also der gesamten Sportart.

- sportlich: Es muss dem ambitionierten Piloten ebenso wie Menschen in anderen Lebensbereichen gestattet sein, seine persönlichen fliegerischen Fähigkeiten auszuschöpfen und lernend bis an die individuellen Grenzen zu perfektionieren.

- psychologisch: Der Mensch hat ein Recht auf Glück. Dieses Glücksstreben darf sich auch im gekonnten Ausleben von Flugträumen realisieren. Es steht anders orientierten Menschen nicht zu, ihre eigenen Wertvorstellungen auf andere zu projizieren.

- gesellschaftspolitisch: Das natürliche Wagnisstreben des dynamischen, speziell am Flugsport interessierten und zu ihm talentierten Menschen findet in dem intensiven Freiheitserleben des Akrofliegens ein positiv zu bewertendes Betätigungsfeld. Hierbei zählt auch, dass die Unfallquote im Sportartenvergleich relativ gering ist und in keinem Verhältnis zu dem physischen und psychischen gesundheitlichen Gewinn steht.

Literatur

  • F. Bitz: Abenteuer und Risiko. Zur Psychologie inszenierter Gefahr. Lüneburg 2005
  • M. Csikszentmihalyi / S. Jacksons: Flow im Sport. Der Schlüssel zur optimalen Erfahrung und Leistung. München 1999
  • M. Küng, A. Meschuh, M. Nesler, G. Öchsl: Acrobatics: das erste Lehrbuch zur Gleitschirm-Akrobatik, Verlag Professional Flying Team GmbH, 2008 ISBN 978-3-940988-00-3
  • M. Scholz: Erlebnis-Wagnis-Abenteuer. Sinnorientierungen im Sport. Schorndorf 2005 ISBN 3-7780-0151-5
  • S.A. Warwitz: Sinnsuche im Wagnis. Leben in wachsenden Ringen. Erklärungsmodelle für grenzüberschreitendes Verhalten. Baltmannsweiler 2001 ISBN 3-89676-358-X
  • S.A. Warwitz: Vom Sinn des Wagens. Warum Menschen sich gefährlichen Herausforderungen stellen. In: DAV (Hrsg.): Berg 2006. München-Innsbruck-Bozen 2006. S. 96-111 ISBN 3-937530-10-X

Quellen

  1. http://bundesrecht.juris.de/luftvo/__8.html LuftVO §8 Abs. 1
  2. http://www.dhv.de/typo/fileadmin/user_upload/aktuell_zu_halten/service/downloads/gelaende/flugbetriebsordnung.pdf FBO Abschnitt I, Punkt 6
  3. http://www.dhv.de/typo/News_Details.5448.0.html?&cHash=a1d0fa19df&tx_ttnews[arc]=1&tx_ttnews[backPid]=123&tx_ttnews[pL]=2678399&tx_ttnews[pS]=1230764400&tx_ttnews[tt_news]=2506
  4. http://www.ris2.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?QueryID=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10011391
  5. S.A. Warwitz: Sinnsuche im Wagnis. Leben in wachsenden Ringen. Erklärungsmodelle für grenzüberschreitendes Verhalten. Baltmannsweiler 2001 S. 298
  6. M. Csikszentmihalyi / S. Jacksons: Flow im Sport. Der Schlüssel zur optimalen Erfahrung und Leistung. München 1999
  7. S.A. Warwitz: Vom Sinn des Wagens. Warum Menschen sich gefährlichen Herausforderungen stellen. In: DAV (Hrsg.): Berg 2006. München-Innsbruck-Bozen 2006. S. 96-111
  8. M. Scholz: Erlebnis-Wagnis-Abenteuer. Sinnorientierungen im Sport. Schorndorf 2005
  9. F. Bitz: Abenteuer und Risiko. Zur Psychologie inszenierter Gefahr. Lüneburg 2005
  10. M. Csikszentmihalyi / S. Jacksons: Flow im Sport. Der Schlüssel zur optimalen Erfahrung und Leistung. München 1999

Siehe auch

Weblinks


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