Risikokompensation

Risikokompensation

Risikokompensation ist ein Begriff aus der Verkehrspsychologie und der Arbeitspsychologie. Beschrieben wird damit ein paradoxes Phänomen: Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit oder der Arbeitssicherheit können ganz oder teilweise unwirksam oder sogar in ihr Gegenteil verkehrt werden, weil sich die Verkehrsteilnehmer bzw. Arbeitnehmer sicherer fühlen. Sie verhalten sich deswegen teils riskanter als zuvor oder sind riskanteren Aktionen anderer ausgesetzt, weil ein möglicher Unfall als weniger wahrscheinlich oder weniger schwer eingeschätzt wird. Die psychologischen Vorgänge spielen sich dabei oft unbewusst ab.

Auch bei Sportarten mit hohem Verletzungsrisiko sowie im Alltagsverhalten wurde Risikokompensation beobachtet.[1]

Inhaltsverzeichnis

Beispiele

  • Nach der Einführung von ABS in Kraftfahrzeugen mit unbestrittenen objektiven Vorteilen sind die Unfall-Zahlen bei ABS-Nutzern nicht zurückgegangen[2] und dann sogar gestiegen [3]. Erst später als die Systeme weit verbreitet und weniger beachtet wurden, konnte eine schwedische Studie einen statistischen Sicherheitsgewinn auf Schnee, aber nicht auf Asphalt, nachweisen [4].
  • Eine Helmpflicht für Radfahrer hat sich unter anderem wegen der befürchteten Risikokompensation noch nicht durchgesetzt. Wie Studien zeigten, werden Helm tragende Radfahrer beispielsweise in geringerem Abstand durch Autofahrer überholt. Nach Einführung der Fahrradhelmpflicht in Australien 1991 gingen die Verletzungszahlen nicht zurück, wobei auch noch viele Radfahrer auf Motorfahrzeuge umstiegen.[5]
  • In manchen alpinen Regionen gibt es inzwischen Helmpflicht auf Skipisten. Auch ohne Helmpflicht zeichnet sich als gefährlicher Trend ab, dass statt des Besuchs von Skikursen zur Verbesserung der Fahrtechnik als einfachere Alternative der Helm eingesetzt wird: Teilnehmeranteile der Erwachsenen sanken von über 50 auf 20 Prozent. Bei unveränderten Unfallzahlen und einer Helmtragequote von einem Drittel in der Wintersaison 2008/2009 in Österreich trug die Hälfte der Verletzten Helm. [6]
  • Bei Holzarbeitern in Finnland nahmen die Verletzungen nach der Einführung von Sicherheitsstiefeln, Handschuhen, Helmen und Schutzbrillen an Augen, Kopf, Händen und Füßen ab. Die Zahl der Verletzungen der ungeschützten Körperteilen nahm hingegen zu, weil die Arbeiter schneller und weniger sorgfältig arbeiteten. [7]
  • Bei Fahrerassistenzsystemen in Pkws und Lkws, die durch eine Fahrerzustandserkennung gesteuert werden, können solche Systeme zu größerer Risikobereitschaft bei den Fahrern führen, z. B. bei Müdigkeit oder anderen Fahrbeeinträchtigungen weiterzufahren. [8]

Literatur

Jochen Paulus: No risk, no fun?, Bild der Wissenschaft 07/2007, zit. in wissenschaft.de 19. Juni 2007.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. „Der Mensch sucht die Gefahr“ – Der Spiegel 27. September 2007
  2. L. Evans: “Antilock brake systems and risk of different types of crashes in traffic” ESV-Konferenz 1998, Vol.1, pp.445-461
  3. B. Biehl et al.: „Einfluß der Risikokompensation auf die Wirkung von Verkehrssicherheitsmaßnahmen am Beispiel ABS“ Unfall- und Sicherheitsforschung Straßenverkehr Nr.63, Köln 1987
  4. A. Kullgren et al.: „The effectiveness of ABS in real life accidents” ESV-Konferenz 1994, paper 94-S4-O-07
  5. Robinson, D. L.: Head Injuries and Bicycle Helmet Laws, Accid Anal Prev. 1996 Jul;28(4):463-75.
  6. "Alpine Raserei", Die Zeit, 9. Januar 2009
  7. Jochen Paulus, Bild der Wissenschaft, Juli 2007
  8. Markus Maurer und Christoph Stiller. Fahrer-Assistenzsysteme mit maschineller Wahrnehmung: Technologien, Anwendungen, Trends und Potentiale. Berlin: Springer, 2009

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