Rita Jolivet

Rita Jolivet
Rita Jolivet, Chicago Daily News, 1918

Rita Jolivet, geborene Marguerite Lucile Jolivet (* 1890 in Paris; † 2. März 1971 in Nizza) war eine französische Theater- und Stummfilmschauspielerin.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft und Familie

Rita Jolivet kam 1890 in Paris als Tochter des US-amerikanischen Winzers Charles Eugene Jolivet (1840–1928) und dessen französischer Ehefrau, der Konzertmusikerin Pauline Hélène Jolivet, geb. Vaillant (1857–1957), zur Welt. Sie hatte eine ältere Schwester, Inez Henriette und einen jüngeren Bruder, Alfred Eugene. Jolivet stammte aus einer alten, ehrenvollen Familie; eine Vorfahrin mütterlicherseits war eine Hofdame Napoléon III. gewesen. Ihr Vater stammte aus Carmansville, New York, ihre Mutter aus Paris. Charles Jolivet und Pauline Vaillant hatten 1879 gegen den Wunsch von Paulines Eltern geheiratet.

Jolivets Wurzeln lassen sich bis zur französischen Revolution zurückverfolgen, in deren Verlauf viele Mitglieder ihrer Familie guillotiniert wurden. Außerdem hatten sich die meisten ihrer Familienmitglieder durch musische Künste wie Gesang oder das Beherrschen verschiedener Instrumente ausgezeichnet. Inez Jolivet zum Beispiel trat in die Fußstapfen ihrer Mutter und wurde Konzertpianistin. Sie war in Europa sehr erfolgreich und wurde unter Anderem vom russischen Zaren ausgezeichnet.

Rita Jolivets genaues Geburtsdatum ist unbekannt, da sie immer ein Geheimnis um ihr Alter gemacht hat. Nur das Jahr, 1890, kann bestätigt werden.

Als Kind wurde Jolivet neben ihrer Muttersprache auch Englisch beigebracht und sie hatte schon als Kind Bühnenauftritte in beiden Sprachen. Um ihre Bildung zu fördern, schickte ihre Mutter sie nach London, wo Rita Schauspielunterricht nahm, Pantomime einstudierte und an der Opéra comique tanzen lernte.

Karriere

1903 bekam Jolivet ihre erste Rolle als „Beatrice“ in William Poels Bühnenstück Much Ado About Nothing, gefolgt von The Gentleman of Verona. Zu ihren weiteren frühen Charakteren zählte die weibliche Titelrolle in Romeo und Julia, die „Lucy“ in Beauty And The Barge und die „Catharine“ in Jasper Bright. Zwischen 1906 und 1908 trat sie vermehrt in Paris mit dem Komiker Gallipeaux auf und machte gleichzeitig ihren Schulabschluss. 1909 nahm sie ihre Schauspielkarriere wieder auf und spielte die russische Großherzogin „Ina Drovinski“ in der Komödie Eccentric Lord Comberdene.

Nachdem sie sich wieder der Bühnenschauspielerei zugewandt hatte, ging sie um 1910 nach New York und bekam 1911 ihre erste Hauptrolle am Broadway in dem Bühnenstück Kismet von Edward Knoblauch. Ihr Mentor und Förderer war der damals sehr einflussreiche Theaterproduzent Charles Frohman, der ihr viele Hauptrollen am Haymarket Theatre verschaffte, unter Anderem in Lady Flirt und The Cabinet Minister. Zu ihren bedeutendsten Stücken in dieser Zeit zählten What It Means To A Woman und Where Ignorance Is Bliss. Jolivet war sich ihres Publikums sehr bewusst und sehr bestrebt, den Anforderungen zu genügen und den Erwartungen gerecht zu werden. Sie sah sich selbst als Perfektionistin.

1914 gab Rita mit Fata Morgana ihr Hollywood-Debüt, schaffte aber erst 1915 in der Rolle der „Delight Warren“ in Cecil B. DeMilles The Unafraid ihren Durchbruch.

Sie versuchte an diesen Erfolg anzuknüpfen und spielte als nächste Rolle die „Josie Richards“ in Broadway Jones. Im Herbst 1915 schloss sie in Italien einen neuen Filmvertrag ab und arbeitete dort an vielen italienischen Filmen wie Zvani, Monna Vanna oder Cuore ed arte mit.

Über die Versenkung der Lusitania (siehe unten) drehte sie zwei Filme. Der erste, Her Redemption von 1916, fand kaum Beachtung, doch Lest We Forget (1918) wurde zu einem ihrer erfolgreichsten Filme. Sie ging mit dem Film auf Tour und gab sehr viele Interviews zum Thema. Sie hatte prinzipiell - und im Gegensatz zu vielen anderen Überlebenden - nie Probleme damit, über ihre Erlebnisse beim Untergang des Schiffes zu sprechen. Danach widmete sie sich wieder anderen Rollen und spielte unter Anderem die byzantinische Kaiserin Theodora in der gleichnamigen Produktion (1919) und die weibliche Hauptrolle in The Bride’s Confession (1921). In den Zwanziger Jahren war Jolivet nicht mehr so oft auf der Leinwand zu sehen, sie drehte nur noch wenige Filme wie The Fall Of An Empress oder Le Mariage de minuit, die allesamt sehr erfolgreich waren.

Zum Zeitpunkt ihrer zweiten Scheidung beschloss Rita Jolivet, ihre Karriere zu beenden. Einige ihrer letzten großen Filme waren Phi-Phi und Le Marchand de bonheur (beide 1926). 1927 verabschiedete sie sich endgültig von Bühne und Leinwand.

Lusitania

Im Ersten Weltkrieg überlebte Rita Jolivet die Versenkung des britischen Luxusdampfers RMS Lusitania durch ein deutsches U-Boot, wobei 1200 Menschen ums Leben kamen.

Am 1. Mai 1915 ging sie in New York an Bord des Passagierschiffes, um ihren Bruder in Frankreich noch einmal zu sehen, der sich als Soldat für die Front gemeldet hatte. Mit an Bord waren Charles Frohman und andere Bekannte aus der New Yorker Theaterszene wie Justus Forman, Josephine Brandell oder Charles Klein. Sie hatte nicht damit gerechnet, ihren Schwager George Vernon zu treffen, der geschäftlich nach England fuhr. Er war der Ehemann ihrer Schwester Inez. Ihre Freundin, die Schauspielerin Ellen Terry, wollte sie überreden, mit ihr und Isadora Duncan auf dem Dampfer New York nach England zu reisen, der als sicherer galt als die prestigeträchtige Lusitania, doch Rita ließ sich nicht umstimmen. Um 8 Uhr morgens am Tag der Abfahrt buchte sie eine Überfahrt Erster Klasse auf der Lusitania.

Als der Ozeanriese am 7. Mai vor der Küste Südirlands von einem deutschen U-Boot versenkt wurde, schnallte sich Rita nicht nur eine Schwimmweste um, sondern nahm auch ihren perlmuttbesetzten Revolver mit sich, um sich damit notfalls im Wasser zu erschießen. Sie hatte Angst vor dem Ertrinken und wollte auf keinen Fall qualvoll sterben. Mit Charles Frohman und den anderen aus der Gruppe stand sie so lange an der Reling, bis das Schiff unterging und sie weg gespült wurden. Rita wurde vom Sog des Schiffes ergriffen und unter Wasser gezogen. Sie schaffte es, sich an ein gekentertes Rettungsboot zu klammern und wurde schließlich von einem Rettungsschiff nach Queenstown (heute Cobh) gebracht. Sie und die Schauspielerin Josephine Brandell waren die einzigen Überlebenden aus ihrer Gruppe; an ihren Revolver hatte Rita in dem Chaos nicht einmal gedacht. Im Juli 1915 beging Ritas Schwester Inez Vernon Selbstmord, weil sie den Tod ihres Ehemannes nicht verkraftete.

Ehen und Privatleben

Am 14. November 1908 heiratete Rita Alfred Charles Stern, lebte aber die meiste Zeit getrennt von ihm und ließ sich kurze Zeit später scheiden.

Am 27. Januar 1916 heiratete Rita den italienischen Adeligen Comte Giuseppe de Cippico in Kew Gardens, Surrey, England und änderte ihren bürgerlichen Vornamen Marguerite in das italienische Margherita. Sie war sich ihres neuen Status als Gräfin sehr bewusst und genoss alle damit verbundenen Annehmlichkeiten. Zudem war Rita Jolivet sehr eitel und auf Jugend getrimmt, bereits im Alter von 26 Jahren machte sich die Schauspielerin jünger, eine Praxis, die sie für den Rest ihres Lebens betreiben sollte. 1924 gab sie ihr Alter mit 28 an, dabei war sie bereits 34.

Ritas Bruder Alfred Jolivet heiratete am 25. November 1919 die 29-jährige Amerikanerin Beatrice Witherbee, die wie Rita den Untergang der Lusitania überlebt hatte und sich für ihn von ihrem ersten Ehemann scheiden ließ. Aus der Ehe ging 1920 der Sohn Lawrence Charles La Touche Jolivet hervor, Ritas einziger Neffe.

Ritas zweite Ehe bröckelte und wurde 1926 geschieden. Am 26. April 1928 heiratete sie den vermögenden Kanadier James Bryce-Allan, einen Cousin von Sir Montagu Allan, dem die kanadische Reederei Allan Line gehörte. Allans Frau war ebenso eine Überlebende der Lusitania-Katastrophe; seine beiden Töchter waren dabei ums Leben gekommen. Die Hochzeit wurde mit großem Aufwand in der Church of Scotland in Paris gefeiert, das Paar ließ sich anschließend auf einem Schloss in Renfrewshire, Schottland nieder. Rita und James führten ein herrschaftliches Leben und gaben sich wie adelige Großgrundbesitzer. Sie veranstalteten Picknicks und Moorhuhnjagden auf dem Schlossgelände, feierten Partys mit Vertretern aus Adel, Wirtschaft und der Künstlerszene und organisierten jedes Jahr einen großen Weihnachtsumzug in Glasgow. Sie hatten Zweitwohnsitze in Monte Carlo und Paris und besaßen eine Yacht namens Scotia, mit der sie Mittelmeerkreuzfahrten unternahmen.

Anfang der 1930er Jahre verkauften Rita und James ihr Schloss und zogen nach New York, wo James fortan als Direktor des Baumwollverarbeitungsunternehmens Coates tätig war. 1961 starb James Bryce-Allan durch eine Stichflamme, Rita zog sich daraufhin noch mehr ins Privatleben zurück.

Rita Jolivet starb 1971 in Nizza. Sie hatte im Haus eines Freundes die Gigue getanzt, war dabei schwer gestürzt und erlag im Krankenhaus ihren Verletzungen. Noch auf ihrem Totenbett machte sie ein Geheimnis um ihr Alter, das sie mit 77 angab, obwohl sie bereits 81 war. Gemäß ihrem Testament wurde sie nicht beerdigt, sondern ließ ihre Asche verstreuen.

Broadwaystücke

  • Kismet (1911)
  • Where Ignorance Is Bliss (1913)
  • A Thousand Years Ago (1914)
  • What It Means To A Woman (1914)
  • Mrs. Boltay’s Daughters (1915)

Filmographie

  • Fata Morgana (1914)
  • The Unafraid (auch bekannt als The Unexpected) (1915) als „Delight Warren“
  • Zvani (1915)
  • The Masque Of Life (1915)
  • Monna Vanna (1915)
  • La Mano di Fatma (1915)
  • Cuore ed arte (1915)
  • Love’s Sacrifice (1916)
  • The Honour To Die (1916)
  • Her Redemption (1916)
  • An International Marriage (1916) als „Florence Brent“
  • One Law For Both (1917) als „Elga Pulaski“
  • Quello che videro I miei occhi (1917)
  • National Red Cross Pageant (1917) als „France“
  • Lest We Forget (1918) als „Rita Heriot“
  • Theodora (auch bekannt als Theodora The Slave Princess) (1919) als „Theodora“
  • The Bride’s Confession (1921)
  • Roger la Honte (1922)
  • The Fall Of An Empress (auch bekannt als Messalina) (1922)
  • La marriage de minuit (1923)
  • Phi-Phi (1926)
  • Le Marchand de bonheur (1926)

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