Sankt Arnual

Sankt Arnual
Alter Ortskern mit neuem Stadtteil "Eschberg" im Hintergrund

Sankt Arnual ist ein Stadtteil von Saarbrücken. Bis 1897 war Sankt Arnual eine eigenständige Gemeinde. Am 31. Dezember 2005 wohnten hier 9.179 Personen.[1]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das heutige Sankt Arnual war Siedlungsgebiet der Mediomatriker. In römischer Zeit bestand am gegenüberliegenden Saarufer (am Fuße des Halbergs) eine römische Garnison und an der Stelle des heutigen St. Arnualer Marktes eine gallo-römische Siedlung - wahrscheinlich waren die beiden Teile des [vicus] Saravus durch eine (hölzerne?) Brücke verbunden. Auf den Ruinen dieser Siedlung entstand das Dorf Merkingen, das angeblich der Merowingerkönig Theudebert II. um 600 dem Metzer Bischof Arnual schenkte.[2] Arnual gründete ein erfolgreiches Missionszentrum und ist wahrscheinlich auch hier bestattet.[3] Fünf verschiedene Kirchen waren im Mittelalter Vorläufer der heutigen Stiftskirche. Archäologische Grabungen in den 1990er Jahren haben eine bedeutende merowingische Grabstätte in der Vierung der Stiftskirche bestätigt. Bald wurde Arnual als Heiliger verehrt, und Merkingen wurde in Sankt Arnual umbenannt.

Nach einer Volksabstimmung wurde Sankt Arnual 1897 Stadtteil von Saarbrücken. In Sankt Arnual befand sich der erste Flughafen von Saarbrücken, der 1955 vom neuen Flughafen in Saarbrücken-Ensheim abgelöst wurde.

Das Stift St. Arnual

Geschichte des Stiftes im Mittelalter

Das Stift St. Arnual wird im Jahre 1135 zum ersten Mal urkundlich erwähnt (eine Schenkungsurkunde Kaiser Heinrichs III. von 1046 ist wahrscheinlich eine Fälschung). Allerdings existiert ein mittelalterliches Siegel des Stiftes, das auf einen Gründer namens Odoaker hinweist. Dies war im Frühmittelalter zwar ein weit verbreiteter Name, es gibt jedoch aus dem 10. Jahrhundert aus der näheren Umgebung mehrere Grafen dieses Namens, die somit als Stifter in Frage kommen. Es ist deswegen nicht ausgeschlossen, dass schon unter Arnual eine Gemeinschaft von Klerikern hier gelebt hatte (was durch die o.g. archäologischen Funde gestützt wird), so dass es sich bei den Gründungen des 10. und des 12. Jahrhunderts um Wiedergründungen oder Erweiterungen handeln könnte. Die Kirche ist der Kathedrale in Reims nachempfunden.

Entsprechend der alten Beziehung des Dorfes Merkingen unterstand das Stift dem Bistum Metz und war der Sitz eines der sechs Archipresbyter des Bistums. Dem Stift stand damit die Dienstaufsicht über eine ganze Reihe selbstständiger Pfarreien zu (z.B. St. Ingbert und Dudweiler), außerdem gehörten zum Stift unmittelbar die sieben Stiftspfarreien Gersweiler, Sulzbach, Fechingen, Güdingen und Bübingen sowie die beiden heute französischen Orte Hesslingen und Thedingen.

Man schätzt, dass nie mehr als fünf bis sieben Stiftsherren in St. Arnual residierten. Diese wohnten, da sie rein rechtlich keine Mönche waren, nicht in einem gemeinsamen Klostergebäude (Konvent), sondern in einzelnen Herrenhäusern in der Nähe der Stiftskirche. Der Vorsteher des Stiftes war auch kein Abt, sondern er trug den Titel Dekan.

Das Stift unterhielt auch eine kleine Lateinschule, die 1223 erstmals erwähnt wurde und aus der später das Saarbrücker Ludwigsgymnasium hervorging.

Glanzvoller Höhepunkt in der Geschichte des Stiftes war 1147 der Besuch König Ludwigs VII. von Frankreich, der mit seinen Kreuzrittern hier Station machte.

Wann die Stiftsherren die Regel der Augustiner-Chorherren annahmen, ist nicht nachweisbar, im späten Mittelalter lebten sie jedenfalls schon nach dieser Ordensregel.

Das Stift in der Reformationszeit

Seit den 1550er Jahren zeigten sich die Chorherren des Stiftes der evangelischen Lehre Martin Luthers gegenüber aufgeschlossen. Dekan Nikolaus Beuck, seit 1551 Stiftsherr in St. Arnual, legte allerdings schon 1554 sein Amt nieder, weil ihm der Kurs des katholischen Grafen Philipp II. zu wenig entschieden war.

1561 wurde der Kirchenschatz des Stiftes geplündert, Teile der Beute wurden später in der Saar wiedergefunden.

Beucks Nachfolger als Dekan, Jodocus Bruer, versuchte ein letztes Mal eine Reform des Stiftes. Er forderte vom Schutzherren des Stiftes, dem Saarbrücker Grafen Johann IV. die Zulassung der Priesterehe und die Austeilung des Abendmahls unter beiderlei Gestalt (d.h. Brot und Wein) - beides wäre nach den Bestimmungen des Augsburger Interims von 1548 zulässig gewesen. Johann verbot das, worauf die Chorherren gegen ihn einen Prozess vor dem Reichskammergericht anstrengten und anführten, sie seien immer schon ein reichsunmittelbares Stift gewesen und könnten deshalb nach den Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens (von 1555) selbst über ihre Konfession bestimmen. Das konnte der Graf nicht zulassen, denn im Falle eines Sieges des Stiftes hätte er als Vogt die Kontrolle über den ausgedehnten Landbesitz des Stiftes verloren, der einen beträchtlichen Anteil an der Grafschaft ausmachte. Also ließ er kurzerhand den Dekan ins Gefängnis werfen, bis er die Klage zurückzog und sein Amt niederlegte. Johann verhinderte daraufhin die Wahl eines Nachfolgers und überführte 1569 das Vermögen (die Kirche und den Land- und Waldbesitz) in eine gesonderte Stiftung. Ironie der Geschichte: Johann, der letzte katholische Graf von Saarbrücken, löste das Kloster auf! Da er aber 1574 ohne (rechtmäßigen) Sohn starb, fiel die Grafschaft Saarbrücken an die evangelischen Vettern des Grafen aus der Linie Nassau-Weilburg, die 1575 die Reformation einführten. So besteht bis heute das Evgl. Stift St. Arnual als eigenständige Körperschaft kirchlichen Rechts.

Das Vermögen des Stiftes diente vor und nach der Reformation im Wesentlichen schulischen und kirchlich-sozialen Zwecken. So nutzten die Grafen das Vermögen, um die schon im späten Mittelalter belegte Lateinschule auszubauen und schließlich 1604 in das Ludwigsgymnasium Saarbrücken zu überführen, das älteste Gymnasium des Saarlandes. Bis heute ist der Vorstand des Stiftes bei den Entscheidungen des Ludwigsgymnasiums mitstimmungsberechtigt.[4]

Die Stiftskirche

Die Stiftskirche St. Arnual bei Nacht, im Hintergrund der Eschberg
Evangelische Stiftskirche St. Arnual
Bildnis Elisabeth von Lothringen (Ausschnitt Grabmal in Stiftskirche St. Arnual)
  • Maße
    • Name: Stiftskirche St. Arnual
    • Gesamtlänge (außen, mit Vorhalle): 61,20 m
    • Gesamtlänge (innen): 59,70 m
    • Querschiff (Breite, außen): 25,50 m
    • Querschiff (Breite, innen): 24,25 m
    • Mittelschiff (Breite, innen): 7,45 m
    • Langhaus mit Seitenschiffen (Breite, innen): 13,10 m
    • Mittelschiff (lichte Höhe bis Schlusssteine): 15,80 m
    • Langhaus (Firsthöhe): 22,10 m
    • Turmhöhe: 50,20 m
    • Mittelschiff (Fußbodenhöhe): 192,75 m über NN
  • Geografische Koordinaten (Turm)
    • Länge: 7° 1' 05,8"
    • Breite: 49° 13' 06,5"
    • Orientierung der Langhausachse: 62°
    • Horizonthöhe in der Achse: 5°

Der Bau der heutigen Stiftskirche wurde 1315 begonnen und wohl Ende des 14. Jahrhunderts abgeschlossen. Sie wurde Grablege des Hauses Nassau-Saarbrücken.

Waren die Vorgängerbauten der gotischen Kirche insgesamt noch recht klein, so barg der Neubau des 14. Jahrhunderts ein im wahrsten Sinne des Wortes fundamentales Problem: Während Turm und Langhaus der Kirche auf gewachsenem Fels des Saartals stehen, liegt der Chorraum auf Schwemmland. Das war bis zur Kanalisation der Saar in den 1960er Jahren kein Problem. Durch die Absenkung des Grundwasserspiegels, die durch den Saarausbau verursacht wurde, drohte Ende der 1980er Jahre die Kirche einzustürzen, weil der Chor mitsamt dem Unterbau quasi ins Rutschen geriet. In einem ungeheuer aufwändigen Verfahren und 15 Jahren Bauzeit musste der Chorraum mit 20 m tiefen Betonpfählen abgefangen werden. Dabei konnten aber auch umfangreiche archäologische Untersuchungen durchgeführt werden und die Kirche insgesamt renoviert werden.

Die bedeutendsten Kunstdenkmäler in der Kirche sind neben den Grabmälern der Grafen von Saarbrücken (darunter das von Elisabeth von Lothringen) die Fenster des ungarischen Künstlers György Lehoczky.

Foto-Galerie Stiftskirche

Sehenswertes

Felsenwege St. Arnual

Literatur

  • Stefan Flesch, Joachim Conrad, Thomas Bergholz: Mönche an der Saar. Die mittelalterlichen Ordensniederlassungen im saarländisch-lothringischen Grenzraum. Minerva-Verlag Thinnes und Nolte, Saarbrücken 1986, ISBN 3-477-00073-0
  • Hans-Walter Herrmann (Hrsg.): Die Stiftskirche St. Arnual in Saarbrücken. Rheinland-Verlag, Köln / Bonn 1998, ISBN 3-7927-1724-7 (= Schriftenreihe des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte, Band 130)
  • Die Stiftskirche St. Arnual in Saarbrücken. Hrsg.: Evangel. Kirchengemeinde St. Arnual. Bearb.: Hans-Günther Marschall u. Mitarb. v. Hans-Walter Herrmann u. Rolf J. Kiderle. Saarbrücken: Selbstverl. o.J.31 S., Abb.
  • Herrmann, Hans-Walter und Selmer, Jan [Hg.]: Leben und Sterben in einem mittelalterlichen Kollegiatstift. Archäologische und baugeschichtliche Untersuchungen im ehemaligen Stift St. Arnual in Saarbrücken. =Veröffentlichungen des Institut für Landeskunde im Saarland, Bd. 43, Saarbrücken 2007, 584 Seiten, 628 Abb., 19 Tab., 4 Pläne, 1 CD-ROM. ISBN 978-3-923877-43-0.
  • Brenner, Traudl: Karge Himmelsfeste waren Lehoczkys erster Paukenschlag. In: Saarbrücker Zeitung v. 24./25. Mai 2008, S. E1 (Ost)
  • Film: Doku "St. Arnual" von 1996 von bibel-tv und Landesbildstelle

Einzelnachweise

  1. http://www.saarbruecken.de/deepwebcms/servlet/download?pubid=4125 Autopsie 28. Dezember 2006.
  2. Die Urkunde darüber stammt aus dem 8. Jahrhundert und ist nicht im Original erhalten, sondern nur in franz. Abschriften aus dem 18. und 19. Jh, vgl. Herrmann, Hans Walter: Die Stiftskirche St. Arnual (SVRKG 130), S. 590
  3. Vgl. Herrmann, Hans Walter: Die Stiftskirche St. Arnual (SVRKG 130), S. 591-595
  4. Stift und Ludwigsgymnasium

Weblinks

 Commons: Sankt Arnual – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Vereine:

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