Zweikörperproblem

Zweikörperproblem
Zwei Körper bewegen sich durch gegenseitige Anziehung umeinander

In der Physik bezeichnet man als Zweikörperproblem die Aufgabe, die Bewegung zweier Körper, die ohne äußere Einflüsse nur miteinander wechselwirken, zu berechnen. Speziell wird als Zweikörperproblem auch die Aufgabe der klassischen Mechanik bezeichnet, die Bewegung zweier Körper zu berechnen, die sich gegenseitig mit einer Kraft anziehen oder abstoßen, die proportional zum Quadrat des inversen gegenseitigen Abstandes abnimmt.

Allgemein bekannte Beispiele solcher Zweikörperprobleme sind die Bewegung zweier kugelförmiger astronomischer Objekte (Doppelsterne, Planet und Sonne, Planet und Mond etc.), die sich im gegenseitigen Schwerefeld umeinander bewegen, und die Bewegung zweier geladener Teilchen (Proton und Elektron im Wasserstoffatom, aber auch elementare Streuprobleme), die sich im gegenseitigen elektrostatischen Feld anziehen oder abstoßen.

Im astronomischen Kontext wird das Problem auch als Keplerproblem bezeichnet. Ursprünglich wurde angenommen, das Zweikörperproblem würde zur Beschreibung eines heliozentrischen Kosmos ausreichen. Tatsächlich hat sich aber gezeigt, dass das Keplerproblem eine Idealisierung darstellt, die so in der Natur nur näherungsweise zu finden ist. Ungeachtet dessen ist die Lösung der Frage die Grundlage moderner Himmelsmechanik. Zudem ist bei vielen astronomischen Systemen der Einfluss anderer Körper relativ gering und die Lösung des Zweikörperproblems liefert eine gute Näherung der exakten Bahn.

Die Anwendbarkeit der Lösung des klassischen Zweikörperproblems im elektrostatischen Kontext ist hingegen durch die Quantennatur der atomaren Teilchen äußerst beschränkt. Eine befriedigende Näherungslösung solcher Probleme liefert daher erst das quantenmechanische Zweikörperproblem.

Inhaltsverzeichnis

Die keplersche Lösung

Die Lösung des himmelsmechanischen Problems ist historisch eng verwoben mit den Erkenntnissen Johannes Keplers, der bereits vor der modernen Formulierung der Mechanik die Bahnen der Planeten des Sonnensystems in der Form beschrieb, wie sie später durch Isaac Newton als Lösungen des exakten Zweikörperproblems gefunden wurden. Genauer handelt es sich um die Lösungen des aus dem Zweikörperproblem resultierenden Einzentrenproblems, bei dem eine Schwerkraftquelle im Zentrum des Systems steht (bei Kepler die Sonne), die einen einzelnen Körper (Planet) anzieht, ohne dass eine Rückwirkung des Körpers auf die Quelle stattfindet, die also im Zentrum verharrt.

Mögliche Bahnkurven nach Kepler

Die Lösung des Problems gliedert sich in folgende Teile:

  • 1. und 2. keplersches Gesetz (gefunden 1599 bis 1609, der Ellipsen- und der Flächensatz) und
  • 3. keplersches Gesetz (1619, in der Weltharmonie veröffentlicht).
  • die Keplergleichung

Als mögliche Bahnen (Keplerbahnen) kommen Kreise, Ellipsen, Parabeln und Hyperbeln in Frage. Bei Kreisen und Ellipsen sind die Körper aneinander gebunden wie die Planeten an die Sonne. Ist die Bahnform parabolisch oder hyperbolisch, so findet nur eine Begegnung statt, wie dies z.B. bei einigen Kometen der Fall ist.

Die nebenstehende Zeichnung stellt die verschiedenen Bahnkurven für ein Einzentrenproblem dar. Die verschieden Bahnkurven werden durch eine positive reelle Zahl, die sogenannte numerische Exzentrizität charakterisiert. Gebundene Bahnen (Kreise und Ellipsen) haben eine numerische Exzentrizität von ε < 1, wobei der Kreis einer Exzentrizität ε = 0 entspricht. Größere Exzentrizitäten führen zu offenen Bahnen (Parabeln mit ε = 1 und Hyperbeln mit ε > 1). Diese offenen Bahnen wurden von Kepler noch nicht beschrieben, ordnen sich aber sinnvoll in sein Lösungsschema ein.

Das klassische Problem

Das klassische astronomische Zweikörperproblem befasst sich mit der Bewegung zweier einzelner (kugel- oder punktförmiger) Himmelskörper im gegenseitigen Gravitationsfeld, wie es die newtonsche Gravitationstheorie formuliert. Die Gravitationskraft ist in dieser Theorie eine Fernwirkungskraft (d.h. sie wirkt instantan über jede Entfernung). Die Gravitationskraft jedes Körpers wirkt radialsymmetrisch und nimmt mit dem Abstand vom Zentrum des Körpers proportional zum Quadrat des inversen Abstandes (~1/r2) ab und zeigt an jedem Punkt im Raum in Richtung des Zentrums des kraftausübenden Körpers. Zudem ist die Kraft proportional sowohl zur Masse des anziehenden Körpers, als auch zur Masse des angezogenen Körpers.

Mathematische Modellierung der Lage zweier Körper im Raum

Formuliert man das Kraftgesetz mathematisch, indem man vektorielle Koordinaten einführt (s. nebenstehende Abbildung), ergibt sich für die Kraft des zweiten Körpers auf den ersten Körper

\mathbf{F}_{21}(\mathbf{x}_1,\mathbf{x}_2)= - G m_1 m_2 \frac{\mathbf{x}_1-\mathbf{x}_2}{|\mathbf{x}_1-\mathbf{x}_2|^3}.

sowie für die Kraft des ersten Körpers auf den zweiten Körper

\mathbf{F}_{12}(\mathbf{x}_1,\mathbf{x}_2)= - G m_1 m_2 \frac{\mathbf{x}_2-\mathbf{x}_1}{|\mathbf{x}_1-\mathbf{x}_2|^3},

Beide Kräfte sind, dem dritten newtonschen Axiom entsprechend, vom Betrag gleich, aber in der Richtung entgegengesetzt.

Nach dem zweiten newtonschen Axiom bewirken beide Kräfte jeweils beim angezogenen Körper eine Beschleunigung. Setzt man dies in obige Kraftgleichung ein, so erhält man ein System gekoppelter Differentialgleichungen:

\ddot{\mathbf{x}}_1= - G  m_2 \frac{\mathbf{x}_1-\mathbf{x}_2}{|\mathbf{x}_1-\mathbf{x}_2|^3},
\ddot{\mathbf{x}}_2= - G  m_1 \frac{\mathbf{x}_2-\mathbf{x}_1}{|\mathbf{x}_1-\mathbf{x}_2|^3},

wobei in jeder Gleichung die Masse des angezogenen Körpers auf beiden Seiten gekürzt wurde. Um das Gleichungssystem lösen zu können, müssen die Gleichungen entkoppelt werden. Dazu werden neue Koordinaten, die Jacobi-Koordinaten, eingeführt (siehe Abbildung):

\mathbf{r}:=\mathbf{x}_1-\mathbf{x}_2
\mathbf{R}:=(m_1 \mathbf{x}_1+ m_2 \mathbf{x}_2)/(m_1+m_2).

Der erste Vektor beschreibt den relativen Abstand der Körper, der zweite Vektor den Massenschwerpunkt (Baryzentrum) des Systems. Durch geschickte Addition geeigneter Vielfacher der beiden Gleichungen erhält man nun die Gleichungen

\ddot{\mathbf{R}}=0,
\ddot{\mathbf{r}}=-G  M \frac{\mathbf{r}}{|\mathbf{r}|^3},

wobei M: = m1 + m2 die Gesamtmasse bezeichnet. Die erste Gleichung beschreibt die Bewegung des Massenschwerpunkts und kann auch als Folgerung aus dem allgemeinen Schwerpunktsatz verstanden werden: der Massenschwerpunkt bewegt sich geradlinig und gleichförmig. Diese Tatsache gilt auch für kompliziertere Systeme aus mehreren Körpern.

Das Einzentrenproblem

Die zweite Gleichung des obigen Systems beschreibt die Relativbewegung der beiden Massen zueinander. Es ist die Bewegungsgleichung einer einzelnen, kleineren Masse μ (reduzierte Masse), die sich im Schwerefeld einer weitaus größeren Masse bewegt. Die Lösung dieses so genannten Einzentrenproblems geht auf Newton zurück und erklärt die von Kepler bereits angegebene Lösung. Sie soll hier skizziert werden.

Der erste Schritt zur Lösung dieses Problems ist die Tatsache, dass sich die einzelnen Körper in einem Zentralkraftfeld bewegen. Dies bedeutet, dass die Kraft, die von der Quelle im Zentrum ausgeht, immer in Richtung des Radiusvektors \mathbf{r} zeigt. Eine direkte Folge hieraus ist, dass die Quelle eine Kraft, aber kein Drehmoment auf den umlaufenden Körper ausübt, denn dieses ist das Vektorprodukt von Kraft und Radiusvektor:

 \mathbf{T}=\mathbf{F}\times \mathbf{r}=-\frac{GM\mu}{|\mathbf{r}|^3}\mathbf{r}\times\mathbf{r}=0.

Da das Drehmoment aber die zeitliche Änderung des Drehimpulses angibt, folgt, dass dieser während der Bewegung zeitlich konstant sein muss. Der Drehimpuls ist ein Vektor, der sowohl auf dem Radiusvektor als auch auf dem Geschwindigkeitsvektor des Körpers senkrecht steht, da er durch das Vektorprodukt dieser beiden Vektoren gegeben ist:

 \mathbf{L}=\mu \dot{\mathbf{r}}\times \mathbf{r}.

Dies ist aber nur möglich, wenn die gesamte Bewegung in einer Ebene abläuft, die senkrecht auf dem Drehimpulsvektor steht. Bewegungen, die in einer Ebene stattfinden, lassen sich am einfachsten in Polarkoordinaten beschreiben. Die vektorielle Bewegungsgleichung des Einzentrenproblems kann dann in zwei gekoppelte gewöhnliche Differentialgleichungen umformuliert werden:

\ddot{r}-r \dot{\phi}^2=-\frac{GM}{r^2}
\frac{d}{dt}(\mu r^2\dot{\phi})=0,

wobei die zweite dieser Gleichungen die zeitliche Ableitung des Drehimpulses l ist:

l=\mu r^2\dot{\phi}

Diese Größe wird als erstes Integral der Bewegung (Erhaltungsgröße) bezeichnet und liefert uns einen Zusammenhang zwischen dem Abstand des betrachteten Körpers vom Gravitationszentrum und seiner Winkelgeschwindigkeit. Weiterhin entspricht sie dem zweiten keplerschen Gesetz, dem Flächensatz: Der Ausdruck r^2\dot{\phi} ist nämlich gerade der doppelte Flächeninhalt des Gebiets, das der Radiusvektor in einem infinitesimalen Zeitintervall überstreicht. Da seine zeitliche Ableitung verschwindet, ist diese Fläche stets dieselbe.

Energieerhaltung

Verwenden wir die obige Definition des Drehimpulses, um aus der verbleibenden Differentialgleichung den Winkel ϕ zu eliminieren, so erhalten wir ein Gesetz für den Abstand r, die Radialgleichung:

\ddot{r}-\frac{l^2}{\mu^2 r^3}=-\frac{GM}{r^2},

die durch Multiplikation mit \dot{r} und μ in der Form

\frac{d}{dt}\left(\frac{\mu}{2} \dot{r}^2+\frac{l^2}{2\mu r^2}-\frac{GM\mu}{r}\right)=0

geschrieben werden kann. Die drei Summanden in dieser Gleichung entsprechen dem Radial- und Winkelanteil der kinetischen Energie sowie der potentiellen Energie des Körpers. Gemeinsam ergeben sie seine Gesamtenergie

E=\frac{\mu}{2} \dot{r}^2+\frac{l^2}{2\mu r^2}-\frac{GM\mu}{r},

die laut obiger Gleichung zeitlich konstant und somit ebenfalls ein Integral der Bewegung ist. Die Gesamtenergie muss natürlich schon allein deshalb erhalten sein, weil es sich bei einem Gravitationsfeld um ein konservatives Feld handelt.

Bahnkurve

Gibt man die Werte für die beiden Integrale der Bewegung E und l vor, so lässt sich die Bewegungsgleichung lösen, indem man zunächst die radiale Bewegung r(t) aus der Form des Energieintegrals (letzte Gleichung im obigen Abschnitt) und sodann die Winkelbewegung ϕ(t) aus dem Drehimpulsintegral l=\mu r^2\dot{\phi} berechnet. Allerdings führt dieser Weg auf Gleichungen, die man als unanschaulich bezeichnen kann, da man ihnen die Form der Bahn nicht direkt ansehen kann.

Daher ist es üblich, entweder die Radialgleichung oder das Energieintegral zunächst in eine Differentialgleichung nach dem Winkel φ anstelle der Zeit umzuformen. Hier wird der zweite Weg vorgestellt: [A 1]

E:=\frac{l^2}{2\mu r^2}\left( \frac{r'^2}{r^2}+1\right)-\frac{GM\mu}{r}.

Die Bahnkurve, die diese Gleichung löst, ist, wenn man die Willkür in der Wahl des Winkels φ so ausnutzt, dass die größte Annäherung an das Zentrum (Periapsis) bei φ=0 liegt, von der Form

r(\phi)=\frac{p}{1+\epsilon \cos \phi},

wobei man durch Einsetzen nachrechnen kann, dass für die beiden Parameter p=\frac{l^2}{G M \mu^2} und \epsilon^2=\frac{2 E\, l^2}{G^2 M^2 \mu^3}+1 gelten muss. Dies ist die Gleichung eines Kegelschnitts mit numerischer Exzentrizität ε.

Ist die Gesamtenergie negativ, ist die Bewegung gebunden, d.h. es gibt einen maximalen Abstand (Apoapsis)  p/(1-\epsilon) vom Zentrum mit ε kleiner als Eins. Es handelt es sich bei der Bahn in diesem Fall um eine Ellipse, in deren einem Brennpunkt das Zentrum liegt, deren große Halbachse a= p/(1-\epsilon^2) ist. Dies war genau die Aussage des ersten keplerschen Gesetzes (Ellipsensatz). Dass die Bahnkurve bei negativer Gesamtenergie zudem immer geschlossen ist, ist ein Spezialfall, der bei anderen radialsymmetrischen Kraftfeldern nur noch beim harmonischen Oszillator vorkommt, dessen Kraftfeld proportional zum Abstand vom Zentrum wächst.

Ist die Gesamtenergie positiv, so ist die Bahn eine Hyperbel mit kleinstem Abstand  p/(1+\epsilon) vom Zentrum. Der Grenzfall mit Energie E=0 ist der einer Parabel, deren kleinster Abstand vom Zentrum gerade gleich p/2 ist.

Zeitparameter

Um bei bekannter Bahn r(ϕ) die zeitliche Bewegung zu erhalten, kann man nun das Drehimpulsintegral benutzen, um die Funktion ϕ(t) zu erhalten. Durch Integration führt dieser Weg auf eine Funktion t(ϕ), die dann noch invertiert werden muss. Eine anschauliche Methode, um die Funktion ϕ(t) zu erhalten, ist die von Kepler gefundene Kepler-Gleichung. Dieser Methode liegt der keplersche Flächensatz zugrunde, d.h. ihre physikalische Grundlage bildet ebenfalls das Drehimpulsintegral. Die Zeitabhängigkeit der Bahnkurve führt allerdings außer in den Spezialfällen ε=0 und ε=1 auf die Lösung einer transzendenten Gleichung, so dass die Lösung nicht in geschlossener Form mithilfe von Standardfunktionen darstellbar ist. Konkret wird die Lösung dieser Gleichung daher mittels numerischer Verfahren ermittelt.

Die Umlaufzeit T des Körpers auf einem elliptischen Orbit lässt sich dagegen direkt aus dem Drehimpulsintegral bestimmten. Da die Fläche der Ellipse  A=\pi a^2\sqrt{1-e^2} beträgt und außerdem A=l/(2\mu)\,T gilt, ist

T^2=\frac{4 \pi^2 a^3}{G M}.

Dies ist genau die Aussage des dritten keplerschen Gesetzes.

Gemeinsame Bewegung

Taumelbewegung zweier ungleich großer Massen um ihren gemeinsamen Schwerpunkt (als kleiner gelber Kreis dargestellt)

Nachdem das Einzentrenproblem gelöst ist und die Bewegung des Schwerpunktes ebenfalls bekannt ist, kann man die Jacobi-Koordinaten wieder in die ursprünglichen inertialen Koordinaten umrechnen:


\mathbf{x}_{1} = 
\mathbf{R} + \frac{m_{2}}{M} \mathbf{r}
\quad
\mathbf{x}_{2} = 
\mathbf{R} - \frac{m_{1}}{M} \mathbf{r}.

Die beiden Körper bewegen sich also um ihren gemeinsamen Schwerpunkt auf Ellipsen, wobei das Verhältnis der Abstände zum Schwerpunkt durch das Massenverhältnis bestimmt ist. Der Schwerpunkt selbst bewegt sich geradlinig und gleichförmig, so dass die Bahnen der beiden Körper eine Art „Schlangenkurve“ um die Bahn des Schwerpunktes beschreiben. Diese so genannte Taumelbewegung ist von großer Wichtigkeit bei der indirekten Beobachtung unsichtbarer Begleiter von Sternen (z. B. Exoplaneten).

Inverses Problem: Bahnbestimmung

Hauptartikel: Bahnbestimmung

Mit der Lösung des Zweikörperproblems ist es möglich, bei Angabe genügend vieler Anfangswerte die Bahnkurve zweier Himmelskörper, die ausreichend genau als Zweikörpersystem angesehen werden können, zu berechnen. In der Himmelsmechanik steht man allerdings meist vor dem inversen Problem: aus der beobachteten Bahn sollen die Modellparameter (Anfangswerte) berechnet werden. Mit den oben dargestellten Methoden lässt sich dann die Position der Himmelskörper für die (nähere) Zukunft berechnen, wenn die störenden Einflüsse genügend klein sind.

Die Anzahl der zu bestimmenden Anfangswerte ist stets durch das ursprüngliche System von Differentialgleichungen gegeben. Da es sich um eine Gleichung zweiter Ordnung für die Bewegung zweier Körper im dreidimensionalen Raum handelt, sind dies 2×2×3=12 Parameter. In welcher Form diese zwölf Werte auftauchen, hängt allerdings von der konkreten Situation und dem gewählten Verfahren ab. Im „brute-force“-Verfahren der direkten numerischen Integration des Ausgangssystems werden beispielsweise für jeden der beiden Körper jeweils drei Werte für die Startposition und drei Werte für die Startgeschwindigkeit gegeben. Wählt man den oben vorgestellten analytischen Weg, so werden zunächst drei Startpositionswerte und drei Startgeschwindigkeitswerte für die Schwerpunktsbewegung gesucht. Das verbleibende Einzentrenproblem erfordert dann weitere sechs Parameter, die klassischerweise durch die Bahnelemente angegeben werden: zwei Winkel, die die Lage der Bewegungsebene im Raum festlegen (und damit die Lage des Drehimpulsvektors), ein Winkel, der die Lage der Bahn innerhalb dieser Ebene beschreibt (und damit den Nullpunkt des Polarwinkels φ), sowie große Halbachse und numerische Exzentrizität der kegelschnittförmigen Bahn (die zusammen die Energie und den Betrag des Drehimpulses bestimmen). Außerdem muss die Anfangsposition des umlaufenden Körpers als Winkel oder als Zeitbezug durch Angabe der Periapsiszeit angegeben werden. Eine alternative elegante Methode zur Angabe dieser sechs Anfangswerte ist die Angabe zweier zeitlich konstanter Vektoren: des Drehimpulsvektors und des Laplace-Runge-Lenz-Vektors. Allerdings bestimmen diese beiden dreidimensionalen Vektoren nicht sechs, sondern nur fünf der Bahnelemente, da die Vektoren notwendigerweise senkrecht aufeinander stehen. Daher muss wiederum der Zeitbezug durch Angabe der Periapsiszeit hergestellt werden, oder ein Startwinkel festgelegt werden.

Die wichtigsten Methoden zur Bestimmung der Bahnelemente aus den Beobachtungsdaten gehen auf Isaac Newton, Pierre-Simon Laplace und Carl Friedrich Gauß zurück.

Grenzen der Zweikörperlösung

Das Zweikörperproblem stellt eine Idealisierung dar, die in konkreten Situationen selten hinreichend genau den Sachverhalt widerspiegelt. Ausnahmen bilden lediglich echte Doppelsterne ohne Planeten oder dunkle Begleiter, deren Komponenten weit genug voneinander entfernt sind, so dass Gezeiteneffekte vernachlässigbar sind, oder klassische (nicht-quantentheoretische) Modelle des Wasserstoffatoms sowie radialsymmetrische Einzentren-Streuprobleme.

Mehrere Körper

In fast allen realen Situationen befinden sich jedoch mehr als zwei Körper miteinander in Wechselwirkung. Allerdings ist das Bewegungsproblem mehrerer Körper nicht in ähnlicher Weise lösbar, wie dies hier für zwei Körper vorgestellt wurde. Schon das Dreikörperproblem, also die Aufgabe der Bahnberechnung, wenn die Wechselwirkung eines dritten Körpers berücksichtigt wird, ist in der Regel nicht streng lösbar und kann in Allgemeinheit nur numerisch gelöst werden.[A 2] Diese Schwierigkeit setzt sich natürlicherweise bei der Lösung von Mehrkörperproblemen mit weiteren Komponenten fort. Ausnahmen sind dabei nur hochsymmetrische Konstellationen, bei denen beispielsweise die Körper regelmäßige Vielecke bilden, auf einer Linie liegen oder schalenförmig um ein Zentrum ausgedehnt sind. Eine wichtige Anwendung finden solche Anordnungen im Studium der Bewegung kleiner Körper, die sich in einem der fünf Lagrange-Punkte eines Zweikörpersystems befinden.

Abweichung von der Kugelgestalt

Ein weiteres Problem stellt die Abweichung eines oder beider Körper von der Kugelgestalt dar. Viele astronomische Körper werden nur ungenau durch eine radialsymmetrische Massenverteilung beschrieben. In einigen Fällen lassen sich die Objekte wesentlich genauer modellieren, wenn man sie als abgeplattete Rotationsellipsoide betrachtet. Dies gilt sowohl für viele Planeten, Sterne, aber auch für Spiralgalaxien, die sich gut als flache Scheiben modellieren lassen. Ist dabei einer der beiden Körper wesentlich kleiner als der andere, kann ein solches System als axialsymmetrisches Einzentrenproblem beschrieben werden, das allgemeiner ist als das oben beschriebene, aber weiterhin einer allgemeinen Lösung zugänglich ist. Sind beide Körper von vergleichbarer Größe und nicht in dieselbe Richtung abgeplattet, ist allerdings auch dieser Weg verschlossen. Zudem können Gezeitenkräfte zwischen den Körpern zu dynamischen Verformungen führen, wie dies in engen Doppelsternen oft der Fall ist. Diese führen zu einer komplexen Dynamik zwischen Rotation der Einzelkörper und der Bewegung der Körper umeinander.

Störungstheorie

Trotzdem ist die Keplerlösung die Basis aller modernen Planetentheorien (wie auch der Mondtheorien und der Bewegungstheorien aller anderen Himmelskörper). Die Bahnen fast aller natürlichen Objekte unseres Sonnensystems, der meisten Mehrfachsterne und auch von Galaxien, sind derart, dass sie sich in erster Näherung durchaus durch die Keplerlösung beschreiben lassen. Die Bahnelemente der Keplerbahnen, die aus den Anfangsbedingungen ermittelt werden, sind dann aber nicht mehr als konstant anzunehmen, sondern werden störungstheoretisch behandelt. Die Bahnelemente, die zu einem gewissen Zeitpunkt gültig sind, werden dann als oskulierend beschrieben, da sie die Keplerbahn bestimmen, die sich der realen Bahn momentan möglichst genau anschmiegt.

Drehung der Apsidenlinie am Beispiel des Merkurs. Exzentrizität der Bahn und Betrag der Drehung sind schematisch übertrieben dargestellt.

Weiterhin lassen sich die Einflüsse der Störkörper auf das Zweikörpersystem oft über längere Zeiträume mitteln, wodurch die Beschreibung des Problems an Symmetrie gewinnt. Solche Einflüsse führen z.T. auf zeitlich konstante oder periodische Veränderungen der Bahnelemente. Beispiele für solche Phänomene sind z.B. die gleichmäßige Drehung der Apsidenlinie, also der Lage der Keplerbahn in der Bahnebene, und die gleichmäßige Verschiebung der Bahnknoten um eine invariante Ebene (die Laplace-Ebene). In der Mondtheorie sind weiter Beispiele solcher periodischen Störungen die Evektion und die Variation.

Zweikörpersysteme in der ART

Die moderne Gravitationstheorie findet ihre Beschreibung in der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART). Wenn die Massen der zwei Körper hinreichend klein sind, die Abstände zueinander relativ groß und die Geschwindigkeiten der Körper weit unterhalb der Lichtgeschwindigkeit liegen, kann das System durch den newtonschen Grenzfall der Theorie beschrieben werden. In anderen Worten: die oben skizzierte Lösung innerhalb der newtonschen Gravitationstheorie bietet eine sehr gute Näherungslösung. Sind die Bedingungen für die Gültigkeit des Grenzfalls nicht erfüllt oder sind die Anforderungen an die Genauigkeit sehr hoch, muss jedoch das Problem innerhalb der vollen ART gelöst werden - eine Aufgabe, die sich als wesentlich komplizierter erweist.

Im einfachsten Fall, der glücklicherweise sehr viele Anwendungen hat, ist einer der beiden Körper sehr viel größer als der andere. Es ist dann gerechtfertigt, das kleine Objekt als Testkörper im Feld des großen Objektes zu betrachten, d.h. der kleine Körper verursacht keine merkliche Rückwirkung auf den großen. Man kann das Problem dann analog zur newtonschen Theorie als allgemeinrelativistisches Einzentrenproblem beschreiben. Auch in der ART erweist sich dieses Problem aufgrund der Radialsymmetrie als gut analysierbar. In ähnlicher Form, wie es oben beschrieben wurde, lassen sich Integrale der Bewegung finden[A 3] Allerdings führt die Analyse auf eine Radialgleichung, die einen zusätzlichen Term gegenüber der newtonschen Theorie enthält, der in der Folge bewirkt, dass die Bahnen auch bei negativer Gesamtenergie nicht geschlossen sind. Statt dessen sind die Bahnen, wie dies auch für Zweikörpersysteme mit anderen Kraftgesetzen als dem newtonschen gilt, Rosettenbahnen. Dieser Effekt hat Berühmtheit erlangt, da er es ermöglicht, die zusätzliche Periheldrehung des Merkur zu erklären.

Das allgemeinrelativistische Zweikörperproblem in aller Allgemeinheit, also mit zwei Körpern die miteinander wechselwirken, ist ungleich komplizierter. Da die Anwesenheit der beiden Massen die Raum-Zeit-Struktur selbst verändert, sind Konzepte wie Massenschwerpunkt, Gesamtenergie, Drehimpuls nicht länger anwendbar.[A 4] Daher ist keine Reduktion des Problems auf ein Einzentrenproblem möglich. Außerdem ist die Beeinflussung der Raum-Zeit in der mathematischen Struktur dadurch verankert, dass das Problem nicht durch gewöhnliche Differentialgleichungen, sondern durch partielle Differentialgleichungen beschrieben wird. Die nicht-lineare Struktur dieser Gleichungen macht die Lösung der Gleichungen selbst mit numerischen Methoden problematisch. In heuristischer Herangehensweise kann man im allgemeinen Fall versuchen, die klassischen Konzepte näherungsweise zu übernehmen. Diese Beschreibung führt zu Effekten wie der Abstrahlung von Gravitationswellen und einem damit verbundenen „Drehimpulsverlust“. Die Orbits der Körper beschrieben dann Spiralbahnen um einen gemeinsamen „Schwerpunkt“, die immer enger werden bei kürzer werdender Umlaufzeit. Die exakte Beschreibung dieser Phänomene im Rahmen einer post-newtonschen Näherung[1][2] ist aufgrund ungeklärter Konvergenzeigenschaften der Näherungen umstritten.

Fußnoten

  1. Zumeist wird auch noch die Substitution u: = 1 / r durchgeführt, so dass man die folgende DGL erhält:
     E:=\frac{l^2}{2\mu}\left( u'^2+u^2\right)-GM\mu u.
  2. Diese Tatsache hängt nicht damit zusammen, dass eine allgemeine geschlossene Lösung bisher unbekannt ist. Es handelt sich vielmehr um ein prinzipielles Problem der Lösungsstruktur des Differentialgleichungssystems, das die Existenz einer solchen Lösung nicht zulässt.
  3. Wie im newtonschen Fall ist die Existenz der „Integrale“, d.h. von Erhaltungsgrößen der Bewegung, aus dem allgemeinen Noether-Theorem begründbar.
  4. Da es keinerlei Symmetrien gibt, ist die Existenz von Erhaltungsgrößen nicht aus dem allgemeinen Noether-Theorem ableitbar.

Einzelnachweise

  1. C.M. Will: Theory and Experiment in Gravitational Physics, Cambridge Univ. Press 1993
  2. A. Einstein und L. Infeld: On the Motion of Particles in General Relativity Theory, Can. J. Math. Vol. 1 (1949) p.209

Literatur

  • Andreas Guthmann: Einführung in die Himmelsmechanik und Ephemeridenrechnung. BI-Wiss.-Verl., Mannheim 1994, ISBN 3-411-17051-4.
  • A.E. Roy: Orbital Motion. Adam Hilger, Bristol 1988.
  • W. Thirring: Lehrbuch der Mathematischen Physik. Bd. 1, Springer-Verlag, Wien 1988, ISBN 3-211-82089-2, (Kap. 4.2).
  • H. Kartutunen et al.: Fundamental Astronomy. Springer-Verlag, Berlin 1987, ISBN 3-540-17264-5, (Kap. 7).

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