Gustav Gieselbusch

Gustav Gieselbusch

Gustav Gieselbusch (* 2. Mai 1872 in Berlin; † 5. Oktober 1922 in Hamburg) war ein baptistischer Geistlicher und Direktor des Baptistischen Predigerseminars in Hamburg-Horn.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach seiner schulischen Ausbildung und einer kaufmännischen Lehre immatrikulierte sich Gustav Gieselbusch an der Berliner Universität und studierte Evangelische Theologie. Als Mitglied einer Baptistengemeinde wurde es ihm allerdings verwehrt, das Studium mit dem damals ausschließlich üblichen landeskirchlichen Examen abzuschließen. Gieselbusch trat als Kaufmann in das väterliche Geschäft ein und versah am 1899 neben seiner beruflichen Tätigkeit den Pastorendienst in der Baptistengemeinde Berlin, Wattstraße. 1910 wurde er zum Pastor der Baptistengemeinde Berlin, Gubener Straße berufen und blieb in diesem Amt bis 1914.[1] Als Mitherausgeber des Hülfsboten, einer theologischen Zeitschrift für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter der deutschen Baptisten, fungierte Gustav Gieselbusch von 1900 bis 1911.[2] Im Juli 1914, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde Gieselbusch zum Direktor des Hamburg-Horner Predigerseminars der deutschen Baptisten berufen. Kurz nach seinem Amtsantritt erhielten die meisten Horner Seminaristen ihre Einberufungsbefehle.[3] Der Lehrbetrieb konnte nur noch eingeschränkt stattfinden, zumal kurz nach Beginn des Wintersemesters auch Lehrkräfte zum Militärdienst eingezogen wurden. Trotz der Kriegsereignisse wurde unter dem Direktorat Gieselbuschs der begonnene Erweiterungsbau des Predigerseminars 1915 vollendet. Der Lehrbetrieb musste jedoch im Juli 1916 gänzlich eingestellt werden, da nur noch maximal zehn Studierende am Unterricht teilnahmen.[4]. Noch im September desselben Jahres erhielt Gustav Gieselbusch seine Einberufung als Etappen-Offizier und kehrte 1918 schwer erkrankt aus dem Weltkrieg zurück.[5] Am 8. Januar 1919 wurde das Predigerseminar wieder eröffnet. Rückblickend auf das erste Nachkriegsjahr schrieb Gieselbusch in einem Jahresbericht: "Wie arg sich die Verhältnisse in unserem deutschen Vaterland gewandelt haben, machte sich uns an zwei Tagen vor allem eindrücklich: einmal am 27. Januar [1919], den wir entgegen früherer Gewohnheit und noch lebendigem Wunsch mussten vorüber gehen lassen, ohne des Kaisers zu gedenken, den nun im Unglück feindlicher Hass und völkischer Unverstand verfolgt, und am 1. Mai, an dem auf das Gebot der neuen Machthaber im Volksstaat Hamburgs das Revolutionsfest durch Ausfall des Unterrichts gefeiert wurde. [...] Dennoch haben wir, dem Gebot der Schrift getreu, uns der neuen Regierung, nachdem sie durch Volkswahl[6] bestätigt war, willig untergeordnet."[7]

Die letzten Dienst- und Lebensjahre Gustav Gieselbuschs standen unter dem Schatten einer schweren Erkrankung, die er sich während des Ersten Weltkrieges zugezogen hatte und an deren Folgen er 1922 starb.

Bedeutung

Auch wenn Gieselbuschs Lebenswerk "aufgrund seines frühen Todes fragmentarisch blieb",[8] darf sein Einfluss auf den deutschen Baptismus nicht unterschätzt werden. Durch seine zahlreichen Veröffentlichungen im Hülfsboten zu konkreten Fragen des praktischen Gemeindelebens wirkte er nachhaltig als Erneuerer des Gemeindeaufbaus in der dritten Generation seiner Freikirche. Besonders zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang sein Engagement für den Dienst der Frau im Gemeindeaufbau.[9] Identitätsstiftend wirkte insbesondere unter baptistischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen seine Schrift Warum wir Baptisten sind.[10] Weitere Bedeutung erlangte er unter anderem dadurch, dass er baptistische Theologie auf überkonfessionellen und internationalen Kongressen vertrat.[11] Auch auf dem ersten europäischen Baptisten-Kongress in Berlin 1908 hielt er wichtige Vorträge: "Entwicklung und Stand des Baptismus in Deutschland" (Offizieller Bericht, 130-142) sowie "Der Baptismus und die moderne Weltanschauung", (290-294); außerdem stellte er die Wirkung des Kongresses in der Presse dar (371-382).

Familie

Gustav Gieselbusch war seit 1897 verheiratet mit Berta Gieselbusch (1875–1956), Tochter des Baptistenpastors Eduard Scheve. Nach dem frühen Tod ihres Ehemannes verdiente sie als Aufsichtsbeamtin in einer Banknotendruckerei den Lebensunterhalt der Familie. Sie gilt unter anderem als die Mitbegründerin des Frauendienstes des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten). Von 1929 bis 1942 war sie auch dessen Vorsitzende.[12] Aus der Ehe mit Berta Gieselbusch ging Dr. Hermann Gieselbusch (1899–1976) hervor, der in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts leitende Funktionen im Evangelisch-Freikirchlichen Gemeindebund innehatte.[13]

Schriften in Auswahl

  • Warum wir Baptisten sind? - Eine Gewissensfrage. Für unsere Jugend aus der Geschichte bearbeitet , Cassel 1922
  • Wir aber hoffeten ...!, Cassel 1919
  • Modernes Täufertum und religiöser Fortschritt, in: Fünfter Weltkongress für freies Christentum und religiöser Fortschritt. Berlin 5. bis 10. August 1910. Protokoll der Verhandlungen, 2. Band, Berlin-Schöneberg 1911 (hrsg. von Max Fischer und Friedrich Michael Schiele), S. 650–663
  • Die Religiösen Gemeinschaften der Mennoniten, Baptisten, Theosophen, Evangelischen Gemeinschaft und Methodisten. Fünf Vorträge gehalten von D.J.G. Appeldoorn, Gustav Gieselbusch, J.Th. Heller, R. Kücklich und P. Gustav Junker beim 5. Weltkongress für Freies Christentum und religiösen Fortschritt, Berlin 1910, Berlin-Schöneberg 1911.
  • Die Notwendigkeit und Bedeutung des Frauendienstes in der Gemeinde, 1909
  • Das neue Glaubensbekenntnis der deutschen Baptisten, in: Zeitschrift: Der Hülfsbote 29, 1909, 124–132
  • Artikel Spurgeon, Charles Haddon, in: Realenzyklopädie, Band 18, 3. Auflage, 1906, S. 607ff
  • Zur Einzelkelchbewegung, in: Der Hülfsbote, 24. Jahrgang, 1904, S. 213–219

Literatur

  • Hans Luckey: Festschrift zum 50jährigen Bestehen des Predigerseminars, Hamburg 1930, S. 63–68
  • Günter Balders (Hrsg.): Festschrift. 100 Jahre Theologisches Seminar des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden. 1880–1980, Wuppertal und Kassel 1980, ISBN 3-7893-7874-7
  • Günter Balders: Ein Herr - ein Glaube - eine Taufe. 150 Jahre Baptisten in Deutschland, Kassel 1984, S. 346f (Kurzbiographie Gustav Gieselbusch)
  • Astrid Giebel: Erneuerung des Diakonats im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden, in: Beiheft (Auf dem Weg zum Diakonat) zur Zeitschrift Theologisches Gespräch, 3/2001 (auch online einsehbar)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Kurzbiographie Gustav Gieselbusch auf der Homepage des Theologischen Seminars Elstal eingesehen am 5. Mai 2010
  2. Günter Balders: Ein Herr - ein Glaube - eine Taufe, a.a.O., S. 346f (Biographieartikel Gustav Gieselbusch)
  3. Günter Balders, Festschrift, a.a.O., 119
  4. Günter Balders: Festschrift, a.a.O., S. 120
  5. Kurzbiographie Gustav Gieselbusch auf der Homepage des Theologischen Seminars Elstal (Fachhochschule); eingesehen am 6. Mai 2010
  6. Gemeint sind die ersten freien Hamburger Bürgerschaftswahlen vom 16. März 1919.
  7. Horner Glaubenspanier. Nachrichten aus dem Predigerseminar der deutschen Baptisten (Zweimonatsbeilage zum Wahrheitszeugen); zitiert nach Günter Balders: Festschrift, a.a.O., S. 120
  8. Günter Balders: Ein Herr - ein Glaube - eine Taufe, a.a.O., S. 346f
  9. Astrid Giebel: Jeder Christ ein Diakon, S. 5; eingesehen am 9. Mai 2010
  10. Gustav Gieselbusch: Warum wir Baptisten sind, a.a.O.
  11. So zum Beispiel auf dem V. Weltkongress für freies Christentum und religiösen Fortschritt im August 1910; siehe dazu: Max Fischer / Friedrich Michael Schiele: Protokoll der Verhandlungen, 2. Band, Berlin-Schöneberg 1911, S. 650 - 663
  12. Günter Balders: Ein Herr - ein Glaube - eine Taufe, a.a.O., S. 346 (Kurzbiographie Berta Gieselbusch)
  13. Günter Balders: Ein Herr - ein Glaube - eine Taufe, a.a.0., S. 347 (Biographieartikel Dr. Hermann Gieselbusch)

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