Lebersche Kongenitale Amaurose

Lebersche Kongenitale Amaurose
Klassifikation nach ICD-10
H54 Sehbeeinträchtigung einschließlich Blindheit (binokular oder monokular)
ICD-10 online (WHO-Version 2011)

Die Lebersche kongenitale Amaurose (griechisch ἀμαυρός (amauros) = „dunkel, blind“), auch bekannt als kongenitale tapeto-retinale Amaurose oder LCA, ist eine angeborene Funktionsstörung des Pigmentepithels der Netzhaut mit degenerativen Erscheinungsformen der Aderhaut. Sie ist eine Erbkrankheit und wurde erstmals im Jahre 1869 von dem deutschen Augenarzt und Wissenschaftler Theodor Carl Gustav von Leber beschrieben. Die Betroffenen kommen bereits erheblich sehbehindert oder blind zur Welt, und die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung nachfolgender Geschwister liegt bei etwa 25%[1]. Mehr als 10% aller angeborenen Fälle von Blindheit können auf die Lebersche kongenitale Amaurose zurückgeführt werden[2].

Inhaltsverzeichnis

Genetische Diagnostik

Die Lebersche Kongenitale Amaurose wird in der Regel autosomal-rezessiv vererbt, in seltenen Fällen jedoch auch autosomal-dominant. Als Ursachen der Krankheit konnten bisher unterschiedliche Mutationen identifiziert werden. Bisher sind 15 Subtypen aufgrund unterschiedlicher Defekte definiert:[3][4]

  1. 17p13.1 LCA 1 Homozygotie des GUCY2D-Gens [5]
  2. 1p31 LCA 2 Homozygotie oder Compound-Heterozygotie des RPE65-Gens[6]
  3. 14q31.3 LCA 3 Homozygotie des SPATA7-Gens [7]
  4. 17p13.1 LCA 4 Homozygotie oder Compound-Heterozygotie des AIPL1-Gens[8]
  5. 6q14.1 LCA 5 Mutation am LCA5-Gen[9]
  6. 14q11 LCA 6 Homozygotie oder Compound-Heterozygotie des RPGRIP1-Gens[10]
  7. 19q13.3 LCA 7 Homo- oder Heterozygotie des CRX-Gens[11]
  8. 1q31-q32.1 LCA 8 Homozygotie oder Compound-Heterozygotie des CRB1-Gens (Anm. Die Retinitis pigmentosa Typ 12 geht mit Veränderungen am gleichen Gen einher) [12]
  9. 1p36 LCA 9 Mutation am LCA9-Gen[13][14]
  10. 12q21.32 LCA 10 Homozygotie oder Compound-Heterozygotie des CEP290-Gens[15]
  11. 7q31.3-q32 LCA 11 Heterozygotie des IMPDH1-Gens[16]
  12. 1q32.3 LCA 12 Mutation am RD3-Gen (Retinal degeneration 3)[17]
  13. 14q11 + 14q24.1 LCA 13 Homozygotie oder Compound-Heterozygotie des RDH12-Gens (Anm. Die Retinitis pigmentosa Typ 53 geht mit Veränderungen am gleichen Gen einher) [18]
  14. 4q32.1 LCA 14 Homozygotie des LRAT-Gens [19]
  15. 6p21.3 LCA 15 Homozygotie oder Compound-Heterozygotie des TULP1-Gens (Anm. Die Retinitis pigmentosa Typ 14 geht mit Veränderungen am gleichen Gen einher) [20]

Betroffen scheint unter anderem das sogenannte RPE65-Gen zu sein, dessen Defekte zur Veränderung eines Enzyms führen, welches bei der Regeneration des Rhodopsin (Sehpurpur) eine wichtige Rolle spielt. Eine weitere Auffälligkeit besteht im Auftreten in Verwandtenehen[21][22].

Klinisches Bild

Neben der drastischen Sehschärfenminderung mit entsprechenden Gesichtsfeldeinschränkungen - in der Regel bis zur vollständigen Erblindung - treten häufig ein Nystagmus mit Strabismus auf, herabgesetzte Blendungsempfindlichkeit und direkte Lichtreaktion der Pupille, sowie eine Hyperopie und später teils Linsentrübung und Keratoglobus. Der Netzhautbefund kann anfangs unauffällig sein, zeigt dann bei Fortschreiten der Erkrankung deutliche Schäden im Pigmentepithel mit Depigmentierungen und einem "pfeffer- und salzähnlichen" Fundusbild[1], sowie eine Atrophie des Sehnerv (Optikusatrophie). Eine eindeutige Klärung über das Krankheitsbild und die Abgrenzung zu anderen angeborenen Sehnervenatrophien erbringt letztlich nur eine elektrophysiologische Untersuchung in Form einer Elektroretinographie (ERG)[2], bei der bereits sehr früh keine Reizantworten mehr abzuleiten sind.

Therapiemöglichkeiten

Nachdem die Lebersche kongenitale Amaurose lange Zeit als unheilbar galt[1], hat die Genforschung, insbesondere in den USA, offensichtlich erste Erfolge hinsichtlich einer möglichen Behandlung erzielt, die mittels einer Klonierung und der Injektion eines bestimmten Virus unter die Netzhaut den Austausch des defekten RPE65-Gens ermöglichen soll. Besonders von der Krankheit betroffenen Kindern soll hier langfristig das Sehen erhalten werden[23]. Tierversuche zeigten insbesondere bei jungen Tieren bessere Ergebnisse als bei älteren[24].

Geschichtliche Aspekte

Theodor von Leber beschrieb das Krankheitsbild erstmals 1869. Zwei Jahre später erkannte und veröffentlichte er deren gehäuftes Auftreten bei Blutsverwandten. 1957 konnte Carl Henry Alström erstmals für 10% der Fälle von angeborener Blindheit in Schweden einen autosomal rezessiven Erbgang nachweisen.[5]

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Amaurose – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. a b c Axenfeld/Pau: Lehrbuch und Atlas der Augenheilkunde. Unter Mitarbeit von R. Sachsenweger u. a., Stuttgart: Gustav Fischer Verlag, 1980, S. 550. ISBN 3-437-00255-4
  2. a b Wolfgang Hammerstein und Walter Lisch: Ophthalmologische Genetik. Enke Verlag, Stuttgart, 1985, S. 8. ISBN 3-432-94941-3
  3. OMIM Phenotype Map, hier online
  4. orpha.net: Amaurosis congenita Leber, hier online
    Leroy B. P., e.a.: Leber congenital Amaurosis. In: Orphanet Encyclopedia, 11/2003, pdf
  5. a b OMIM: #204000, hier online
  6. OMIM: #204100, hier online
  7. OMIM: #604232, hier online
  8. OMIM: #604393, hier online
  9. OMIM: #604537, hier online
  10. OMIM: #613826, hier online
  11. OMIM: #613829, hier online
  12. OMIM: #613835, hier online
  13. OMIM: %608553, hier online
  14. Keen T. J., e.a.: Identification of a locus (LCA9) for Leber's congenital amaurosis on chromosome 1p36, European Journal of Human Genetics (2003) 11, 420–423. doi:10.1038/sj.ejhg.5200981, hier online
  15. OMIM: #611755, hier online
  16. OMIM: #613837, hier online
  17. OMIM: #610612, hier online
  18. OMIM: #612712, hier online
  19. OMIM: #613341, hier online
  20. OMIM: #613843, hier online
  21. Rudolf Sachsenweger: Neuroophthalmologie. Thieme Verlag, Stuttgart; 3. Auflage, (Januar 1983), S. 112; ISBN 978-3135310039
  22. orpha.net: Amaurosis congenita Leber; hier online
  23. Lancet (2009; doi: 10.1016/S0140-6736(09)61836-5)
  24. Deutsches Ärzteblatt, Montag, 26. Oktober 2009: Gentherapie erhält Sehleistung bei Kindern mit erblicher Erblindung
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