Destillation

Destillation
Destillierapparat einer Apotheke um 1900
Alter ukrainischer Destillierapparat für Wodka

Destillation (lat. destillare „herabtröpfeln“) ist ein thermisches Trennverfahren, um ein Gemisch verschiedener, ineinander löslicher Stoffe zu trennen. Die Voraussetzung für die Anwendung des Verfahrens ist die unterschiedliche Zusammensetzung der Flüssigkeit und des Dampfes. Eine notwendige, jedoch nicht ausreichende Bedingung hierfür sind unterschiedliche Siedepunkte der zu trennenden Komponenten. Typische Anwendungen der Destillation sind das Brennen von Alkohol und das Destillieren (die Rektifikation) von Erdöl in der Raffinerie oder auch die Herstellung von destilliertem Wasser.

Bei der Destillation wird zunächst das Ausgangsgemisch zum Sieden gebracht. Der entstehende Dampf, der sich aus den verschiedenen Komponenten der zu trennenden Lösung zusammensetzt, wird in einem Kondensator kondensiert, im Labormaßstab meist dem Liebigkühler. Im Anschluss wird das flüssige Kondensat aufgefangen. Die Trennwirkung beruht auf der unterschiedlichen Zusammensetzung der siedenden Flüssigkeit und des gasförmigen Dampfes.

Feste Stoffe werden durch sogenannte trockene Destillation (Pyrolyse) in kleinere Molekülgruppen zerlegt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Einfache Schnapsdestillation in Lore (Osttimor)

Die Destillation von Pech und Teer zur Abdichtung von Schiffen, als Klebemittel und auch als Heilmittel ist seit der Jungsteinzeit bekannt; sie wurde mit einfachsten Mitteln bewerkstelligt.

In der Antike wurden vor allem ätherische Öle, als Riech- und Duftstoffe, destilliert. Die ältesten bei archäologischen Ausgrabungen aufgefundenen Darstellungen von Destilliergeräten stammen aus Mesopotamien, dem heutigen Irak, und werden auf ein Alter von über 5500 Jahren geschätzt. Diese ersten Geräte bestanden aus einem Gefäß mit einem Deckel, an dem sich beim Erhitzen das Destillat niederschlug. Damit diese Flüssigkeit nicht wieder in das Gefäß zurück tropfte, verwendete man im Deckel Schwämme oder Wollbüschel, um die Flüssigkeit aufzusaugen. Diese wurden dann einfach regelmäßig ausgepresst, um das Destillat zu erhalten.

Mit derselben Methode erzeugten griechische Seefahrer um 500 v. Chr. Trinkwasser aus Meerwasser. Aristoteles beschrieb unter anderem im 4. Jahrhundert vor Christus, wie Meerwasser durch Destillation trinkbar gemacht werden kann. Er beschrieb weiter, dass Weine und andere Flüssigkeiten demselben Verfahren unterzogen werden können.

Die Destillation wurde von dem Chemiker Abu Musa Dschābir ibn Hayyān um 800 n. Chr. weiter verbessert. Auch der persische Wissenschaftler und Arzt Ar-Razi („Rhases“, 865 - 925) schrieb seine Kenntnisse in einer Reihe umfangreicher Schriften nieder. Sein wichtigstes Werk ist das Kitab sirr al-asrar, das „Buch des Geheimnisses der Geheimnisse“. Hier beschreibt er die Destillation des naft, des rohen Erdöls, und erläutert hierbei eine einfache Art des Krackverfahrens zum Zwecke der Gewinnung niedrig siedender Produkte wie Bitumen und des sogenannten Ziegelöles (oleum laterinum). Mit der Erfindung des Destillierhelms wurde auch die Destillation von Alkohol möglich.

Als um die erste Jahrtausendwende (1000 n. Chr.) die Schwefel- und Salpetersäure und vor allem der Trinkalkohol (Ethanol) entdeckt wurden, gewann die Destillation erheblich an Bedeutung. In der frühen Neuzeit wurde begonnen, die Destillation für medizinische Zwecke einzusetzen. So verfasste der Arzt Hieronymus Brunschwig 1512 Das Buch der wahren Kunst zu destillieren. Außerdem wurde die Destillation ein wichtiges Werkzeug in der Alchemie und später in der Spagyrik. Im 17. Jahrhundert kam als wichtige Anwendung die Süßwasserdestillation aus Meerwasser als ein Verfahren der Meerwasserentsalzung hinzu.

Prinzipien

Einfache Destillation im Labormaßstab

Die Destillation ist ein thermisches Trennverfahren, das gegenüber anderen den Vorteil hat, dass in der Regel keine weiteren Stoffe wie Adsorbentien oder Lösungsmittel hinzugefügt werden. Das Verfahren beruht auf den unterschiedlich hohen Siedepunkten der beteiligten Flüssigkeiten, genauer gesagt auf ihrem unterschiedlichen Dampfdruck bei gleicher Temperatur. Wird wie im Bild a eine Mischung aus den Stoffen 1 und 2 erhitzt, so steigt die Temperatur bis zum Erreichen der Siedekurve an. Die Zusammensetzung der Gasphase über der siedenden Flüssigkeit ist diejenige, welche die Taupunktkurve bei der gleichen Temperatur anzeigt (waagerechte Linie). Durch Kondensation erhält man eine Flüssigkeit, deren Zusammensetzung der der Gasphase entspricht, also einen erhöhten Anteil der niedriger siedenden Komponente 1 enthält (senkrechte Linie). Tatsächlich ist der Gehalt durch unvollständige Gleichgewichtseinstellung geringer. Außerdem verarmt der Destillationssumpf mit der Zeit an der niedrigsiedenden Komponente, wodurch die waagrechte Linie nach oben rutscht.

Mehrstufige Destillation und Rektifikation

Durch mehrfache erneute Destillation des Kondensates gelangt man im Siedediagramm auf einer Zickzacklinie immer näher an die Reinsubstanz 1 heran. In der Praxis erreicht man durch den Einbau einer Kolonne zwischen Sumpf und Kopf schon durch einmalige Destillation eine deutlich erhöhte Trennleistung. Die Anzahl der für die gleiche Trennleistung benötigten Einzeldestillationen wird als „theoretische Bodenzahl“, so genannt nach dem Verfahren der Erdöldestillation dieser Kolonne bezeichnet. An der Oberfläche der Kolonne stellt sich durch Kondensation und Verdampfung das Gleichgewicht zwischen flüssiger und Gasphase ständig neu ein, wodurch nach oben hin der Anteil des niedrigsiedenden Bestandteils immer weiter ansteigt, während die höhersiedende Komponente in den Sumpf zurückfließt. Die Größe der Oberfläche der Kolonne, die im einfachsten Fall aus einem langen Glasrohr besteht, wird in verschiedene Varianten wie der Vigreux-Kolonne oder durch die Füllung mit Raschig-Ringen stark erhöht.

Falls die zu trennenden Stoffe ein Azeotrop bilden, so treffen sich Siede- und Taupunktkurve nicht erst bei den Reinsubstanzen. Eine destillative Trennung ist dann nur bis zu diesem Punkt möglich. Allerdings ist das azeotrope Mischungsverhältnis druckabhängig, so dass durch eine Vakuum- oder Überdruckdestillation doch eine weitere Trennung möglich ist. Das Azeotrop zwischen Ethanol und Wasser im Verhältnis ca. 25 : 1 (bei Umgebungsbedingungen) begründet die übliche Handelsmischung eines „96-prozentigen Alkohols“.

Die großtechnische Umsetzung der wiederholten, kontinuierlichen Destillation bezeichnet man auch als Rektifikation. Die einzelnen Destillationstufen finden in einem speziellen Behälter, Rektifikationskolonnen genannt, statt. Die Kolonne besteht aus mehreren Lagen von Böden, durch die der Dampf in den Kopf steigen und das Kondensat in den Sumpf fließen kann. Dabei können kontinuierlich Produkte abgezogen und Edukt nachgefüllt werden.

Fraktionierte Destillation

Ein aus mehreren Komponenten bestehendes Gemisch kann durch fraktionierte Destillation getrennt werden. Dabei wird der zum Auffangen des Destillates genutzte Behälter nach dem Abtrennen der am niedrigsten siedenden Fraktion ausgewechselt. Der Zeitpunkt zum Wechseln wird dabei durch eine Änderung der Temperatur im Destillationskopf angezeigt. Meist wird noch bis zum Erreichen des Siedepunkts der nächsten Komponente eine Zwischenfraktion abgetrennt, da im Übergangsbereich häufig ein Gemisch übergeht, und um Reste der vorherigen Fraktion aus dem Kühler zu entfernen. Liegen die Siedepunkte nahe beieinander, kann durch Zwischenschalten einer Kolonne das Volumen der unsauberen Zwischenfraktion klein gehalten werden.

Hinweis

Die Begriffe „fraktionierte Destillation“ und „Rektifikation“ als Gegenstromdestillation, Rückflussdestillation, Kolonnendestillation werden häufig synonym verwendet. Im strengen Sinne bedeutet „fraktionieren“ jedoch lediglich das Auffangen mehrerer Fraktionen.

Vakuumdestillation

Die Vakuumdestillation ist eine Destillation bei verringertem Gesamtdruck in der Destillationsanlage. Dadurch wird die Siedetemperatur des zu trennenden Gemisches gesenkt, was die Destillation von Stoffgemischen ermöglicht, deren im Sumpf verbleibenden Komponenten nicht ausreichend temperaturstabil sind. In der Laborpraxis wird beinahe immer im Vakuum destilliert. Bei höheren Temperaturen können im Sumpf oder im übrigen Edukt Katalysatorrückstände oder Nebenprodukte enthalten sein, die durch unerwünschte Reaktionen die Ausbeute senken.

Großtechnisch wird das „Sumpfprodukt“ der atmosphärischen Destillation bei der Erdölraffination anschließend noch einer Vakuumdestillation unterworfen. So sollen hauptsächlich die Grundöle zur Schmierölproduktion und sogenanntes Vakuumgasöl hergestellt werden. Dies dient weiterhin als wertvolles Edukt für einen Cat Cracker oder einen Hydrocracker.

Überdruckdestillation

Bei der Überdruckdestillation wird die Anlage mit Überdruck gefahren, um die Siedepunkte weiter auseinander zu schieben. Der Anwendungsbereich liegt bei Stoffen mit sehr niedrigen Siedepunkten, die eng beieinander liegen, wie bei der Luftverflüssigung.

Schleppdestillation

Hierbei wird mit einem Stoffzusatz destilliert, der das Produkt „mitschleppt“. Bekannteste Variante dieser Destillationsart ist die Wasserdampfdestillation. Wenn eine Vakuumdestillation nicht optimal durchzuführen ist, wird diese angewandt, um wärmeempfindliche Substanzen mit geringem Dampfdruck zu destillieren. Beispiele sind die Extraktion von ätherischen Ölen aus Pflanzen oder die Anwendung bei der Reinigung substituierter Aromaten.

Azeotrope Destillation

Hierbei wird eine Komponente zugegeben, die mit dem abzutrennenden Stoff ein Azeotrop bildet. Beispielsweise kann bei einer sauer katalysierten Veresterung das entstehende Wasser als Azeotrop mit Toluol quantitativ entfernt werden, wodurch die Reaktion erst vollständig abläuft. Idealerweise bildet sich ein Heteroazeotrop, das beim Kondensieren wiederum in zwei Phasen zerfällt, was eine Rückführung des Lösungsmittels erlaubt.

Kurzwegdestillation

Vorrichtung zur Kurzwegdestillation

Als Kurzwegdestillation (KWD) bezeichnet man eine Destillation, die im Feinvakuumbereich, also im Druckbereich zwischen 1 und 0,001 mbar durchgeführt wird und bei der die Gasphase nur einen sehr kurzen Weg zwischen der Vorlage und dem Kondensator zurück zu legen hat. Sie wird auch als Molekulardestillation bezeichnet und gehört zu den schonendsten thermischen Trennverfahren. Aufgrund des geringen Arbeitsdrucks erfolgt die Destillation schon bei relativ niedrigen Temperaturen. Im Vergleich zu anderen Destillationsverfahren können somit thermisch empfindliche Produkte wie Tocopherole, Fettsäureester, Monoglyceride, Prepolymere, Epoxidharze und Pharmawirkstoffe sehr schonend getrennt werden. Geeignet ist die Methode auch für schwer verdampfbare Moleküle, wie langkettige Kohlenwasserstoffe aus den Rückständen der Mineralölindustrie, die unter Feinvakuum abdestilliert werden. Eine modifizierte Variante ist die Kugelrohrdestillation. In der Industrie sind plattenwärmetauscherähnliche Apparate im Einsatz, bei denen der Abstand zwischen Verdampfer und Kondensator nur wenige Millimeter beträgt.

Reaktivdestillation

Veresterung mittels Reaktivdestillation

Bei der Reaktivdestillation wird die (mehrstufige) Destillation mit einer chemischen Reaktion kombiniert. Durch die Kombination beider Mechanismen können Vorteile im Vergleich zu einfachen, seriellen Reaktions-Destillations-Verfahren erzielt werden. Reaktivdestillation eignet sich vor allem für „gleichgewichtslimitierte“ Reaktionen. Durch das ständige Entfernen eines Reaktionspartners wird das Gleichgewicht immer wieder neu einstellt und auf diese Weise ein vollständiger Umsatz möglich. Andererseits können durch die Reaktion auftretende Azeotrope gebrochen werden. Bei exothermen Reaktion wird dabei die auftretende Wärme zur Stofftrennung ausgenutzt. Die optimalen Betriebsbedingungen und hierbei vor allem der optimale Temperaturbereich für Reaktion und Stofftrennung können diese Methode verhindern.

Die auftretende chemische Reaktion kann sowohl homogen als auch heterogen katalysiert werden. Bei der Verwendung eines homogenen Katalysators ist eine weitere Trennstufe zur Abtrennung des Katalysators notwendig. Bei der heterogen katalysierten Reaktivdestillation wird der Katalysator häufig in Form von reaktiven Packungen in der Destillationskolonne eingebaut. Dabei handelt es sich oftmals um Trennpackungen, in die der meist kugelförmige Katalysator in Metallsäckchen integriert ist. Trotz intensiver Forschungen in den letzten Jahrzehnten findet die Reaktivdestillation in der Industrie nur relativ selten Verwendung. Wichtig ist sie allerdings bei der Kaliumproduktion.

Rückflusskochen

Das Kochen unter Rückfluss ermöglicht sehr langes Kochen für die Reaktion bei ständiger Wiedergewinnung des verdampfenden Lösungsmittels durch Kondensation. Das Rückflusskochen ist kein Trennverfahren im engeren Sinne, weil die Trennung nur vorübergehend ist. Eine erweiterte Art des Rückflusskochens wird unter Verwendung des Soxhlet-Aufsatzes durchgeführt.

Apparatur

Weblinks

 Commons: Destillation – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary Wiktionary: Destillation – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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