Eilhart von Oberg

Eilhart von Oberg

Eilhart von Oberg (auch: Oberge; nach dem vermuteten mhd. Dativ des Ortsnamens) gilt als der Verfasser des mittelhochdeutschen Versromans Tristrant, der ersten überlieferten deutschsprachigen Bearbeitung des europaweit verbreiteten Tristan-Stoffes. Allerdings ist seine Verfasserschaft wie auch der Name nicht gesichert.

Tristan and Isolde, Holzschnitt, 1484

Inhaltsverzeichnis

Herkunft

Die Herkunft Eilharts ist ungewiss. Lange Zeit wurde vermutet, dass Eilharts Wirkungsraum am Niederrhein zu suchen sei. Sämtliche Gründe für diese Vermutung sind dabei textimmanent, d. h. sie wurden aus Andeutungen im "Tristrant" erschlossen. Vor allem Eilharts Erwähnung des Flusses Rhein innerhalb eines Fluches in Vers 3162, hinter dem ein regionaler Phraseologismus vermutet wurde, scheint die Niederrhein-These zu stützen. Darüber hinaus deuten seine im deutschsprachigen "Tristrant" sichtbar werdenden Französisch-Kenntnisse auf eine Herkunft nahe der französischen (Sprach-)Grenze hin. Und auch die Verwendung der ungewöhnlichen Namensform Isalde (statt Isolde) deutet auf eine niederrheinische Herkunft, da diese Namensformen an den Höfen der Limburger Herzöge und Grafen von Looz bezeugt sind.

Betrachtet man jedoch die dialektale Färbung von Eilharts Sprache, so muss die niederrheinische Herkunft deutlich in Frage gestellt werden, da sie sich als mitteldeutsch charakterisieren lässt. Auch wenn man aufgrund fehlender Merkmale keine genauere Lokalisierung vornehmen kann und davon ausgehen muss, dass Eilhart eine angelernte Kunstsprache benutzt hat, deren Vorbild in den mittelfränkischen Dichtungen zu suchen ist, lässt sich anhand der sprachlichen Analyse eine niederdeutsche Herkunft weitestgehend ausschließen.

Licht ins Dunkel könnte ein historischer Befund bringen; dabei handelt es sich um zehn urkundliche Erwähnungen eines Eilhardus de Oberch zwischen den Jahren 1189 und 1227, in denen er als Zeuge Heinrichs des Löwen, Kaiser Ottos IV. und des Pfalzgrafen Heinrichs auftritt. Hinzu kommt eine Erwähnung im Güterverzeichnis des Grafen Siegfried II. Demnach würde es sich bei Eilhart um einen Braunschweiger Ministerialen aus dem noch heute existierenden Ort Oberg zwischen Braunschweig und Hildesheim handeln.

Andere Namensformen

Die Gleichsetzung des urkundlichen Eilhardus de Oberch mit dem Verfasser des Tristrant ist jedoch problematisch, da die heute gebräuchliche Namensform des Dichters nur in einem überlierten Text vorkommt (Dresdner Handschrift, s.u.) und erst die urkundlichen Belege dazu geführt haben, dass gerade diese Namensform üblich wurde.

In anderen Handschriften des Tristrant finden sich für den Verfasser weitere Namensformen; welche letztlich als richtig anzusehen ist, ist bis heute ungeklärt:

  • von Ogerengen Enthartte bzw. Ebhart (Berliner Handschrift)
  • von Baubenberg Segehart bzw. Seghart (Heidelberger Handschrift)
  • von Hobergin her Eylhart (Dresdner Handschrift)
  • Dilhart von Oberet (Augsburger Druck des Prosa-Tristan)

Leben als Ministerialer

Geht man trotz aller Zweifel davon aus, dass die Zuordnung Eilharts richtig ist, so lassen sich weitere Hypothesen über den Dichter anstellen. Aufgrund seines ministerialen Status ist für ihn kein freier Ortswechsel möglich, so dass eine Tätigkeit am Hofe seines Dienstherren Heinrichs des Löwen sehr wahrscheinlich ist. Wie mehrere Beispiele eines welfisch-anglonormannischen Kulturaustausches zeigen, erscheint es dabei an einem Welfenhof auch durchaus möglich, an den Tristanstoff zu gelangen, insbesondere zur Zeit der Ächtung Heinrichs durch Kaiser Friedrich I. (HRR) Barbarossa sowie seiner Verbannung nach England

Werk

Einzig bekanntes Werk Eilharts ist der "Tristrant", eine Version des Tristanstoffes, der der „spielmännischen“ Überlieferungslinie angehört, der so genannten version commune. Das Werk wurde vermutlich um 1170 verfasst und ist die erste deutsche Bearbeitung des Stoffs, der bei Gottfried von Strassburg höchste sprachliche Vollendung findet. Die Datierung erfolgt unter anderem aufgrund sprachlicher und stilistischer Analogien zu Heinrich von Veldekes Eneas-Roman. Als terminus ante quem gilt das Jahr 1202.

Als mögliche Auftraggeber kommen sowohl Heinrich der Löwe als auch der einflussreiche Truchsess Jordan von Blankenburg in Frage. Für erstere Annahme sprechen vor allem die traditionelle Art von Eilharts Stil, die implizite religiöse Thematik des Stoffes sowie die ausführliche Schilderung von Kämpfen rund um die politische Problematik von Erbfolge und Vasallentreue. Allerdings erscheint aufgrund der Diskussion des Liebesthemas ein Mäzenatentum des Welfenhofes unwahrscheinlich. Letztere Annahme, die Gönnerschaft des Truchsessen, wäre denkbar, wenn man Eilharts Bezeichnung Blankinlande (V. 6284) für König Markes Jagdgründe als Reminiszenz an Jordan sehen würde. Auch wenn die Gönnerschaft durch einen Ministerialen eher selten ist, so ist sie durchaus für einige Fälle belegt.

Würdigung

Die Bedeutung von Eilharts "Tristrant" liegt zum einen darin, dass es sich dabei um die älteste überlieferte deutschsprachige Tristanbearbeitung handelt. Zum anderen muss erwähnt werden, dass sein "Tristrant" die erste vollständig überlieferte Bearbeitung der Sage überhaupt ist und somit großen Wert nicht nur für die deutschsprachige, sondern für die gesamte europäische Literaturgeschichte hat. Trotzdem nimmt Eilhart in der mediävistischen Literaturwissenschaft nur eine untergeordnete Rolle ein. Der Grund hierfür liegt sicherlich in der (in neuerer Zeit umstrittenen) negativen Wertung seiner schriftstellerischen Leistung, wonach sein Werk von formaler und erzähltechnischer Schlichtheit sei und er den Tristanstoff auf eine sehr unzureichende und unbefriedigende Weise in Deutschland einführe.

Zweifel an Eilharts Verfasserschaft

Vereinzelt verbreitet ist auch die Theorie, Eilhart sei letztlich nicht der wahre Schöpfer des "Tristrant"; während das Werk von einem anonymen Verfasser stamme, handele es sich bei Eilhart nur um einen späteren Bearbeiter des Werkes. Begründet wird die These vor allem damit, dass die Nennung des Namens in einem Abschnitt erfolgt, der sich stilistisch deutlich vom übrigen Textkorpus unterscheidet. Zudem wird darauf verwiesen, dass sich zwar zahlreiche mittelhochdeutsche Dichter wie Gottfried von Straßburg, Ulrich von Türheim oder Heinrich von Freiberg auf den "Tristrant" berufen, aber nie den Namen des Verfassers nennen. Dies spricht dafür, dass das Werk anfangs anonym verbreitet und erst später mit dem Namen Eilhart von Oberg in Verbindung gebracht wurde. Tatsächlich ist der Name in späterer Zeit ein weiteres Mal urkundlich belegt, und zwar als Dienstmann des Herzogs Albrecht der Große. Der Beleg stammt aus dem späten 13. Jahrhundert, also zu einer Zeit, in der der Tristanstoff mit dem Wienhausener Tristanteppich auch auf einer anderen Ebene greifbar wird.

Quellen und Literatur

  • E. von Steinmeyer: Eilhart von Oberg. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 24, Duncker & Humblot, Leipzig 1887, S. 91 f.
  • Franz Lichtenstein (Hg.): Eilhart von Oberge. Nachdruck der Ausgabe Straßburg 1877. Hildesheim/New York 1973. (=Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgeschichte der germanischen Völker XIX)
  • Joachim Bumke: Mäzene im Mittelalter. Die Gönner und Auftraggeber der höfischen Literatur in Deutschland 1150-1300. München 1979. Kapitel „Eilhart von Oberg“, S. 108-113.
  • Volker Mertens: Eilhart, der Herzog und der Truchsess. Der „Tristrant“ am Welfenhof. In: Tristan et Iseut, mythe europeen et mondial. Göppingen 1987, S. 262 bis 282. (= Göppinger Arbeiten zur Germanistik 474)
  • Martina Backes: Aus der Feder eines Klerikers? Ein neuer Vorschlag zu Eilharts Tristrant. In: Literaturwissenschaftliches Jahrbuch. N. F. 43 (2002). S. 373-380.

Weblinks


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