Humanistischer Verband Deutschlands

Humanistischer Verband Deutschlands
Logo des Humanistischen Verbandes Deutschland

Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) ist eine Organisation zur Förderung und Verbreitung einer humanistischen Weltanschauung und zur Interessenvertretung von konfessionsfreien Menschen in Deutschland.[1] Die Gründung des HVD erfolgte 1993 durch den Zusammenschluss von teils seit über 150 Jahren bestehenden freidenkerischen, freireligiösen und humanistisch orientierten Vereinigungen. Präsident des Bundesverbands ist derzeit der Philosoph und Politikwissenschaftler Frieder Otto Wolf. Im Bundesverband existieren zehn Landesverbände, die in elf Bundesländern aktiv sind. Der HVD ist Mitglied des Koordinierungsrates säkularer Organisationen in Deutschland, der Europäischen Humanistischen Föderation und der Internationalen Humanistischen und Ethischen Union.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ältere Vereinigungen bestehen bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, so der HVD-Nürnberg, gegründet 1848. Der Landesverband Niedersachsen führt seine Tradition bis auf die Gründung einer freireligiösen Gemeinde in Hannover im Jahr 1847 zurück.[2] 1927 schlossen sich der Verein für Feuerbestattung mit der Gemeinschaft proletarischer Freidenker zusammen. 2005 feierte der Berliner Landesverband deshalb eine 100-Jahr-Feier, weil er sich in der Tradition des „Vereins für Feuerbestattung“ sieht, der 1905 in Berlin von Sozialdemokraten gegründet wurde.[3] In West-Berlin existierte aber wie in mehreren westdeutschen Bundesländern ein Freidenkerverband. In den 1980er Jahren verließen zahlreiche unzufriedene und ältere Mitglieder der westberliner "Falken" diese politische, SPD-nahe Jugendvereinigung und traten den Freidenkern bei, nicht zuletzt auf der Suche nach Arbeitsplätzen. In der DDR blieben Freidenker als Organisation lange Zeit aufgelöst. 1989 gründete das Politbüro der SED den Freidenker-Verband VdF als Gegenpart zur Kirchenbewegung; VdF-Mitglieder stießen teilweise nach der Wende zum HVD.

Tätigkeitsbereiche

Der HVD verbindet eine humanistische und nicht-religiöse Weltanschauung mit ihrer Umsetzung in pädagogischen, sozialen und sonstigen Dienstleistungen. Ihm nahe stehen die Humanistischen Akademien in Berlin und Bayern sowie der Humanitas-Verlag. Der Verband unterhält „Kulturhistorische Archive“ mit Materialien aus seiner mehr als hundertfünfzigjährigen Vorgeschichte. Der Philosoph Michael Schmidt-Salomon und Vorstandssprecher der Giordano Bruno Stiftung ist ebenfalls Mitglied des HVD.

Darüber hinaus organisiert der HVD „Internationale Begegnungen“. In Nürnberg betreibt er mit der turmdersinne-gGmbH eine wissenschaftspädagogische Erlebnisausstellung in einem Turm der mittelalterlichen Stadtmauer. Unter dem HVD-Dach werden Medienwerkstätten, Bildungsreisen und Seminare durchgeführt. In Berlin sind mehr als 40.000 Schüler Teilnehmer an humanistischem Lebenskundeunterricht, der alternativ zum Religionsunterricht angeboten wird. Der humanistische Lebenskundeunterricht ist auch in Bayern ordentliches Lehrfach, das dort an die Stelle des Religionsunterrichts tritt. Die erste „Humanistische Grundschule“ wurde im bayerischen Fürth 2008 eröffnet.[4] Der HVD Berlin erbringt mit Sozialstationen, Beratungsstellen, betreutem Wohnen, Sterbebegleitung und Trauergruppen viele Dienstleistungen. Er ist Schirmherr eines Jugendverbandes namens „Junge HumanistInnen“.

Der HVD ist Träger vieler Kindertagesstätten in Berlin, Nürnberg, Fürth, Regensburg und Hannover, von Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit und von Schulstationen, Schülerclubs und unterhält Sozialstationen. In Berlin unterhält er ambulante und stationäre Hospize. Der Bundesverband des HVD ist, gemeinsam mit seinen Landesverbänden, Träger des Humanistischen Hilfswerks Deutschland.[5]

Der HVD gibt eine Mitgliederzeitschrift namens Diesseits heraus, die seit 2011 durch ein Online-Magazin[6] ergänzt wird. Seit 2003 wird vom HVD zur Förderung von Aufklärung, Toleranz und Selbstbestimmung in unserer Gesellschaft der mit 2.500 Euro dotierte Ossip-K.-Flechtheim-Preis an in dieser Hinsicht verdiente Menschen verliehen.

Die Mitgliedsverbände in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sowie in Bayern sind als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt. Die weiteren Landesverbände in Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen sowie die Regionalgemeinschaft Ulm-Bodensee sind gemeinnützige Vereine.

Ziele

Angestrebt wird auf Basis der humanistischen Weltanschauung eine nicht-religiöse organisierte Alternative zu den christlichen Kirchen. Bundesvorsitzender war bis zu seinem Rücktritt am 4. Januar 2010 Horst Groschopp.[7] Im Februar 2011 wurde Frieder Otto Wolf zum Vorsitzenden des Präsidiums des Bundesverbandes gewählt. Anliegen der Mitglieder ist es, eine nicht-religiöse, ethisch begründete Lebensauffassung nicht nur zu leben, sondern sie auch in konkreten Dienstleistungsangeboten praktisch umzusetzen und zu einer alltäglichen Selbstverständlichkeit in der Wahrnehmung der deutschen Öffentlichkeit werden zu lassen.[8]

An die Stelle von christlichen Feierangeboten wie Taufe, Kommunion/Konfirmation und Trauungszeremonien in den Kirchen setzt der HVD Namensfeier, JugendFEIER (siehe Jugendweihe) und die HOCHzeitsfeier. Und ebenso am Lebensende die Trauerfeier mit einem weltlichen Trauerredner.

Literatur

  • Block, John, Malskies: Einmal im Leben. Ein Elternratgeber zur Jugendfeier. Berlin 2001. ISBN 3924041199
  • Peter Adloff u. Bettina Alavi (Hrsg.): Genau wie Schule, nur ganz anders: didaktische Beiträge zur humanistischen Lebenskunde. Berlin: Humanistischer Verband Deutschlands, Landesverband Berlin, 2001. ISBN 3-924041-20-2
  • Peter Schulz-Hageleit (Hrsg.): Bausteine einer Didaktik des Lebenskunde-Unterrichts. Berlin 1995. ISBN 3-924041-12-1
  • Patricia Block (Hrsg.): Zwischen nicht mehr und noch nicht. Berlin: Humanistischer Verband Deutschlands, 1994. ISBN 3-924041-11-3

Weblinks

Einzelnachweis

  1. http://www.humanismus.de/wir-ueber-uns
  2. http://www.humanisten.de/index.php?id=165
  3. vgl. Werner van Bebber Wer sind die Humanisten? Tagesspiegel, Ausgabe vom 14. Februar 2009.
  4. [1] Pressemeldung zur Schuleröffnung
  5. Über uns auf der Website des Humanistischen Hilfswerkes. Abgerufen am 18. September 2010.
  6. http://www.diesseits.de
  7. HVD formiert sich neu. Pressemitteilung des Humanistischen Verbandes Deutschlands vom 11. Januar 2010. Abgerufen am 18. September 2010.
  8. Diskussion zu Humanismus beim HVD, abgerufen 6. Januar 2009

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Humanistischer Verband Deutschlands — Humanịstischer Verband Deutschlands,   Abkürzung HVD, Weltanschauungsgemeinschaft mit Sitz in Berlin, 1993 als Zusammenschluss verschiedener humanistischer und freidenkerischer Organisationen gegründet. Der HVD bietet seinen Mitgliedern… …   Universal-Lexikon

  • Humanistischer Verband — Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) ist ein 1993 gegründeter bundesweiter Zusammenschluss unterschiedlicher Freidenker Verbände zur Interessenvertretung Konfessionsloser in Deutschland. Inhaltsverzeichnis 1 Tätigkeitsbereiche 2 Ziele 3… …   Deutsch Wikipedia

  • Humanistischer Pressedienst — Der humanistische pressedienst (hpd) versteht sich als Dienstleistungs und Informationsportal, durch das der Öffentlichkeit säkular humanistische Positionen vermittelt werden sollen. Die Redaktion besteht weitgehend aus Mitgliedern der Giordano… …   Deutsch Wikipedia

  • Bund Freireligiöser Gemeinden Deutschlands — Der Bund Freireligiöser Gemeinden Deutschlands, kurz BFGD, ist eine Dachorganisation freireligiöser Gemeinden. Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Literatur 3 siehe auch 4 Weblinks …   Deutsch Wikipedia

  • KORSO — Der Koordinierungsrat säkularer Organisationen (KORSO) ist ein Dachverband säkularer Organisationen in Deutschland. Er wurde am 16. November 2008 in Berlin gegründet und versteht sich als Interessenvertretung der Konfessionsfreien in Deutschland …   Deutsch Wikipedia

  • Ferkelbuch — Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel (auch kurz: Ferkelbuch) ist ein religionskritisches Kinderbuch von Michael Schmidt Salomon, illustriert von Helge Nyncke. Das Buch wurde von der Giordano Bruno Stiftung gefördert und ist im… …   Deutsch Wikipedia

  • Wo bitte geht's zu Gott? — Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel (auch kurz: Ferkelbuch) ist ein religionskritisches Kinderbuch von Michael Schmidt Salomon, illustriert von Helge Nyncke. Das Buch wurde von der Giordano Bruno Stiftung gefördert und ist im… …   Deutsch Wikipedia

  • Wo bitte geht's zu Gott? fragte das kleine Ferkel — Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel (auch kurz: Ferkelbuch) ist ein religionskritisches Kinderbuch von Michael Schmidt Salomon, illustriert von Helge Nyncke. Das Buch wurde von der Giordano Bruno Stiftung gefördert und ist im… …   Deutsch Wikipedia

  • Ossip Flechtheim — Ossip K. Flechtheim (* 5. März 1909 als Ossip Kurt Flechtheim in Nikolajew, Ukraine; † 4. März 1998 in Berlin) war ein deutscher Hochschullehrer und Autor. Der Jurist und Politikwissenschaftler war einer der Begründer der Futurologie in… …   Deutsch Wikipedia

  • Bund für Geistesfreiheit Bayern — Der Bund für Geistesfreiheit Bayern K. d. ö. R. (Kurzbezeichnung bfg Bayern) ist eine freigeistig orientierte Körperschaft des öffentlichen Rechts in Bayern. Daneben existiert in Erlangen der Bund für Geistesfreiheit Erlangen e. V.… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”