Kelpwald

Kelpwald
Fischschwarm im Mittelbau des Kelpwalds

Die Kelpwälder oder Algenwälder sind in den Uferzonen von Meeren der gemäßigten Breiten auftretende Ökosysteme. Namensgebend ist der Kelp, das sind besonders groß wachsende mehrzellige Algen aus der Ordnung der Laminariales.[1] Die im Kelpwald heimischen Algen sind überwiegend Braun‑ und Rotalgen. Sie bieten Lebensraum für eine Vielzahl von Säugetieren, Fischen und Wirbellosen und spielen darüber hinaus für das Überleben verschiedener Vogelarten eine Rolle. Fressfeinde, wie Seeigel, Fischerei und die Erwärmung des Wassers unter anderem im Rahmen der El Niño-Southern Oscillation gefährden den Bestand der Kelpwälder.

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Die Riesentange, die den Kelpwald dominieren, bestehen aus drei wesentlichen Teilen: dem Haftorgan auf dem Boden, diesem schließt sich der biegsame Stängel an und an der Wasseroberfläche befinden sich blattähnliche Wedel. Diese Teile bilden gleichzeitig die auch für normale Wälder typische Schichtung in mehrere Lebensräume: Oben – teilweise sogar an der Wasseroberfläche – bilden die Wedel von größeren Tangen die Baumkrone. Dazwischen liegt der Mittelbau der Stängel im schemenhaften Licht, in dem sich zahlreiche Fischarten tummeln. Darunter befindet sich der dunkle Meeresboden. Ähnlich den Korallenriffen ist der Kampf um das Licht oder auch das Schattenwerfen ein wichtiger Mechanismus im Wettbewerb zwischen verschiedenen Arten, aber auch verschiedenen Lebewesen gleicher Art.

Einzelne Tanggewächse erreichen eine große Höhe, der Riesenkelp Macrocystis kann maximal 70 Meter lang werden (üblich sind bis 40 m) und dabei ein Wachstum von 30 bis zu 50 cm pro Tag erreichen. Das schnelle Wachstum führt zu einer sehr wechselhaften Vegetation und einem häufigen Wandel des Waldes zwischen den Jahreszeiten. Stürme im Herbst und Winter reißen alte Wedel der Krone aus, sodass mehr Licht zum Boden gelangt. Dabei kann es auch dazu kommen, dass sich das Haftorgan vom Boden löst und der Kelp beginnt, frei herumzuschweben. Die Pflanze schwebt dann zur Oberfläche und wächst weiterhin, bis sie strandet oder zu warmes Wasser erreicht. Dabei kann sie einen Sammelpunkt vieler Meerestiere bilden.

Ökologie

Blick in die Tiefen des Kelpwalds

Die Kelpwälder gelten als submarine Gegenstücke der Regenwälder, weil sie ebenfalls eine große Artenvielfalt und eine ähnliche vertikale Struktur aufweisen. Der Molekularbiologe J. Craig Venter errechnete aus neu gefundenen Genen über 1000 unentdeckte Arten allein in der Sargassosee. Demzufolge könnten sich in Kelpwäldern weltweit noch mehrere Tausend bislang unbeschriebene Arten befinden. Darunter fallen vor allem viele Mikroorganismen des Phytoplanktons.

Unterschiedliche Kelpwälder

Verbreitung der Kelpwälder

Die Kelpwälder haben gewöhnlich eine komplexe räumliche Struktur mit vielen koexistierenden Gattungen, auf die der Begriff Wald am besten zutrifft. Im Ost- und Nordpazifik dominiert oft die einjährige Nereocystis luetkeana (Bullkelp), die auch stärkeren Strömungen trotzt. Kelp wie Macrocystis und Nereocystis hat Schwimmkörper, die ihre Wedel an der Wasseroberfläche halten, um effektiver Photosynthese zu betreiben. Dabei beginnen die Algen weiter in die Breite zu wachsen. Es kann neben der durch die Wedel entstehenden Krone weitere ausgeprägte vertikale Schichten geben.

Vor Alaska kann es, wenn der Kelp von Seeigeln ungestört ist, dazu kommen, dass der perennierende Kelp Laminaria groenlandica Oberhand gewinnt und anderen Arten das Licht nimmt.

Kelpwälder an der Atlantikküste von Nordamerika treten nicht mit einer so hohen Artenvielfalt auf, sind dafür aber üppig und unterstützen reiche Gemeinschaften von benthischen Wirbellosen. Sie reichen dort nach Süden bis Cape Cod und tauchen nur sporadisch am östlichen Ende von Long Island auf.

In der Sargassosee, im Atlantik, kommt kein Wald in der Form des Riesenkelps vor, sondern stattdessen frei im Wasser schwebende Braunalgen der Gattung Sargassum. Deshalb ist hier die allgemeine Bezeichnung „Algenwald“ oder auch „Sargassumwald“ zutreffender. Die Sargasso stellt einen besonderen Lebensraum für kleine Krabben, Würmer und andere Meerestiere dar. Die Planktonproduktion ist sehr bedeutend: Es wird geschätzt, dass ein Drittel der Planktonproduktion des Atlantiks in der Sargassosee erfolgt.

Lebensraum Algenwald

Insbesondere Kelpfische wie dieser Chironemus marmoratus haben im Kelpwald ihr Habitat

Der Kelpwald bietet für viele Lebewesen für insgesamt zehn Stämme, nämlich Chordatiere, Gliederfüßer, Ringelwürmer, Stachelhäuter, Moostierchen, Nesseltiere, Weichtiere, Plattwürmer, Armfüßer und Schwämme ein Habitat.[2].

Algen sind beispielsweise Vitaminlieferanten und darüber hinaus reich an Eiweiß und Spurenelementen. Tang ist gleichzeitig sowohl für Menschen (besonders in Japan) als auch für viele Tiere ein wichtiges Nahrungsmittel. Vor allem setzt abgestorbener Tang gelöste organische Feststoffe frei. Möglicherweise haben die Wälder durch die Photosynthese analog zu den tropischen Regenwäldern sogar einen Einfluss auf das Weltklima.

Das für die Wälder vorteilhafte langsame, träge Wasser sorgt für große Ansammlungen von Plankton und weiteren benthischen Wirbellosen und Mikroorganismen. Auf dem Kelp selbst, bevorzugt auf den großen Wedeln, leben häufig Epizoen, also Aufsitzertiere wie Seeanemonen und Moostierchen. Der Meeresboden ist gesäumt von Schwämmen und Moostierchen.

Unter den vom Kelpwald abhängigen Tieren befinden sich Herbivore wie Muscheln, Moostierchen, Vielborster, Meeresschnecken und Krebse, von denen sich größere Tiere ernähren können. Es fallen vor der Küste von Südafrika besonders die Abalonen auf. Herbivore ernähren sich vom Kelp oder anderen Algen, die im Kelpwald wachsen.

Im Mittelbau tummeln sich zahlreiche Fischarten aller Größen, die zumeist Carnivore sind, wie Seepferdchen und Seedrachen, Lippfische und Feilenfische.[3] Unter anderem ernährt sich der zu den Riffbarschen gehörende Blacksmith (Chromis punctipinnis) von Parasiten des Kelp. Hummer sind dort ebenfalls anzutreffen. Derartige Arten ziehen Jäger wie den Blauhai, die Große Bernsteinmakrele (Seriola lalandei) und den Mondfisch an. Es werden Wale, die sich vom Plankton ernähren, gesichtet, Rochen wie beispielsweise der Adlerrochen oder auch Zitterrochen, die zwischen dem Kelp nach Beute suchen. Der Riesentang bietet aber auch Verstecke und Niststätten für viele Meeresbewohner: So suchen beispielsweise Jungfische und Fliegende Fische Zuflucht – auch inmitten frei driftendem Kelps. Delfine, wie der Weißstreifendelfin, hat man beim Spielen mit Stücken umhertreibenden Kelps beobachtet. Auch sie nutzen die Wälder als Verstecke. Seeotter ernähren sich unter anderem vom Seeigel, der ein großer Feind des Kelps ist. Die reichlich vorhandenen Seesterne verspeisen gleichfalls Seeigel. Darüber hinaus jagen Seevögel wie Kormorane Fische in den Kelpwäldern.

Verbreitung

Riesentang vor Kalifornien

Eine wichtige Voraussetzung für die Kelpwälder sind die lokalen Eigenschaften des Meeres: Die meisten mehrzelligen Algenarten benötigen ruhiges Wasser, weil sie bei zu starker Strömung keinen Halt finden würden. Es muss reich an Nährstoffen sein. Da Licht für die Photosynthese benötigt wird, muss das Wasser sehr klar sein, aus dem gleichen Grund befinden sich die Algenwälder in seichtem Wasser, das selten tiefer als 15 bis 40 Meter ist. Am häufigsten sind sie auf felsigem Boden anzutreffen, auf dem die Pflanzen leicht Halt finden. Im Gegensatz zu den Korallen benötigen sie eine niedrige Wassertemperatur. Die größeren Wälder befinden sich in kalten Gewässern, eine durchschnittliche Temperatur von 20 °C gilt als die Obergrenze.[4]

Sie wachsen an der gesamten Westküste Amerikas, von den Aleuten in Alaska bis zur Magellanstraße, allerdings wegen ihrer Abhängigkeit von einer eher ruhigen Strömung nie durchgängig. Besonders ausgeprägt sind die Kelpwälder vor Kalifornien, zwischen San Diego und Santa Cruz und dort besonders in der Monterey Bay. Diese sind auch am besten erforscht, da unter anderem die Universitäten der beiden Städte dort Untersuchungen durchführen.

Im Atlantik sind sie vor der Küste von Argentinien zu finden. Vor der Westküste Südafrikas, teilweise im Indischen Ozean, vor der Südküste Australiens, vor Neuseeland und teilweise vor der Antarktis befinden sich weitere Kelpwälder.

Bedrohung der Kelpwälder

Der Strongylocentrotus purpuratus ist ein Fressfeind des Kelps.

Das sensible Ökosystem der submarinen Wälder ist zahlreichen Bedrohungen ausgesetzt. Verschmutztes Süßwasser aus den Flüssen trägt Pestizide, Herbizide und weitere Chemikalien ins Meer und in die Kelpwälder. Dadurch kann das natürliche Gleichgewicht durcheinander gebracht werden, die Artenvielfalt und letztendlich das gesamte Ökosystem sind bedroht. Diese zunehmenden Abwässer, die von Seeigeln als Nahrung verwendet werden können, führten besonders im Pazifik zu ihrem gehäuften Vorkommen. Auch kommt es zur Überfischung und zur Bedrohung durch weitere Räuber wie beispielsweise die Seeotter oder den Kabeljau. Die natürlichen Feinde der Pflanzenfresser Seeigel und auch der Aasfresser wie Seewalzen und Schlangensterne treten dadurch seltener auf. Dies ist eine ernsthafte Bedrohung für den Kelpwald, weil dieser sich unter anderem von Sturmschäden bei den vielen Fressfeinden kaum erholen kann.

Wegen des wachsenden Seetangmarktes besteht an manchen Orten die Gefahr des Raubbaus. Unter anderem vor Kalifornien und Tasmanien wird Kelp seit den 1950ern mit großen Schiffen geerntet, die mit Scheren die obersten Wedel abschneiden. Beim Ernten der Kronenblätter kann das Phänomen auftreten, dass die Braunalge Desmarestia ligulata verstärkt auftritt und unterhalb der Wasseroberfläche eine neue dichte Baumkrone bildet, die den Lichteinfall in die Tiefe behindert und so den Kelpwald schädigt. Das gezielte Anlegen von Seetang in einer Aquakultur schont die natürlichen Kelpwälder und ist zudem ökonomisch effizienter.

Auch der globalen Erwärmung wird eine wichtige Rolle nachgesagt, da der Kelp kühles Wasser benötigt. Vor Tasmanien werden Veränderungen der Meeresströmungen festgestellt, die ebenfalls einen Rückgang der Wälder nach sich ziehen.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Dayton, Seite 215
  2. Steneck, Seite 438
  3. Marine Education Society of Australasia 4. Species Composition - Consumers, aufgerufen 21. Januar 2011
  4. Karleskint, Seite 447

Weblinks

 Commons: Kelp forests – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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