Medea

Medea
Medea (Eugène Delacroix, 1862).

Medea (griech. Μήδεια Medeia) ist eine Frauengestalt der griechischen Mythologie. Die älteste vollständig erhaltene Quelle ist das Medea-Drama des Euripides. Der Medeastoff wird seit Euripides immer wieder in der Kunst, Musik und Literatur rezipiert. Bekannt sind vor allem die literarischen Bearbeitungen von Euripides, Seneca, Pierre Corneille, Franz Grillparzer, Hans Henny Jahnn, Pier Paolo Pasolini, Heiner Müller und Christa Wolf.

Inhaltsverzeichnis

Der griechische Medeia-Mythos

Kretheus, der Sohn des Windgottes Aiolos und Erbauer von Iolkos am Fuße des Gebirges Pelion in Thessalien, hatte das von ihm gegründete Reich seinem älteren Sohn Aison hinterlassen.

Pelias, der jüngere Sohn von Poseidon, verdrängte aber seinen Bruder und bemächtigte sich des Thrones. Aisons Sohn Jason wurde zu dem Kentauren Chiron geschickt, welcher ihn erzog.

Als Pelias alt war, warnte ihn ein Orakelspruch vor dem „Einschuhigen“. Bald darauf erschien Iason in Iolkos. Sein Oheim Pelias brachte gerade auf dem Marktplatz der Stadt dem Meeresgott Poseidon ein Opfer dar. Alle staunten über die Schönheit und den stattlichen Wuchs des Fremdlings und meinten, Apollon oder Ares sei plötzlich unter sie getreten. Jetzt fielen des Königs Blicke auf den Jüngling und mit Entsetzen bemerkte er, dass er nur einen Schuh trug; den anderen hatte er auf der Wanderung verloren. Als sich Iason zu erkennen gegeben und die Rückgabe seines Thrones verlangt hatte, erklärte sich Pelias bereit, fasste aber den heimtückischen Entschluss, seinen Neffen aus dem Weg zu räumen.

Statue von Medea in Batumi (eine der kolchischen Städte), Georgien.

Deshalb forderte er ihn auf, nach Kolchis, einer Landschaft am Schwarzen Meer, zu fahren und das dort befindliche und von einem Drachen bewachte Goldene Vlies des Widders zu holen, auf dessen Rücken einst Phrixos und Helle vor den Nachstellungen ihrer Stiefmutter nach Kolchis geflohen waren. Der Schatten des Phrixos, so sagte Pelias, erscheine ihm seit langem im Traum und verlange die Heimholung des Vlieses und seiner Gebeine. Ohne die List seines Oheims zu durchschauen, machte sich Iason sofort auf den Weg. Auf dem der Sage nach von der Göttin Athene selbst erbauten Schiffe Argo trat er zusammen mit den gefeiertsten Helden Griechenlands die gefährliche Fahrt nach Kolchis an. Seine Begleiter waren die so genannten Argonauten, d.h. Argofahrer, und das ganze Unternehmen ist in der Sage als Argonautenzug bekannt.

In Kolchis herrschte der König Aietes, der Vater der zauberkundigen Medeia. Dieser wollte Iason das Vlies nur unter der Bedingung überlassen, dass er seinen Hüter, den Drachen, töte, mit feuerschnaubenden Stieren ein großes Feld pflüge, die Zähne des Drachen in die Furchen säe und die daraus emporwachsenden Männer bekämpfe. Alle diese Gefahren bestand Iason mit der Hilfe Medeias, die in leidenschaftlicher Liebe zu ihm entbrannt war. Als seine Gattin entfloh sie mit ihm nach Iolkos.

Hier verjüngte sie zunächst Iasons alten Vater, indem sie ihn zerstückelte und mit Zauberkräutern in einem Kessel kochte. Darauf veranlasste sie die Töchter des Pelias, mit ihrem Vater das gleiche zu tun und gab ihnen aber falsche Kräuter, so dass Pelias nicht wieder zum Leben erwachte. Auf diese Weise rächte sie das Unrecht, das er an Iasons Hause begangen hatte. Aus Furcht vor der Rache der Verwandten des Ermordeten flohen Iason und Medeia nach Korinth zum König Kreon.

Um sich und seinen Kindern aus der Ehe mit Medeia hier eine bleibende Zufluchtsstätte zu sichern, verstieß Iason Medeia und vermählte sich mit Kreons Tochter Glauke, auch Kreusa genannt. Medeia stellte sich versöhnt und schickte aber der neuen Frau Iasons ein vergiftetes Gewand und ein Diadem. Als Glauke beide anlegte, wurde sie von Feuer verzehrt. Umstritten ist, ob Medeia in den älteren, angeblich "ursprünglichen" Mythenfassungen danach auch ihre Kinder tötete, oder ob deren Tötung erst von Euripides erfunden wurde. Jedenfalls floh Medeia nach Vollzug ihrer Rache zum attischen König Ägeus. Da ihr dessen Sohn Theseus nach dem Leben trachtete, musste sie nach Asien, wo sie angeblich die Stammmutter der Meder wurde. In anderen Versionen wurde sie mit Theseus in flagranti erwischt oder wollte diesen vergiften, worauf Ägeus sie verstieß.

Klara Ziegler als Medea

Die „Medea“ des Euripides

Die Tragödie „Medea“ des Euripides (5. Jh. v. Chr.) beginnt erst nach ihrer Flucht nach Korinth. Medea und Jason haben zwei gemeinsame Söhne. Jason ist ihr untreu geworden und hat die Tochter des Königs Kreon geheiratet. Medea fühlt sich in Liebe und Ehre gekränkt und beschließt, sich an Jason zu rächen. Nachdem sie zu Beginn der Handlung sehr emotional reagiert und sich ihrem Schmerz hingibt, entwirft sie anschließend ihren rationalen und detaillierten Racheplan.

Sie schickt der Königstochter als Hochzeitsgeschenk ein vergiftetes Kleid und ein vergiftetes Diadem. Durch diese tödlichen Geschenke sterben die Königstochter und der ihr zu Hilfe eilende Vater. Anschließend tötet Medea ihre Söhne, um Jason noch tiefer zu treffen.

Nach dieser Tat flieht Medea auf einem mit Drachen bespannten Wagen, den ihr der Sonnengott Helios (ihr Großvater) geschickt hat, zu Aigeus, dem König Athens, dessen Asyl sie sich zuvor erbeten hat.

Das Motiv der gekränkten Gattenliebe und des dadurch veranlassten Kindermordes ist eine Erfindung des Euripides, der damit an den in Korinth bestehenden Grabkult der Kinder Medeas und ein dazu gehöriges Mythologem anschliesst.

Die „Medea“ Senecas

Seneca der Jüngere schrieb im ersten Jahrhundert nach Christus - fünfhundert Jahre nach Euripides - eine lateinische Fassung der "Medea". Diese Tragödie, die inhaltlich weitgehend der Euripides-Fassung folgt, setzt erst an der Stelle ein, als Medea und Jason bereits bei König Kreon eingetroffen sind, Jason sich von Medea losgesagt hat und die Heirat Jasons mit Glauke/Kreusa unmittelbar bevorsteht. Die Haupthandlung wird durch vier Chorlieder unterbrochen, welche jeweils die Handlung kommentieren oder kurze, weiterführende Erklärungen zur Handlung liefern.

Im ersten Akt treffen Medea und Kreon zusammen. Der König will Medea aus Korinth verbannen, doch kann Medea sich noch einen Tag Aufschub erbitten, um sich von ihren Kindern zu verabschieden; in Wahrheit aber will sie diesen Tag nutzen, um Rache an Jason zu üben. Im weiteren Verlauf der Handlung trifft Medea mit Jason zusammen, der sich bei ihr entschuldigt und ihr seine Beweggründe für die Heirat mit Glauke/Kreusa darlegen will. Dabei erklärt er, dass diese Heirat nur der Sicherheit der gemeinsamen Kinder zugute kommen soll; diese seien für ihn das Wichtigste. Daraufhin folgt eine längere Szene, in welcher Medea Kleid und Diadem für Glauke/Kreusa mit einem Flammenzauber belegt, sodass König Kreon und seine Tochter beim Hochzeitsfest verbrennen. Wenig später erscheint Jason bei Medea, versammelt Bewaffnete und versucht, ihrer habhaft zu werden. Medea flüchtet sich auf das Dach ihres Hauses, bringt die beiden Kinder um und entflieht mit dem Drachenwagen des Helios.

Senecas Medea wird oft mit Senecas tendenziell stoisch ausgerichteter Philosophie in Zusammenhang gebracht. Während die stoische Philosophie die Kontrolle der Affekte lehrt und vom Stoiker fordert, stellt Medea gewissermaßen einen stoischen Antihelden dar: sie lässt ihrer Wut und ihrem Rachedurst vollkommen freie Bahn und reißt dadurch ihre ganze Familie ins Verderben. In diesem Sinne kann man Senecas Medea als ein stoisches Lehrgedicht interpretieren.

Andere antike Varianten

Herodot berichtet von einem Aufenthalt in Athen (7, 62). Nach der verlorenen Tragödie Aigeus des Euripides sowie nach der Erzählung Ovids in den Metamorphosen (7, 404-452) vermählt sie sich dort mit König Aigeus. Nach dem Versuch, dessen Sohn Theseus mit Gift umzubringen, muss sie fliehen.

Medea in den Medien

Auch in den Medien wird der Medea-Mythos immer wieder aufgegriffen. So forschte Barbara Barnett über Medea in amerikanischen Printmedien und stellte fest, dass Medien bei der Berichterstattung über Kindsmord tatsächlich nahe an der Geschichte und allen nachfolgenden Mythen bleiben. [1]

Die Umdeutung Christa Wolfs

Christa Wolf hat die Variante des Euripides in ihrem Roman Medea: Stimmen unter Berufung auf (nicht nachweisbare) ältere Quellen umgedeutet und übt in ihrer Version des Medea-Mythos Gesellschaftskritik. Medea ermordet in ihrer Fassung weder Bruder noch Kinder. Die Gesellschaft lastet der schönen, selbstbewussten, unabhängigen Frau vielmehr Verbrechen an, um die eigene Schuld, aber auch die eigene Verzweiflung und Ohnmacht (beispielsweise gegenüber Naturkatastrophen und Krankheiten) zu verdrängen. Also wird Medea als Sündenbock gebraucht und für alles angeprangert. In Christa Wolfs Fassung kommen sechs verschiedene Stimmen in elf Kapiteln zu Wort, welche Medeas Geschichte immer aus anderer Sichtweise erzählen und somit dem Leser die gesamte Fächerbreite vorlegen.

Literatur

  • Nike Bätzner, Matthias Dreyer, Erika Fischer-Lichte, Astrid Silvia Schönhagen (Hrsg.): Medeamorphosen - Mythos und ästhetische Transformation. Wilhelm Fink, München 2010, ISBN 978-3-7705-4840-8.
  • Nicola Bock-Lindenbeck: Letzte Welten, neue Mythen. Der Mythos in der deutschen Gegenwartsliteratur. Böhlau, Köln 1999, ISBN 3-412-03298-0.
  • Johann Jacob Christian Donner, Nachwort zu Medea. In: Euripides, Medea. Stuttgart (Reclam) 1972, S. 62-64.
  • Michael Grant, John Hazel: Lexikon der antiken Mythen und Gestalten. Dtv, München 2004, ISBN 3-423-32508-9.
  • Corinna Herr: Medeas Zorn. Eine ‚starke Frau’ in Opern des 17. und 18. Jahrhunderts. Centaurus, Herbolzheim 2000, ISBN 3-8255-0299-6. (Reihe: Beiträge zur Kultur- und Sozialgeschichte der Musik Bd. 2)
  • Marianne Hochgeschurz: Christa Wolfs "Medea." Voraussetzungen zu einem Text. Mythos und Bild. Janus, Berlin 1998, ISBN 3-928942-53-0.
  • Karl Kerényi: Die Mythologie der Griechen - Die Heroen-Geschichten. dtv, München 1997, ISBN 3-423-30031-0.
  • Kuan-wu Lin: Westlicher Geist im östlichen Körper?: "Medea" im interkulturellen Theater Chinas und Taiwans. Zur Universalisierung der griechischen Antike. Transcript, Bielefeld 2010, ISBN 3-837-61350-X.
  • Ludger Lütkehaus: Mythos Medea. Texte von Euripides bis Christa Wolf. Reclam, Leipzig 2007, ISBN 3-379-20006-9; Reclam, Ditzingen 2007, ISBN 3-15-020006-7.
  • Inge Stephan: Medea. Multimediale Karriere einer mythologischen Figur. Böhlau, Köln 2006, ISBN 3-412-36805-9. (Rezeptionsgeschichte)

Literarische Bearbeitungen

Musikalische Bearbeitungen

Filmische Bearbeitungen

In der Malerei

Astronomie

Bildwerke

Weblinks

Textfassungen

Weiterführende Informationen

 Commons: Medea – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary Wiktionary: Medea – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Barbara Barnett: Medea in the media. Narrative and myth in newspaper coverage of women who kill their children. Kansas, 2006. (Abstract)

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