Oskar Dirlewanger

Oskar Dirlewanger
Oskar Dirlewanger

Oskar Paul Dirlewanger (* 26. September 1895 in Würzburg; † wahrscheinlich 5. Juni 1945, nach dem Protokoll der Obduktion vom 24. Oktober 1960 am 7. Juni, spätestens aber am 19. Juni in Altshausen) war ein deutscher Offizier der Waffen-SS und Kriegsverbrecher. Er war Kommandeur einer nach ihm benannten SS-Sondereinheit, die in großem Ausmaß an Verbrechen gegen die Menschheit beteiligt war. Ab dem 12. August 1944 stand er im Rang eines SS-Oberführers der Reserve.[1]

Inhaltsverzeichnis

Leben

Erster Weltkrieg

Dirlewanger war der Sohn eines Kaufmannes und legte 1913 sein Abitur ab. Er trat am 1. Oktober 1913 als Einjährig-Freiwilliger in die Maschinengewehr-Kompanie des Grenadier-Regiments 123 ein und nahm mit dieser Einheit 1914 am Einmarsch in Belgien und Frankreich teil. Nach mehreren Verwundungen wurde er als zu 40 % kriegsbeschädigt eingestuft. Trotz seiner Behinderung meldete er sich als Leutnant an die Front zurück und übernahm dort eine Sturm- bzw. MG-Kompanie. Dirlewanger erhielt als junger Offizier beide Klassen des Eisernen Kreuzes. Zuletzt an der Ostfront eingesetzt, zog sich die 2. MG-Kompanie des Infanterie-Regiments 121 bei Kriegsende unter Dirlewangers Führung über Rumänien nach Deutschland zurück.

Zwischenkriegszeit

Ausbildung und Berufstätigkeit

Nach Kriegsende schloss sich Dirlewanger verschiedenen nationalistischen Freikorps an und kämpfte 1920 in Württemberg, im Ruhrgebiet, in Sachsen und Thüringen und im Frühjahr 1921 in Oberschlesien. Insgesamt gehörte er für mindestens drei Jahre paramilitärischen Verbänden an.[2] Zwischenzeitlich studierte er an der Handelshochschule in Mannheim Wirtschaftswissenschaften. Wegen antisemitischer Hetze wurde er jedoch 1921 exmatrikuliert und setzte sein Studium in Frankfurt am Main fort, wo er 1922 zum Doktor der Staatswissenschaften promoviert wurde. In der Doktorarbeit beschäftigte er sich mit Fragen einer völkischen Planwirtschaft in einem künftigen Kriegsfall, damit die im Ersten Weltkrieg aufgetretenen Versorgungskrisen vermieden würden. Von 1928 bis 1931 war er in einem Erfurter Textilunternehmen, das einer jüdischen Familie gehörte, als geschäftsführender Direktor tätig. Dort machte er sich Unterschlagungen schuldig, mit denen er die SA unterstützte.[3] Bis Juli 1933 arbeitete er dann als selbstständiger Steuerberater.

Mitglied der NSDAP

Seit 1919 war Dirlewanger Mitglied im Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund. Am 1. Oktober 1922 trat Dirlewanger in die NSDAP ein, wurde aber zwischenzeitlich ausgeschlossen und erst Jahre später als Mitglied mit der Nummer 1.098.716 neu aufgenommen. Außerdem war Dirlewanger SA-Mann im 1. Sturmbann der 122. SA-Standarte. Nach einem Überfall auf das Esslinger Gewerkschaftshaus durch den Sturmbann stand er im Dezember 1932 wegen Landfriedensbruchs vor Gericht. 1932 erhielt er eine Stelle als hauptamtlicher SA-Führer in Esslingen am Neckar und nach der „Machtergreifung“ der NSDAP 1933 als „alter Kämpfer“ eine Anstellung am Heilbronner Arbeitsamt, wo er zunächst Abteilungsleiter und später stellvertretender Direktor wurde.

Äußerungen Dirlewangers über andere „alte Kämpfer“, denen er mangelnde Qualifikation und Bestechlichkeit vorwarf, führten zu einem SA-internen Disziplinarverfahren.[4] Als Folge des Verfahrens wurde mehreren Strafanzeigen gegen Dirlewanger nachgegangen, die zuvor unterdrückt worden waren. Im Jahr 1934 wurde er wegen der Vergewaltigung eines dreizehnjährigen Mädchens und wegen Belästigung weiterer minderjähriger Mädchen zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt (Urteil des LG Heilbronn vom 21. September 1934). Er verlor dadurch seine Stellung, seinen Doktortitel und alle militärischen Auszeichnungen. Nach der Entlassung aus zweijähriger Haft aus dem Zuchthaus Ludwigsburg wurde er 1936 erneut wegen der in der Erfurter Textilfabrik veruntreuten Gelder vor Gericht gestellt, am 12. Oktober in Heilbronn verurteilt[5] und kam in das Schutzhaftlager Welzheim, das er aber nach Intervention seines Freundes, des späteren SS-Obergruppenführers und Chefs des SS-Hauptamts, Gottlob Berger, bald wieder verlassen konnte.[6] Berger und Dirlewanger waren im Ersten Weltkrieg im gleichen Regiment, sie hatten zusammen die verdeckte Bewaffnung der NSDAP im Südwesten betrieben, zudem verband sie eine Feindschaft mit dem württembergischen Gauleiter Wilhelm Murr.[7]

Legion Condor

Ab 1936 nahm Dirlewanger zunächst als spanischer Fremdenlegionär und dann als Angehöriger der Legion Condor drei Jahre lang am spanischen Bürgerkrieg teil. Mit dem Spanienkreuz ausgezeichnet und durch seine Kontakte zum NS-Machtapparat gelang es ihm, eine Wiederaufnahme seines Verfahrens vor dem Landgericht Stuttgart zu erreichen.[8] Im Zuge der Neuverhandlung wurde er am 30. April 1940, trotz „nach wie vor nicht unerheblicher Verdachtsgründe“, aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Das ursprüngliche Urteil wurde aufgehoben. Auf Betreiben des Reichserziehungsministeriums erhielt Dirlewanger auch seinen Doktortitel zurück.

Zweiter Weltkrieg

Dirlewanger als Chef einer SS-Sondereinheit

Nach seiner Rückkehr im April 1940 wurde Dirlewanger im Mai wieder für „wehrwürdig“ befunden und auf Vorschlag Bergers in die Waffen-SS aufgenommen (SS-Nr. 357.267). Er erhielt den Rang eines Obersturmführers.

Berüchtigt wurde Dirlewanger als Kommandeur verschiedener SS-Einheiten, die seinen Namen trugen, insbesondere jedoch als Kommandeur der „SS-Sondereinheit Dirlewanger“. Diese Einheiten galten als „besonderes Steckenpferd“ des Chefs des SS-Hauptamtes Gottlob Berger.[9] Wie Heinrich Himmler war Berger ein Verehrer König Heinrichs I. (vgl. Programm Heinrich), dessen Vorbild ihm im SS-Hauptamt-Schulungsamt zu Schulungszwecken diente.[10] So erließ dieser König Räubern und Dieben ihre Strafe, wenn sie sich in seine Dienste stellten und fortan seine slawischen Feinde überfielen.[11] Dieses Vorbild münzte Himmler auf Anregung Gottlob Bergers in den Gedanken um, seinerseits straffällige Wilddiebe in die SS zu überführen.[12] Begünstigt durch den Umstand, dass der Reichsführer-SS Himmler auch das Amt des Chefs der Polizei innehatte, kam er mit dem Reichsjägermeister Hermann Göring überein, des Wilderns verdächtige Personen auf Grund der Notdienstverordnung vom 15. Oktober 1938 (RGBl. I S. 1441) zum Kriegsdienst heranzuziehen.

Das Sonderkommando und seine Einsätze

Im Mai 1940 erhielt Dirlewanger den Auftrag, das „Wilddieb-Kommando Oranienburg“ zu bilden, und zwar mit 80 Vorbestraften, die im KZ Sachsenhausen zusammengezogen wurden und eine zweimonatige Ausbildung erhielten. Gottlob Berger wählte etwa 60 Strafgefangene aus, von denen die meisten nicht nur wegen Wilderei, sondern auch wegen anderer Delikte verurteilt worden waren.[13] Am 1. September 1940 wurde das „Sonderkommando Dirlewanger“ in den Raum Lublin verlegt,[14] wo es – wie auch später in Lemberg – zur Überwachung jüdischer Arbeitslager eingesetzt wurde. Im Januar 1942 ließ Berger die Einheit nach Weißrussland verlegen. Am 29. Januar 1942 wurde Dirlewangers Einheit direkt dem Kommandostab Reichsführer-SS unterstellt. Sie sollte bis zum 10. Februar 1942, nach Vervollständigung der Ausrüstung und Ausbildung, dem Höheren SS- und Polizeiführer Russland-Mitte Kurt von Gottberg zugeführt werden. Am 5. Dezember 1943 wurde Dirlewanger wegen seiner „Verdienste im Partisanenkampf“ das Deutsche Kreuz in Gold verliehen. Laut dem Verleihungsantrag hatte Dirlewangers Einheit 15.000 „Banditen vernichtet“, 1.100 Gewehre erbeutet und 92[15] Tote in den eigenen Reihen zu verzeichnen. Das Verhältnis der Zahlen dokumentiert, dass bei den Einsätzen der Dirlewanger-Einheit überwiegend unbewaffnete Zivilisten systematisch ermordet wurden.[16] Im „Selbstverwaltungsbezirk Lokot“ bekämpfte das Kommando zusammen mit der „Kaminski-Brigade“ weiter Partisanen.

Bei den Kämpfen im Warschauer Aufstand im August 1944 zeigten Dirlewanger und seine Einheit erneut ihre selbst für SS-Einheiten außerordentliche Grausamkeit und Brutalität.

Polnische Zivilisten ermordet vom „Sonderkommando Dirlewanger“ in Warschau, 1944

Massenerschießungen, Folter von Gefangenen, Plünderungen, Vergewaltigungen, Verbrechen an Kindern und Alkoholexzesse, auch unter Beteiligung von Dirlewanger selbst, sind durch Augenzeugenberichte von Wehrmachtsangehörigen belegt.[17] Dirlewangers Einheit – im Arbeiterbezirk Wola eingesetzt – benutzte beim Angriff auf feindliche Stellungen erstmals Frauen und Kinder als „lebende Schutzschilde“.[18] Dirlewanger und die SS-Generäle Erich von dem Bach-Zelewski und Heinz Reinefarth erhielten für die Niederschlagung des Aufstands mit über 170.000 zivilen Opfern am 30. September 1944 das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes.

Ende Januar 1945 gelangte die Truppe an die Oderfront in den Raum um Guben, wo es zu schweren Kämpfen mit sowjetischen Truppen kam. Am 19. Februar 1945 befahl Himmler, die inzwischen von SS-Standartenführer Schmedes geführte Brigade zur 36. Waffen-Grenadier-Division der SS aufzustocken. Sie trug den Namen Dirlewangers nicht mehr zur weiteren Kennzeichnung. Dirlewanger war bereits Mitte Februar 1945 als Kommandeur abgelöst worden, da er an den Folgen eines Brustschusses litt. Er ließ sich in Württemberg versorgen[19] und versuchte, dort bei seinen Eltern lagerndes Beutegut vor Kriegsende in Sicherheit zu bringen.[20]

Nach Kriegsende

Für Dirlewanger war der Kriegseinsatz am 22. April 1945 zu Ende, als er in einer Allgäuer Jagdhütte Gottlob Bergers seine Uniform gegen Zivilkleidung austauschte. Nach Christian Ingrao fehlen anschließend für sechs Wochen weitere Nachrichten. Es spricht indessen viel dafür, dass Dirlewanger am 7. Mai 1945 in französische Kriegsgefangenschaft geriet, wovon ein französisches Privatfoto zeugt, aufgenommen von Capitaine Pierre Bouchet de Fareins (5. Regiment marokkanischer Schützen).[21] Deutsche Gefangene lernten ihn und den SS-Mann Minch Anfang Juni als Mithäftlinge kennen. Nach der Zeugenaussage eines Mithäftlings im oberschwäbischen Altshausen, Kreis Saulgau in Württemberg (Französische Besatzungszone), habe Dirlewanger angegeben, von einem ehemaligen jüdischen KZ-Häftling wiedererkannt worden zu sein. Er sei dann genau wie Minch von bewaffneten Polen, vermutlich ehemaligen Zwangsarbeitern, in der französischen Haft so misshandelt worden, dass er am 5. Juni 1945 gestorben sei.[22] Das Sterberegister der Gemeinde Altshausen nennt den 19. Juni 1945 als Datum der raschen und formlosen Bestattung des vormaligen SS-Oberführers.

Bis in die 1960er Jahre kursierten dennoch Gerüchte, Oskar Dirlewanger habe den Krieg überlebt. Es wurde unterstellt, er sei Leibwächter des damaligen Präsidenten Nasser von Ägypten. Aus diesem Grund ordnete im November 1960 die Staatsanwaltschaft Ravensburg die Exhumierung der Leiche an. Die gerichtsärztliche Untersuchung ergab jedoch eindeutig, dass es sich bei dem Bestatteten um Dirlewanger handelte.[23]

Von 35 bei der Justiz in den 1960er Jahren angelegten Strafverfolgungsdossiers führte nur eines zur Anklage und zur Verurteilung, und zwar von vier ehemaligen Sondereinheitsangehörigen, wegen der Beteiligung an Straftaten gegenüber jüdischen Arbeitslagerhäftlingen.[24]

Persönlichkeit und Truppenführung

Persönlichkeit

Wolfgang Benz charakterisiert Dirlewanger als Typ des Landsknechts, der „moralisch haltlos und machtbesessen (…), von Grausamkeit und Willkür getrieben, Verbrechen zum Prinzip des Kampfes macht“.[25] Christian Ingrao hält fest, dass Dirlewangers Lebenszeit aus 17 Jahren Krieg – das ist ein Drittel seines Lebens – bestanden habe. Die in der Öffentlichkeit lange nicht bekannten Umstände seines Endes und das ungenaue Todesdatum hätten erheblich zur Legendenbildung beigetragen und ließen G. Berger noch 1962 nach der 1960 erfolgten Obduktion Dirlewangers gegenüber dem Historiker Helmut Heiber mutmaßen, dass sein Freund als geheimer Ratgeber der Mächtigen in Syrien oder Ägypten weiterlebe.[26]

Knut Stang sah 2004 in einer biographischen Skizze vier Faktoren für Dirlewangers Werdegang als bestimmend an: „Bei ihm verbanden sich eine amoralische Persönlichkeit, zusätzlich zerrüttet durch Alkoholismus und eine sadistische sexuelle Veranlagung, das Fronterlebnis des Ersten Weltkrieges, rauschhafte Gewalt und Barbarisierung, die persönlich erfolglosen und frustrierenden Friedensjahre und eine politische Führung, die skrupellose Terrorkriegsführung nicht nur tolerierte, sondern zur Methode machte.“[27] Bemerkenswert sei, so Stang, „daß Dirlewanger trotz Vorstrafen und sonstiger Auffälligkeiten erst von Berger richtig erkannt und instrumentalisiert wurde. […] Hitler und Himmler sahen − zu Recht − in Dirlewanger den radikalsten Vertreter dessen, was NS-Kriegsführung auszeichnete gegenüber der auch nicht eben menschenfreundlichen Kriegsführung der deutschen Militärtradition.“[27]

Ingrao wertete im Sommer 1942 erfolgte Befragungen und Zeugenaussagen aus der Nachkriegszeit aus und ging den widersprüchlichen Angaben über Dirlewanger nach. Danach genüge es nicht, Dirlewanger als „allmächtigen und gefürchteten Chef“ zu charakterisieren,[28] sondern auch Eindrücke von Untergebenen zu berücksichtigen, die ihn als charismatisch wahrgenommenen und respektierten Vorgesetzten schilderten.[29]

Dirlewanger als Truppenführer

Ein Erklärungsansatz für die Rolle Dirlewangers wird in seinem militärischen Werdegang gesehen. Bereits während des Ersten Weltkriegs sah er, trotz schwerer Verwundungen, nicht vom weiteren Kriegseinsatz ab. Nach einer im September 1915 im Nahkampf entstandenen Schnittverletzung am linken Arm, durch die dieser unbeweglich wurde, setzte er nach der Genesung seinen Militärdienst im Jahr 1916 fort. 1917 meldete er sich wieder freiwillig an die Front. Er wurde zum Leutnant befördert und als Kompanieführer einer Maschinengewehreinheit im nach dem Frieden von Brest von deutschen Truppen besetzten Südrussland eingesetzt.[30] Im November 1918 gelang ihm mit 600 Soldaten unter Umgehung der Internierung die direkte Rückkehr nach Deutschland, was ihm 1932 eine Ehrung durch alte Kameraden in der Presse einbrachte.[31]

Wie zahlreiche Soldatenbriefe zeigen, waren die Erfahrungen in Russland insofern prägend, als sie anders als im Westen bei vielen Soldaten zu einer rassistisch geprägten Wahrnehmung des Feindes und der einheimischen Bevölkerungen führten, was zu der Verstärkung eines sozialdarwinistisch geprägten Überlegenheitsgefühls führte.[32] Dieses Bild vom Osten, von der Kulturträgertheorie vorbereitet und geprägt, wurde in der Zeit der Weimarer Republik von reaktionären Kräften auf die Zielgruppen der Freikorpseinsätze übertragen, dann mit dem in der Regel auf Slawen gemünzten Begriff „Untermensch“ kurzgeschlossen und auf die von der nationalsozialistischen Propaganda geschürten Furcht vor dem „jüdischen Bolschewismus“ geteilt und verbreitet.[33]

Als Dirlewanger nach seinen Bürgerkriegserfahrungen in Spanien 1940, wieder für wehrwürdig erklärt, das Kommando zur Militärausbildung der dafür eigens freigelassenen Wilddiebe übernahm, stand deren künftiger Einsatz zur „Bandenbekämpfung“ im Osten bereits fest. Die Einheit wurde damit beauftragt, die von Curt von Gottberg zum „Freiwild“ erklärten Partisanen sowie alle Juden zu suchen und in der Regel zu ermorden[34] und damit das zu verwirklichen, was Himmler 1941 als Ziel des Russlandfeldzuges angekündigt hatte, nämlich „die Dezimierung der slawischen Bevölkerung um dreißig Millionen“.[35] Gleichzeitig war sich Himmler bewusst, was das hieß: „In dieser Auseinandersetzung mit Asien müssen wir uns daran gewöhnen, die Spielregeln, die uns lieb geworden und uns viel näher liegenden Sitten vergangener europäischer Kriege zur Vergessenheit zu verdammen.“[36]

Während ihres ersten Einsatzes im Generalgouvernement bis Januar 1942 galt die Truppe, einschließlich Dirlewangers selbst, als verwahrlost. Die disziplinlosen Verhaltensweisen ihrer Mitglieder und die von ihnen begangenen Gräueltaten waren dort zu dieser Zeit nicht akzeptiert und führten dazu, dass Odilo Globocnik und Friedrich-Wilhelm Krüger sie entfernt sehen wollten[37] und von der SS die Auflösung der Einheit überprüft wurde.[38] Himmler, Berger und Viktor Brack hielten jedoch an Dirlewanger fest und verlegten die Sondereinheit, die wie keine andere SS-Einheit mit dem Namen ihres Führers verbunden war, 1942 zum Mord- und Kampfeinsatz nach Weißrussland. Aus den militärischen Unterlagen ergibt sich für Ingrao, dass die Einheit wegen ihrer Effizienz beim Einsatz in den Wäldern Weißrusslands und in den Pripjetsümpfen einstimmige Anerkennung fand und vom Befehlshaber für Russland-Mitte den strenger hierarchisierten und damit unbeweglicheren Verbänden vorgezogen wurde.[39]
Nach dem Einsatz im Warschauer Aufstand und der Ermordung von insgesamt 20.000 bis 50.000 Zivilisten war die Einheit erheblich vergrößert und um zusätzliche Waffengattungen ergänzt worden. Dirlewanger erschien für die Führung einer Division nicht mehr geeignet und wurde als überfordert angesehen. Im Februar 1945 wurde er abgelöst.[40]

Literatur

  • Hellmuth Auerbach: Die Einheit Dirlewanger in Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. 1962, Seite 250 ff. (PDF, Seite 114, 4,9 MB)
  • Christian Gerlach: Kalkulierte Morde. Die deutsche Wirtschafts- und Vernichtungspolitik in Weißrussland, Hamburger Edition, Hamburg 1999, ISBN 3-930908-63-8.
  • Hans-Peter Klausch: Antifaschisten in SS-Uniform. Schicksal und Widerstand der deutschen politischen KZ-Häftlinge, Zuchthaus- und Wehrmachtsgefangenen in der SS-Sonderformation Dirlewanger. Edition Temmen, Bremen 1993, ISBN 3-86108-201-2.
  • Christian Ingrao: Les chasseurs noirs. La brigade Dirlewanger, Perrin, Paris 2006, ISBN 978-2262024246.
  • French L. MacLean: The Cruel Hunters. SS-Sonder-Kommando Dirlewanger, Hitler's Most Notorious Anti-Partisan Unit. Schiffer, Atglen 1998, ISBN 0-7643-0483-6
  • Knut Stang: Dr. Oskar Dirlewanger: Protagonist der Terrorkriegsführung. In: Klaus-Michael Mallmann & Gerhard Paul Hgg.: Karrieren der Gewalt. Nationalsozialistische Täterbiographien. WBG, Darmstadt 2004, ISBN 3-534-16654-X; 2. unv. Aufl. 2005; Sonderausgabe davon WBG 2011 & Primus, Darmstadt 2011 ISBN 9783896787262
    • dsb.: Ritter, Landsknecht, Legionär, Militärmythische Leitbilder in der Ideologie der SS. Peter Lang, Frankfurt 2008
  • Rolf Michaelis: Die SS-Sturmbrigade „Dirlewanger“. Vom Warschauer Aufstand bis zum Kessel von Halbe Winkelried, Dresden 2006, ISBN 978-3-938392-21-8
  • Ein braver Schwabe. In: Der Spiegel. Nr. 30, 2008, S. 48 (online).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Dienstaltersliste der Waffen-SS (Sachstand: 1. Juli 1944) Herausgegeben von Brün Meyer, Biblio, Osnabrück 1987.
  2. Christian Ingrao, Les chasseurs noirs. La brigade Dirlewanger, Paris (Perrin) 2006, S. 65, 71.
  3. Ingrao, 2006, S. 78 f.
  4. Stang, Dirlewanger, S. 68f.
  5. Ingrao, 2006, S. 86.
  6. Hermann Weiß (Hrsg.): Biographisches Lexikon zum Dritten Reich. Frankfurt am Main 2002, S. 93.
  7. Stang, Dirlewanger, S. 69.
  8. Weiß, Lexikon, S. 93.
  9. Weiß, Lexikon, S. 38.
  10. Richard Breitman: Heinrich Himmler. Der Architekt der „Endlösung“. Zürich 2000, S. 64.
  11. Widukind von Corvey: Res gestae Saxonicae. Die Sachsengeschichte. Lateinisch/Deutsch, hrsg. v. Ekkehart Rotter u. Bernd Schneidmüller, Stuttgart (Reclam UB Nr. 7699) 1997, S. 111.
  12. Vgl. Weiß, Lexikon, S. 37 f.
  13. Stang, Dirlewanger, S. 69.
  14. Weiß, Lexikon, S. 93. Ingrao, 2006, S. 21.
  15. Laut Verleihungsantrag, siehe Michaelis, Sonderkommando, S. 25. Die eigenen Verluste betrafen vorwiegend die ukrainischen und russischen Hilfstruppen, bis Ende 1943 hatte das eigentliche Kommando 19 Tote zu verzeichnen. Hierzu: Stang, Dirlewanger, S. 71.
  16. Michaelis, Sonderkommando, S. 25.
  17. Augenzeugenbericht – Vgl. auch Ingrao, 2006, S. 134, 158, 181 f.
  18. Stang, Dirlewanger, S. 71. Ebenda erwähnt: Teilnahme an „umfangreichen Massakern, Plünderungen und Vergewaltigungen“.
  19. Auerbach, 1962, S. 260. Ingrao, 2006, S. 60.
  20. Stang, Dirlewanger, S. 72
  21. Franz. Militärfoto vom 7. Mai 1945
  22. Ingrao, 2006, S. 201-205.
  23. Weiß, Lexikon, S. 94; Auerbach, VfZ, 1962, Hf. 3, S. 252. - Vgl. auch Ingrao, 2006, S. 206 f.
  24. Ingrao, 2006, S. 217-219.
  25. Benz in: Weiß, Lexikon, S. 94. – Die Beschreibung Dirlewangers als eine Landsknechtsgestalt aus dem Dreißigjährigen Krieg gehört bereits zu einem Bericht von 1943 (vgl. Ingrao, S. 129.)
  26. Ingrao, 2006, S. 65, 92.
  27. a b Stang, Dirlewanger, S. 73
  28. Ingrao, 2006, S. 90.
  29. Ingrao, 2006, S. 93-108. – Auf S. 103 erwähnt Ingrao zweimal die von D. seinen Untergebenen gegenüber ausgeübte „domination charismatique“ (= charismatische Herrschaft).
  30. Ingrao, 2006, S. 66-68.
  31. Ingrao, 2006, S. 69.
  32. Ingrao, 2006, S. 69. Dazu ausführlich Vejas Gabriel Liulevicius, Kriegsland im Osten. Eroberung, Kolonisierung und Militärherrschaft im Ersten Weltkrieg, Hamburger Edition: Hamburg 2002, ISBN 3-930908-81-6, S. 189-216.
  33. Vgl. hierzu Hans-Erich Volkmann (Hg.), Das Russlandbild im Dritten Reich, Böhlau: Köln, Weimar, Wien 1994, ISBN 3-412-15793-7.
  34. Vgl. dazu Kap. 5 bei Ingrao: „Une guerre cynégétique?“
  35. Joe Heydecker/Johannes Leeb: Der Nürnberger Prozess. Mit einem Vorwort von Eugen Kogon und Robert M. W. Kempner, Kiepenheuer & Witsch: Köln 1995, ISBN 3-462-02466-3, S. 377.
  36. Rede am 5. Mai 1944 vor Generälen in Sonthofen: Bradley Smith/Agnes Peterson (Hg.): Heinrich Himmler. Geheimreden 1933 bis 1945 und andere Ansprachen. Mit einer Einführung von Joachim C. Fest, Berlin 1974, S. 202.
  37. Ingrao (2006), S. 125-127.
  38. Bernd Böll: Chatyn. In: Gerd R. Ueberschär: Orte des Grauens. Verbrechen im Zweiten Weltkrieg. Darmstadt 2003, S. 19-29, hier S. 21.
  39. Ingrao, 2006, S. 130-132.
  40. Ingrao, 2006, S. 200.

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