Ernst Baedeker

Ernst Baedeker

Ernst Baedeker (* 1833; † 1861) war ein deutscher Verleger. Der von seinem Vater Karl Baedeker gegründete Verlag ist vor allem durch seine Reiseführer bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ernst Baedeker war seit 1855 Mitglied des Corps Saxo-Borussia Heidelberg.[1] Unter seinen Consemestern war er der einzige, der sein Elternhaus im Rheinland und nicht in Ostelbien hatte, und fast der einzige, der nicht Rittergutsbesitzer war. Zudem wuchs er in einem Elternhaus auf, das sich nicht nur nationalen, sondern auch liberalen und freisinnigen Ideen öffnete. Sein Vater Karl Baedeker, und mit ihm vermutlich der Sohn, war mit Hoffmann von Fallersleben befreundet und kannte Ernst Moritz Arndt.

Als Aktiver erlebte er im Juli 1856 das letzte Comitat der Heidelberger Universitätsgeschichte: Drei Mitglieder des SC wurden von der Universität verwiesen; unter ihnen war der Vandale Lucius. Sie wurden vom SC bis an die Landesgrenze nach Ladenburg begleitet, was zur Besetzung Heidelbergs durch vom Prorektor der Ruprecht-Karls-Universität herbeigerufene Soldatenkompanien und zum Zerwürfnis des SC mit der Stadt Ladenburg führte. Gar nicht amüsiert war Ladenburg, als der SC den Gemeinderat 1964 wissen ließ, dass der Verruf der Stadt nunmehr aufgehoben sei – kurz vor dem Erscheinen des Heidelberg-Baedekers 1968.[2]

Ernst Baedeker hatte sich auf seine Aufgabe in Braunschweig, Leipzig, Stuttgart und London vorbereitet. Er konnte sie aber nur knapp drei Jahre umsetzen. Teilhaber des Verlages wurde er Anfang 1859, Inhaber zehn Monate später nach dem Tod des Vaters. „Der begabte junge Mann“ starb im Alter von nur 27 Jahren an „Nervenfieber“. Ernst Baedekers jüngerer Bruder Fritz (Angehöriger des Corps Vandalia Heidelberg) hatte den Verlagssitz nach Leipzig verlegt und den internationalen Durchbruch geschafft. Unter ihm erreichte der mittelständische Familienverlag um 1900 seine größte Blüte.

Ernst Baedekers Schwiegervater Salomon Hirzel gab als Verlagsbuchhändler das Deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm heraus. Es übernahm den Begriff „erwandert“ von Karl Baedeker.

Ernst Baedeker ist auf dem Kartäuser-Friedhof in Koblenz neben seinem Vater beerdigt.

Die neuen Baedeker haben mit der Familie nichts mehr zu tun; die alten können bei Auktionen und in Antiquariaten vierstellige Beträge erreichen.[3]

Herausgeber

Allein in seinem ersten und einzigen vollen Geschäftsjahr als Verleger, 1860, bot Ernst Baedeker sieben Neubearbeitungen an. 1861 erschienen die Erstausgaben des Italien- und Rombandes (Neuauflagen bis 1944) und französische Ausgaben der Führer zu Österreich (1860 bis 1936), Holland und Belgien (1859 bis 1928) und wiederum Italien (1861 bis 1932).

Seine Brüder Karl Baedeker II. und später Fritz setzten seine Arbeit fort, zunächst mit der ersten Ausgabe des London-Führers rechtzeitig zur Weltausstellung. Ernst hatte den Band schon vor seinem Tod weitgehend fertiggestellt. Die viel gelesene Zeitschrift Gartenlaube bezeichnete Karl und Ernst Baedeker 1861 als „getreuen Eckardt der Reisenden“. Eine englische Baedeker-Gesellschaft gab zwischen 1980 und 1992 24 Mitteilungen über Baedeker-Symposien und unterhält eine Webseite mit täglich aktualisierten Auktionsberichten über die Führer – 500 auf Deutsch, 266 auf Englisch und 226 auf Französisch.

Ernst Baedeker brachte Anfang Juli 1861, zwei Wochen vor seinem Tod, den ersten englischsprachigen Band heraus. So gebührt nicht nur seinem Vater, sondern auch ihm die Ehre, dass sich ein Name von der Person ablöste und zum Begriff für die Sache wurde. Laurence Boyle schrieb 1983 in den Mitteilungen der Baedeker-Freunde über Ernst, er sei der „wohl am wenigsten bekannte, aber der wichtigste Nachfahre“ Karl Baedekers. „Millionen englischer und amerikanischer Reisende sollten ihm dankbar sein, daß er ihnen die Baedeker-Welt zugänglich machte“.

Bewunderung und Missbrauch

Jules Verne erwähnte Baedeker mehrfach in seinen Romanen. In seinem Stahlelefant ließ er 1880 bei der Durchquerung Indiens sagen „Dort wollen wir ein bisschen baedekern“. Karl May dagegen ließ Kara Ben Nemsi prahlen, er verlasse sich „auf keinen Dolmetscher und keinen Bädeker“. Karl May behauptete, er pflege „nicht mit dem roten Baedeker in der Hand im Eisenbahncoupé zu reisen“. Erst in seinem Spätwerk leistete er Abbitte mit dem Satz, die Karten des Baedeker sagten mehr, „als wir von diesem Araber erfahren können“. Später zeigte sich, dass der Abenteuerschreiber die Ortskenntnisse seiner Romane in starkem Maße bei Baedeker abgeschrieben hatte. Schon Lawrence von Arabien hatte sich auf Baedeker-Karten gestützt, weil sie als zuverlässig galten. Thomas Pynchon fragt 1963 in seinem ersten Roman „V.“: „War er Ägyptologe oder hatte er nur seinen Baedeker auswendig gelernt?“ Die Liste der Schriftsteller und Dichter, die in ihrem Werk auf Baedeker Bezug nehmen, ist endlos - von Charles Dickens über Emile Zola bis zu Theodor Fontane. Unter ihnen sind mindestens drei, die mit der Saxo-Borussia Kontakt hatten: Mark Twain, Kurt Tucholsky und Ludwig Thoma, der 1905 in seinem satirischen Bühnenstück Pistole oder Säbel? nicht nur zwei Saxo-Borussen, sondern auch den Konsistorialrat Käsebier karikierte, dessen Baedeker-Hörigkeit er als Inbegriff des Bildungsphilisters sah.

„Kings and governments may err, but never Mr. Baedeker.“

Englisches Libretto zu Jacques Offenbachs Operette La Vie parisienne, 1866

Im Zweiten Weltkrieg nutzten die Engländer den Begriff „Baedeker Blitz“ für Vergeltungsangriffe der deutschen Luftwaffe: Nach dem Luftangriff der Royal Air Force auf den historischen Stadtkern Lübecks befahl die Luftwaffe zwischen April und Juni 1942 Angriffe auf Exeter, Bath, Norwich, York und (nach einem Angriff auf Köln) auf Canterbury - militärisch unbedeutende, aber kulturell wichtige Städte. Sie wurden gewählt nach dem Baedeker-Reiseführer England als Orte mit drei Baedeker-Sternen.

Einzelnachweise

  1. Kösener Korps-Listen 1910, 120, 486
  2. Robert von Lucius (Hg.): Weiß-Grün-Schwarz-Weiß. Beiträge zur Geschichte des Corps Saxo-Borussia zu Heidelberg. Band 2: 1934–2008. Heidelberg 2008, S. 65
  3. R. v. Lucius, Riesensteinbrief (Corpszeitung der Saxo-Borussia) 1/2010

Quelle

  • Robert von Lucius: „Als wär´s ein Stück von mir“ - Das Corps Saxo-Borussia in der Literatur. Einst und Jetzt, Bd. 55 (2010), S. 125-142

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