Riepenburg

Riepenburg

Die Riepenburg war eine befestigte Anlage in Kirchwerder in den Hamburger Vierlanden, die zwischen etwa 1250 und 1506 bestand. Ihre Hauptaufgabe war die militärische Sicherung der Zollstelle Eyslingen (später Zollenspieker). Ab 1420 stellte sie zudem den Verwaltungssitz des Amtes Riepenburg dar.

Inhaltsverzeichnis

Lage und Aussehen

Lage im heutigen Hamburg

Die Riepenburg wurde am südlichsten der drei Flussarme der Elbe gegenüber der damaligen Mündung der Ilmenau bei dem Örtchen Haue errichtet. Hier gab es eine Verbindung zwischen der Ilmenau und dem gut schiffbaren mittleren Elbarm, der Gose Elbe. Auf dem vorgelagerten Werder Krauel war eine Zollstation eingerichtet worden, die es militärisch zu schützen galt. Später gab es dort auch eine Fähre. Die Anlage bestand aus zwei Gräben, denen Ringwälle vorgelagert waren. Die ovale Doppelwallanlage besaß einen Grundriss von etwa 150×220 Metern.[1] In ihrer Mitte erhob sich ein aufgeschütteter Burgberg mit etwa 130 Metern[1] Durchmesser, auf dem die Gebäude und die Verteidigungsmauer der Anlage standen. Im Süden lag die heutige Elbe, im Osten der oben bereits genannte Verbindungsarm der Ilmenau zur Gose Elbe, von dem nur noch ein kleiner Teich, der Riepenburger Brook[2], zeugt.

Die Gebäude der Festungsanlage sind schwer zu rekonstruieren, da es nur sehr geringe archäologische Erkenntnisse dazu gibt. Es wird vermutet, dass sie dem nächstgelegenen Verwaltungszentrum, dem Schloss in Bergedorf, ähnelte, da sie ähnliche Aufgaben zu erfüllen hatte. Demnach wäre sie als Anlage mit Wohnturm, einem Wohnhaus aus Fachwerk, Torhaus, Hof, einem kleinen Stall und einem Wehrgang anzunehmen. Wie die Anlage vor der Zerstörung von 1362 aussah, lässt sich nicht sinnvoll rekonstruieren.

Geschichte

Von der Gründung bis zur beiderstädtischen Eroberung (ca. 1250 bis 1420)

Befestigungsanlage Riepenburg, Abbildung von 1749

Der genaue Zeitpunkt der Grundsteinlegung des Festen Hauses Riepenburg ist nicht dokumentiert. Vermutlich wurde die Anlage um 1250 angelegt oder zumindest stark erweitert. Die Hauptaufgabe der Anlage war, die hier befindliche Zollstation Eyslingen (auch Yslingen, später Esslingen genannt) zu schützen. Diese Zollstation wird bereits 1216 zum ersten Mal erwähnt. Zusätzlich wurde eine 1252 erstmals erwähnte Fähre geschützt, die eine Verbindung mit dem anderen Elbufer an der Stelle der ursprünglichen Ilmenau-Mündung herstellte: die „Eyslinger Fähre“, die später als „Zollenspieker Fähre“ bekannt wurde. Der Namensgeber der Riepenburg war ihr Besitzer, der einem wendischen Adelsgeschlecht angehörende und 1289[1] urkundlich genannte Ritter Hermann Ribe, dem Ende des 13. Jahrhunderts durch den Sachsenherzog Albrecht zeitweise die Verwaltung des Herzogtums Sachsen-Lauenburg übertragen worden war.

Ab 1339 lebte der Herzog Erich von Sachsen-Lauenburg einige Jahre auf der Riepenburg, die ihm 1322 im Vertrag von Lauenburg zugesprochen worden war. Sie diente nachweislich als eines der vielen Bollwerke, von denen aus die Ritter den Kampf gegen die politisch und wirtschaftlich immer stärker werdenden freien Handelsstädte Hamburg und Lübeck führten; sie galt daher, wie viele andere feste Häuser der Gegend auch, als Raubritterburg. So wurde zum Beispiel Hermann von Ribe, Sohn des Namensgebers der Burg, 1289 durch die Lübecker als Straßenräuber hingerichtet.

Durch den Perleberger Vertrag von 1420 fiel auch die Riepenburg unter beiderstädtische Herrschaft.

Ein Landfriede, der 1289 beschlossen wurde, beruhigte die Lage, wenn auch die Überfälle auf Handelszüge bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts anhielten. In diesem Zusammenhang, aber auch im Kampf um den Besitz der einträglichen Zollstation, kam es 1362 zu einem Angriff Wilhelms von Braunschweig-Lüneburg auf die Riepenburg, die zu jenem Zeitpunkt Erich II. von Sachsen-Lauenburg gehörte. Die Veste wurde erobert und geschleift. An ihrer Stelle wurde wenige Kilometer stromauf am Gammerort eine andere Veste errichtet, die ihrerseits nur kurz überlebte. Die Riepenburg wurde wieder aufgebaut.

1370 wurden Bergedorf und Riepenburg von Erich III. von Sachsen-Lauenburg nach Lübeck verpfändet. Sein Vetter, Erich IV., erklärte die Verpfändung für nichtig und eroberte 1401 in einem Handstreich das Bergedorfer Schloss. Damit fielen auch die Riepenburg und die Zollfähre in den Besitz der Lauenburger Herzöge zurück. Die Lübecker wiederum reagierten erst nach der Neuwahl ihres Senates im Jahr 1419 und überreichten, gemeinsam mit ihrem Verbündeten Hamburg, den Fehdebrief am 7. Juli 1420. Der Angriff auf Bergedorf mit einer Streitmacht aus 3800 Mann begann am 10. Juli 1420. Schon einen Tag später fiel die Stadt; die Veste in Bergedorf hielt bis zum 14./15. Juli 1420 stand. In der Folge wurde auch die Riepenburg mit 3000 Mann angegriffen. Am Morgen des 25. Juli 1420 stand die Streitmacht vor der mit 46 Mann besetzten Riepenburg. Angesichts der Übermacht ergaben sich die Verteidiger kampflos. Die Riepenburg ging zusammen mit Stadt und Schloss Bergedorf im Perleberger Friedensvertrag am 23. August 1420 in die gemeinsame Verwaltung Hamburgs und Lübecks über.

Von der Vogtei zum Amt (1420 bis 1512)

Nachdem die Burg als Widerstandsnest gegen die Vormacht der hansischen Kaufleute ausgeschaltet war, wurde sie, wie auch Schloss Bergedorf, zu einem Verwaltungszentrum für die Vierlande umgebaut. Zwischen 1420 und 1422 bestimmten der Hamburger und der Lübecker Senat gemeinsam über die Geschicke der beiden Ämter. Ab 1422 wurde im vierjährigen, ab 1446 im sechsjährigen Wechsel ein Amtmann der jeweils anderen Stadt, meist ein ehemaliger Senator, in die beiderstädtischen Refugien gesandt. Auch die Zugehörigkeit der Senatoren in den beiden Ämtern war unterschiedlich: während auf der Riepenburg der erste Amtmann aus Lübeck stammte war der erste Bergedorfer Amtmann ein Hamburger.

Die Aufgaben der Amtmänner umfassten von der militärischen Oberhoheit über die Steuereintreibung bis hin zur Gerichtsbarkeit alle Facetten der politischen Verwaltung. Sowohl in Bergedorf als auch auf der Riepenburg musste der eingesetzte Amtmann acht Wehrhafte besolden und dem jeweiligen Senat eine Bürgschaft von 4000 Mark hinterlegen. Ihre Tätigkeit wurde von einem Konsortium überwacht, das aus Ratsmitgliedern beider Städte zusammengesetzt war.

Die letzte Amtszeit auf der Riepenburg begann 1506. Wie die Bergedorfische Landesverfassung unter § 9,2 berichtet, mussten die Gebäude der Riepenburg zwischen 1508 und 1512[1] wegen Alter und Baufälligkeit abgerissen werden. Da die Ilmenau inzwischen nicht mehr direkt in die Elbe, sondern kurz vor Erreichen des Stromes in die benachbarte Luhe einmündete war der Fähranleger und damit die Zollstation 1470 einige hundert Meter stromabwärts an die Stelle des heutigen Fährhauses Zollenspieker verlagert worden. Dadurch war die Riepenburg ihrer Hauptaufgabe entledigt. Der Verwaltungsbetrieb des Amtes Riepenburg wurde mit dem Amt Bergedorf vereinigt und auf dem Bergedorfer Schloss zusammengefasst. Die Riepenburg wurde aufgegeben.

Liste der Amtmänner auf der Riepenburg

Zeitraum Amtmann Herkunft Kommentar
1422–1426 Nikolaus von Stiten Lübeck Ratsherr in Lübeck 1402 (1416 mit den anderen überlebenden Mitgliedern des Alten Rates wieder eingesetzt)
1426–1430 Marten Swartekog Hamburg
1430–1434 Johann Lüneburg Lübeck 1434-1438 Amtmann in Bergedorf; Lübecker Bürgermeister ab 1442
1434–1438 Johan Vos Hamburg 1438-1442 Amtmann in Bergedorf; Hamburger Ratsherr
1438–1442 Tideman Hadewerk Lübeck Ratsherr in Lübeck seit 1428; 1442-1445 Amtmann in Bergedorf
1442–1446 Hildebrand Brandes Hamburg
1446–1452 Johann Hovemann Lübeck Ratsherr in Lübeck seit 1428
1452–1458 Hinrich Lesemann Hamburg Hamburger Bürgermeister 1458–1464
1458–1464 Konrad Brekewoldt Lübeck Ratsherr in Lübeck seit 1455; 1464-70 Amtmann in Bergedorf
1464–1470 Hans Lesemann Hamburg
1470–1476 Fritz Grawert Lübeck Ratsherr in Lübeck seit 1460, starb in Riepenburg
1476–1482 Hans Lesemann Hamburg
1482–1488 Engelbrecht Vickinghusen Lübeck 1488-1494 Amtmann in Bergedorf
1488–1494 Erik van Tzeven Hamburg Hamburger Bürgermeister 1499–1504
1494–1500 Engelbrecht Vickinghusen Lübeck
1500–1506 Matthias Schiphower Hamburg
1506–1512 Hermann Messmann Lübeck Lübecker Ratsherr ab 1496
1500–1506 und 1512–1515 (†) Amtmann in Bergedorf.

Nach dem Abriss (1512 bis heute)

Nach dem Abriss des Festen Hauses und dem Wegfall der Verwaltungsaufgaben wurde das Gelände um die Riepenburg ausschließlich landwirtschaftlich genutzt. Ein Grundriss von 1826 zeigt die komplette Wall- und Grabenanlage der Burg mitsamt dem Burgberg. Er war, den Angaben des Zeichners J. H. von Holten zufolge, deutlich höher als der damalige Elbdeich. Auch die Erdwälle sind heute wesentlich niedriger als damals. Von den Erdanlagen sind die südöstliche Hälfte des Ringwalls mit vorgelagertem Graben in einer Länge von etwa 220 Metern und der Burghügel erhalten. Sie erreichen aber nicht mehr ihre ursprünglichen Höhen. Der Burgberg erhebt sich, einer Katasteraufnahme aus dem Jahr 1964 zufolge, etwa 4,5 Meter über die Elbe und etwa zwei Meter über das umgebende Land und fällt damit kaum auf, zumal ihn der nahe Elbdeich weit überragt.

Die Riepenburger Mühle, die seit 1318 zur Burg gehörte, wurde 1828 abgerissen und als Holländerwindmühle wieder aufgebaut. 1878 wurde sie von der Hofstelle abgetrennt und wird seitdem als eigenständiger Betrieb geführt.

Durch den Bau dreier Straßen im Jahr 1919 und die nachfolgende Besiedlung wurde die Domäne Riepenburg in eine normale Siedlungsfläche umgewandelt.

Die Überreste der Riepenburg stehen unter Denkmalschutz.

Einzelnachweise

  1. a b c d R. Busch: Die Kunst des Mittelalters in Hamburg. Die Burgen, S. 32.
  2. Das „Riepenburger Brook“ oder „Riepenburger Brack“

Literatur

  • Ralf Busch (Hrsg.): Die Kunst des Mittelalters in Hamburg. Die Burgen. Dölling und Galitz, Hamburg 1999, ISBN 3-933374-47-2 (Veröffentlichungen des Hamburger Museums für Archäologie und die Geschichte Harburgs – Helms-Museum. Nr. 85), S. 32.
  • Emil Ferdinand Fehling: Lübeckische Ratslinie, Lübeck 1925
  • Denkmalschutzamt Hamburg (Hrsg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Bergedorf, Vier- und Marschlande. Christians-Verlag, Hamburg 1986, ISBN 3-7672-0969-1.
  • Harald Richert: Zwischen Bille und Elbe. Verlag Otto Heinevetter, Hamburg 1987, ISBN 3-8747-4966-5.
  • Kultur- und Geschichtskontor (Hrsg.): Vierlande. Kulturgeschichte zwischen Elbe und Bille. 1. Auflage. 2. Band, Hamburg 2008, ISBN 978-3-9811271-4-0, Kapitel "Die Riepenburg", p. 194 ff.
  • Simone Vollstädt: Die Riepenburg und die Riepenburger Mühle. Selbstverlag, Hamburg 1997.
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