Rudolf Vierhaus

Rudolf Vierhaus

Rudolf Vierhaus (* 29. Oktober 1922 in Eickel oder Wanne; † 13. November 2011 in Berlin[1]) war ein deutscher Historiker. Er wurde bekannt durch seine Forschungen zur Geschichte der Neuzeit.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Der Sohn eines Zechenhandwerkers wurde 1941 zum Kriegsdienst eingezogen. Nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft studierte er ab 1947 in Münster. Im Jahre 1955 reichte Rudolf Vierhaus bei Kurt von Raumer seine Promotion über das Thema Ranke und die soziale Welt ein. Nach seiner Habilitation war er ab 1961 Privatdozent in Münster.

1964 wurde Vierhaus als erster Historiker zum ordentlichen Professor an der neu gegründeten Ruhr-Universität Bochum ernannt. 1966/67 lehrte er als Gastprofessor am St. Antony's College in Oxford.

Von 1971 bis 1990 war er Direktor des Max-Planck-Instituts für Geschichte in Göttingen (dessen nebenberuflicher Mitdirektor er bereits seit 1968 gewesen war). Dort initiierte er maßstabsetzende Impulse für das Institut und die Geschichtswissenschaft in Deutschland, die sich in seiner Einladungspolitik namentlich an ausländische Wissenschaftler und in der Stellenbesetzung am Institut niederschlugen (Alltagsgeschichte und historische Anthropologie, neben nuancierter Sozial- und Ideengeschichte der Aufklärung, einem Gebiet, dem Vierhaus sich verpflichtet fühlte). Vierhaus unterstützte als Direktor am Max-Planck-Institut für Geschichte maßgeblich auch den Aufbau einer Mission Historique Francaise en Allemagne in Göttingen (1977 - 2009).

Rudolf Vierhaus wurde 1990 emeritiert.

Funktionen

Werk

Forschungsgebiete von Rudolf Vierhaus waren die Neuere Geschichte, speziell die vergleichende Sozial-, Verfassungs-, Ideen-, Wissenschafts-, Bildungs- und Kulturgeschichte seit der frühen Neuzeit. Maßstabbildend waren seine Studien zur deutschen und europäischen Aufklärung. Rudolf Vierhaus plädiert für eine neue Kulturgeschichte, die er als Erweiterung der Sozialgeschichte versteht. Als methodische Grundlegung empfiehlt er die Rekonstruktion historischer Lebenswelten, welcher er in seinen Aufsatz Die Rekonstruktion historischer Lebenswelten. Probleme moderner Kulturgeschichtsschreibung nachgeht. Seine Monografien "Deutschland im Zeitalter des Absolutismus" (2. Aufl. 1984), übersetzt ins Englische, und "Staaten und Stände" (1984) gelten als Standardwerke. Zu seinen Hauptwerken zählen ferner die Aufsatzsammlung Deutschland im 18. Jahrhundert. Politische Verfassung. Soziales Gefüge. Geistige Bewegungen (Göttingen 1987) sowie seine gesammelten Beiträge zur Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, die anlässlich seines 80. Geburtstags unter dem Titel Vergangenheit als Geschichte (Göttingen, 2003) erschienen sind.

Ehrungen

  • 1986: Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, verliehen durch Bundesprädident Richard von Weizsäcker am 23.5.1986 in Bonn[2]
  • 1986: Prix Alexander von Humboldt pour la coopération scientifique franco-allemande[2]
  • 1988: Verdienstkreuz des Niedersächsischen Verdienstordens (1. Klasse)[2]
  • 1990: Honorable Fellow der Hebräischen Universität Jerusalem[2]
  • 1991: "Primer socio de Honor" der Universidad Pontificia Comillas de Madrid
  • 1992: Dr. h. c. und Prof. h.c. der Loránd-Eötvös-Universität Budapest [2]
  • 1998: Verdienstmedaille 1. Klasse der Tschechischen Republik, verliehen durch Präsident Václav Havel in Prag
  • 1998: Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland

Literatur

  • Vierhaus, Rudolf: Ranke und die soziale Welt, Diss. phil. Münster 1957, Neue Münstersche Beiträge zur Geschichtsforschung Bd. 1, Münster 1957.
  • Vierhaus, Rudolf: Faschistisches Führertum. Ein Beitrag zur Phänomenologie des europäischen Faschismus, in: Historische Zeitschrift 198 (1964), S. 614 - 639.
  • Vierhaus, Rudolf: Montesquieu in Deutschland. Zur Geschichte seiner Wirkung als politischer Schriftsteller im 18. Jahrhundert, in: Collegium Philosophicum. Joachim Ritter zum 60. Geburtstag, Basel - Stuttgart 1965, S. 403 - 437.
  • Vierhaus, Rudolf: Politisches Bewußtsein in Deutschland vor 1789, in: Der Staat 6 (1967), S. 175 - 196.
  • Vierhaus, Rudolf: Bildung, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Hrsg. v. Otto Brunner / Werner Conze und Reinhart Koselleck, Bd. 1, Stuttgart 1972, S. 508 - 551.
  • Vierhaus, Rudolf: Conservatism, in: Dictonairy of the History of Ideas. Studies of selected pivotal ideas. Ed. by Philip P. Wiener, Vol. 1, New York 1973, S. 477 - 485.
  • Vierhaus, Rudolf: von Ranke, Leopold, in: The New Encyclopedie Britannica, Vol. 15, Chicago / London 1974 und öfters, S. 506 - 508.
  • Vierhaus, Rudolf: Heinrich von Kleist und die Krise des preußischen Staates um 1800, in: Kleist-jahrbuch 1980, S. 9 - 33.
  • Vierhaus, Rudolf: Deutschland im Zeitalter des Absolutismus (1648-1763), Göttingen, 2. Aufl. 1984, Vandenhoeck & Ruprecht, ISBN 3-525-33504-0.
  • Vierhaus, Rudolf: Staaten und Stände. Vom Westfälischen bis zum Hubertusburger Frieden 1648 bis 1763, Propyläen Geschichte Deutschlands Bd. 5, Berlin 1984, Propyläen Verlag, ISBN 3-549-05815-2.
  • Vierhaus, Rudolf (Hrsg.): Das Tagebuch der Baronin Spitzemberg. Aufzeichnungen aus der Hofgesellschaft des Hohenzollernreiches, Göttingen 5. Aufl. 1989, Vandenhoeck & Ruprecht, ISBN 3-525-35811-3.
  • Vierhaus, Rudolf: Vergangenheit als Geschichte. Studien zum 19. und 20. Jahrhundert, hrsg. v. Hans-Erich Bödeker, Benigna von Krusenstjern und Michael Matthiesen, Göttingen 2003, Vandenhoeck & Ruprecht, ISBN 3-525-35179-8.
  • Denkhorizonte und Handlungsspielräume. Historische Studien für Rudolf Vierhaus zum 70. Geburtstag, Göttingen 1992, Wallstein Verlag, ISBN 3-89244-047-6.
  • Erinnerungsstücke. Wege in die Vergangenheit. Rudolf Vierhaus zum 75. Geburtstag, hrsg. von Hartmut Lehmann und Otto Gerhard Oexle, Wien - Köln - Weimar 1992, Böhlau Verlag, ISBN 3-205-98824-8.
  • Schriftenverzeichnis Rudolf Vierhaus, hrsg. v. Benigna von Krusenstjern mit einer Laudation von Hans Erich Bödeker, Göttingen 1992, Vandenhoeck Ruprecht, ISBN 3-525-36230-7.
  • Die Verantwortung des Historikers. Rudolf Vierhaus zum 80. Geburtstag, hrsg. v. Hartmut Lehmann, mit Beiträgen von Maurice Aymard, Hans Erich Bödeker, Jochen A. Frowein, Jan Kren, Hans Mommsen und Moshe Zimmermann, Göttingen 2003, Vandenhoeck & Ruprecht, ISBN 3-525-36276-5.
  • Vierhaus, Rudolf / von Raumer, Kurt: Friede und Vökerordnung, Ernst Klett Verlag Stuttgart 1965/1966.
  • Vierhaus, Rudolf: Über den Umgang mit der Geschichte. Bemerkungen zur politischen Kultur in der Bundesrepublik Deutschland, in: Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung: Von der Verdrängung zur Bagatellisierung ? Aspekte des sog. Historikerstreits, Hannover 1988, S. 9 - 20.
  • Vierhaus, Rudolf: Die "Deutsche Einheit" als Problem der deutschen und europäischen Geschichte seit der Französischen Revolution, in: Karl-Ernst Jeismann (Hrsg.), Einheit - Freiheit - Selbstbestimmung. Die Deutsche Frage im historisch-politischen Bewußtsein, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1987, ISBN 3-89331-004-5.
  • Vierhaus, Rudolf: Frühe Neuzeit - Frühe Moderne ? Forschungen zur Vielschichtigkeit von Übergangsprozessen. Hrsg von Rudolf Vierhaus und Mitarbeitern des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte Bd. 104, Göttingen 1992.
  • Vierhaus, Rudolf: Neubeginn und Entwicklung der deutschen Geschichtswissenschaft in den 1950er/60er Jahren (Interview), in: Rüdiger Hohls, Konrad H. Jarausch (Hrsg.): Versäumte Fragen. Deutsche Historiker im Schatten des Nationalsozialismus. DVA, Stuttgart 2000, ISBN 3-421-05341-3, S. 75−88 online)

Weblinks

Belege

  1. Aufklärung kommt nie an ihr Ende – Sinn für große Fragen und übergreifende Zusammenhänge: Zum Tod des Historikers Rudolf Vierhaus
  2. a b c d e Schriftenverzeichnis, Rudolf Vierhaus, Vadenhoek & Rupprecht 1992, Seite 10

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Rudolf Vierhaus — (né le 29 octobre 1922 à Eickel; mort le 13 Novembre 2011 à Berlin[1]) etait un historien allemand. Il est surtout connu pour ses recherches en Histoire moderne. Sommaire 1 Biographie 2 Œuvre 3 …   Wikipédia en Français

  • Vierhaus — Rudolf Vierhaus (* 29. Oktober 1922 in Wanne Eickel) ist ein deutscher Historiker. Er ist bekannt durch seine Forschungen zur Geschichte der Neuzeit. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werk 3 Literatur 4 Weblinks …   Deutsch Wikipedia

  • Rudolf von Raumer — Rudolf (Heinrich Georg) von Raumer (* 14. April 1815 in Breslau; † 30. August 1876 in Erlangen) war ein deutscher Sprachwissenschaftler sowie Germanistik Professor in Erlangen. Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Wirken 2 Familie 3 …   Deutsch Wikipedia

  • Rudolf Rahn — (* 16. März 1900 in Ulm; † 7. Januar 1975 in Düsseldorf) war ein deutscher Diplomat und Geheimdienstler in der Zeit des Nationalsozialismus. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Paris 3 …   Deutsch Wikipedia

  • Rudolf Freidhof — (* 23. September 1888 in Gerlachsheim; † 25. Dezember 1983 in Kassel) war ein deutscher Politiker der SPD. Von 1921 bis 1928 war Rudolf Freidhof Mitglied des Landtags der Republik Baden. Zwischen 1925 und 1928 war er gleichzeitig Stadtverordneter …   Deutsch Wikipedia

  • Rudolf Goldschmidt — (* 19. März 1876 in Neubukow; † 30. Oktober 1950[1] in London) war ein deutscher Ingenieur, Erfinder und Unternehmer. Goldschmidt wurde im Jahre 1898 Ingenieur. Im folgenden Jahrzehnt arbeitete er in England u. a. bei Westinghouse.… …   Deutsch Wikipedia

  • Rudolf Sprung — (* 16. September 1925 in Hornbostel) ist ein deutscher Politiker (CDU). Er war von 1983 bis 1987 Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft. Inhaltsverzeichnis 1 Ausbildung und Beruf 2 Familie …   Deutsch Wikipedia

  • Rudolf Hecker — (* 21. Oktober 1868 in München; † 27. Februar 1963 in Garmisch Partenkirchen) war ein deutscher Kinderarzt und Hochschullehrer. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Schriften 3 Literatur …   Deutsch Wikipedia

  • Rudolf Hauck — (* 20. April 1924 in Schweinfurt; † 17. Oktober 2003 in Berlin) war ein deutscher Gewerkschafter und Politiker (SPD). Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Beruf 2 Partei 3 …   Deutsch Wikipedia

  • Rudolf Meyer-Ronnenberg — (ab 1959: Meyer Ronberg) (* 19. November 1904 in Ronnenberg; † 28. Oktober 1973 in Kassel) war ein deutscher Politiker (GB/BHE, CDU) Leben und Beruf Meyer Ronnenberg wurde 1928 Geschäftsführer des Verbandes der Lebensmittel Einzelhandelskaufleute …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”