Sternmotor

Sternmotor
Animation eines Sternmotors
Neunzylinder-Sternmotor einer Boeing Stearman PT-13D
Pratt & Whitney R-985 AN14B Sternmotor mit Townend-Ring
Aufgeschnittener Doppelsternmotor
Umlauf-Doppelsternmotor von 1914 im Deutschen Museum
Wassergekühlter russischer 42-Zylinder-Reihensternmotor JSC Zvezda M503 für den Marineeinsatz
Haupt- und Nebenpleuel des 9-Zylinder-Sternmotors BMW 132

Der Sternmotor ist eine Bauform des Verbrennungsmotors, bei der die Zylinder und Kolben sternförmig um die Kurbelwelle herum angeordnet sind.

Inhaltsverzeichnis

Technik

Beim Sternmotor sind alle Zylinder einer Zylinderreihe in einer Ebene angeordnet. Während bei herkömmlichen Kolbenmotoren jeder Kolben über ein Pleuel mit der Kurbelwelle verbunden ist, findet sich eine direkte Verbindung beim Sternmotor nur beim Hauptpleuel (auch Mutterpleuel genannt). Am wellenseitigen Ende des Hauptpleuels befinden sich ringförmig um die Wellenkröpfung angeordnete Gelenklager; die verbleibenden Pleuel (Nebenpleuel genannt) werden über diese Gelenklager mit dem Hauptpleuel verbunden.

Der Ventilantrieb erfolgt im einfachsten Fall durch eine untersetzte Nockentrommel. Es sind jedoch auch Konstruktionen mit einer Nockenwelle pro Zylinder möglich. Im Zweiten Weltkrieg kamen auf britischer Seite auch große Stückzahlen von Schiebermotoren zum Einsatz.

Zylinderzahl

Die Zylinderzahl eines Zylindersterns ist bei Viertaktmotoren immer ungerade. Der Grund dafür ist, dass beim Viertaktmotor jeder Zylinder nur in jeder zweiten Umdrehung gezündet wird, so dass eine durchgängige Zündfolge, die für den ruhigen, vibrationsfreien Lauf des Motors erforderlich ist, nur mit ungeraden Zylinderzahlen realisiert werden kann.

Ein weiterer Vorteil ungerader Zylinderzahlen ist die bessere Stabilität des Kurbelgehäuses, die sich daraus ergibt, dass sich bei einer ungeraden Zahl von Zylindern gegenüber jeder Zylinderbohrung eine Gehäusewandung findet. Die so entstehende Überlappung bietet strukturelle Vorteile. Das Gehäuse wird ohne zusätzliche Maßnahmen deutlich steifer als bei gerader Zylinderzahl.

2-Takt-Sternmotoren wurden auch mit geraden Zylinderzahlen hergestellt, so wurde z. B. 1940 von Adolf Schnürle ein 8-Zylinder-2-Takt-Diesel-Sternmotor gebaut.

Bauformen

Ursprünglich wurden Sternmotoren nur einreihig ausgeführt. Als mehr Leistung gefordert wurde, für die man nicht genug Zylinder nebeneinander anordnen konnte, wurden zweireihige Sternmotoren (auch Doppelsternmotoren genannt) entwickelt: Zwei Zylindersterne wurden hintereinander angeordnet. Mit weiter steigenden Leistungsanforderungen wurden auch vierreihige Sternmotoren produziert, wie z. B. der Pratt & Whitney Wasp Major, der über 28 Zylinder in vier Reihen verfügte.

Zwei oder mehr Ebenen von Zylindern werden bei luftgekühlten Motoren versetzt angeordnet, so dass die Zylinder des hinteren Sterns jeweils hinter den Zwischenräumen im vorderen Stern zu stehen kommen. Vorteile dieser Anordnung sind bei der üblichen Verwendung einer Luftkühlung der gleichmäßige Kühlluftstrom über alle Zylinder. Außerdem ermöglicht dieser Versatz einen gleichmäßigen Lauf des Motors.

Wassergekühlte Sternmotoren sind relativ selten gebaut worden. Anwendungen waren z. B. der Bau von Motoren für tropisches Klima, die sich über eine Wasserkühlung zuverlässiger kühlen ließen, oder später der Bau von kompakten Mehrreihen-Sternmotoren wie dem Jumo 222, einem Vierfach-Sternmotor ohne Zylinderversatz, der eine Mischform zum Reihensternmotor darstellt.

Auch Umlaufmotoren können sternförmig angeordnete Zylinder besitzen. Falls es sich um einen Flugmotor handelt, kann die Kurbelwelle fixiert sein, während die Zylinder sich mit dem daran befestigten Propeller drehen. Diese Bauform fand im ersten Weltkrieg breite Anwendung, während stehende Sternmotoren erst nach dem Krieg in größerer Stückzahl eingesetzt wurden. Bei Motorradmotoren – z. B. Megola – ist hingegen der Umlaufmotor so realisiert worden, dass die Nockenwelle fest mit einem Fahrwerksteil verbunden ist, beim Megola-Motorrad ist es die Vorderradgabel.

Vorteile und Nachteile

Die Notwendigkeit für die Entwicklung von Sternmotoren zeigte sich im Einsatz von konventionellen Motoren in Flugzeugen. Der klassische Hubkolbenmotor mit auf- und abschwingenden Kolben führte in Flugzeugen zu hohen Vibrationen. Der Sternmotor hingegen schwingt ausgeglichener und induziert geringere Schwingungen bzw. Resonanzschwingungen auf den Flugzeugrumpf.

Durch seine Bauform verfügt der einreihige Sternmotor über eine große Stirnfläche und damit über einen großen Luftwiderstand. Die Entwicklung der widerstandsarmen NACA-Haube verbesserte die Situation gegenüber den vorher gebräuchlichen freistehenden Zylindern, dem Townend-Ring oder engangepassten Verkleidungen, konnte den Nachteil gegenüber Reihen- und V-Motoren jedoch nicht vollständig wettmachen. Bei Doppel- und Mehrfachsternmotoren ist der Widerstandsnachteil durch die Anordnung mehrerer Zylindersterne mit der gleichen Stirnfläche weniger ausgeprägt.

Die übliche Luftkühlung ist ebenfalls ungünstig in Bezug auf den Luftwiderstand und führt unvermeidlich dazu, dass nicht alle Zylinder bei der gleichen Temperatur arbeiten und einzelne Zylinder Gefahr laufen, zu überhitzen oder zu unterkühlen.

Die verteilte Zylinderanordnung macht die Führung von Abgasrohren und Gemischzuführungen auf alle Zylinder sehr aufwendig im Vergleich zu Reihen- oder V-Motoren, bei denen jeweils eine oder zwei Leitungen sämtliche Zylinder versorgen können.

Luftgekühlte Sternmotoren verfügen dafür über Vorteile in Bezug auf den Wartungsaufwand, die die US Navy dazu veranlasste, für ihre auf Flugzeugträgern eingesetzten Flugzeuge (bis zur Einführung von Jets) ausschließlich Sternmotoren zu verwenden.

Im militärischen Bereich stellt die geringere Empfindlichkeit von Sternmotoren gegen Beschuss einen weiteren Vorteil dar.

Geschichte

Der erste Umlaufmotor wurde 1899 von Stephen Balzer gebaut. Die ersten Sternmotoren mit stehendem Kurbelgehäuse folgten Anfang des 20. Jahrhunderts und wurden von Luftfahrtpionieren wie Louis Bleriot als Flugmotoren eingesetzt. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges waren Umlaufmotoren die vorherrschende Bauform von Sternmotoren. Standmotoren in Sternbauweise setzten sich erst nach dem ersten Weltkrieg durch, verdrängten die unwirtschaftlichen Umlaufmotoren dann aber vollkommen.

Obwohl Sternmotoren vor allem in der Luftfahrt verwendet wurden, gab es auch andere Anwendungen in Booten und Landfahrzeugen. Das Megola-Motorrad, das über einen 5-Zylinder-Umlaufmotor im Vorderrad verfügte, wurde aufgrund seiner Fahrleistungen und der ungewöhnlichen Bauform sehr bekannt. Die M4A1-Variante des im Zweiten Weltkrieg eingesetzten amerikanischen Sherman-Panzers wurde von einem umgebauten Wright J-5-Whirlwind-Flugmotor in Sternbauweise angetrieben. Prototypen des Volkswagens wurden ebenfalls mit einem 5-Zylinder-Sternmotor projektiert.

Durch seine große Stirnfläche bei gegebener Zylinderzahl war der einreihige Sternmotor für den Hochgeschwindigkeitsflug ungeeignet, und mit der Einführung strömungsgünstiger Eindecker in der militärischen Luftfahrt, die in den 1930er Jahren stattfand, erwiesen sich wassergekühlte V-Motoren als den luftgekühlten Sternmotoren überlegen. Erst mit der Einführung von Doppelsternmotoren, die bei gleicher Stirnfläche über die doppelte Zylinderzahl verfügten, wurden Sternmotoren wieder konkurrenzfähig.

Bei größeren Flugzeugen wie den amerikanischen Langstreckenbombern im Zweiten Weltkrieg, die durchweg mit Sternmotoren ausgerüstet waren, fiel die größere Stirnfläche des Motors gegenüber der Gesamtgröße des Flugzeuges kaum ins Gewicht. Durch den massenhaften Einsatz von Sternmotoren in der USAAF wurden die amerikanischen Sternmotoren auf einen sehr hohen Entwicklungsstand gebracht, und da der Einsatz von Turboladern außerdem einen geringen Treibstoffverbrauch ermöglicht hatte, wurden luftgekühlte Sternmotoren nach dem Zweiten Weltkrieg der in der Zivilluftfahrt vorherrschende Motortyp.

Der Fortschritt in der Entwicklung von Abgasturbinen mündete in der Entwicklung von Turbo-Compound-Motoren, die zum Beispiel in der Lockheed Super Constellation eingesetzt wurden. Bei den Compound-Motoren wurde die Abgasenergie über eine Turbine und eine hydraulische Kupplung als zusätzlicher Antrieb der Propellerwelle verwendet.

Als Propellerturbinen im gleichen Leistungsbereich wie die damals eingesetzten Sternmotoren zur Verfügung standen, verdrängten sie aufgrund ihrer einfachen Bauweise, großen Zuverlässigkeit und verbesserter Wirtschaftlichkeit die Sternmotoren vom Markt. Da der Sternmotor im niedrigen Leistungsbereich mit den günstigeren und kompakteren luftgekühlten Boxermotoren konkurriert und Propellerturbinen heute alle anderen Leistungsbereiche wirtschaftlich abdecken, werden Sternmotoren heute kaum noch eingesetzt.

Literatur

  • Ernst Götsch: Luftfahrzeugtechnik. Motorbuchverlag, Stuttgart 2003, ISBN 3-613-02006-8.

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Sternmotor – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Commons: Sternmotor – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

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