Stinnes-Legien-Abkommen

Stinnes-Legien-Abkommen

Das Stinnes-Legien-Abkommen vom 15. November 1918 war ein Vertrag zwischen Spitzenvertretern der Gewerkschaften und der deutschen Industrie. Seinen Namen verdankt es den beiden federführenden Unterzeichnern: Carl Legien, dem damaligen Vorsitzenden der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands, und dem Ruhrindustriellen Hugo Stinnes.

Das Abkommen begründete eine Zentralarbeitsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden mit der Anerkennung der Gewerkschaften und der von ihnen abgeschlossenen Tarifverträge. Zugleich wurde damit von Arbeitgeberseite die Einrichtung von Arbeiterausschüssen (Betriebsräten) in den Betrieben und die Einführung des Achtstundentags zugestanden. Für die Gewerkschaften bedeutete die Vereinbarung einen sozialpolitischen Durchbruch, denn mit ihm vollzog die Groß- und Schwerindustrie eine radikale Abkehr von ihrer bisherigen antigewerkschaftlichen Politik. Hatte der Staat die Gewerkschaften mit dem Vaterländischen Hilfsdienstgesetz von 1916 als legitime Interessenvertreter der Arbeiter anerkannt, wurden sie nun von den Arbeitgebern als Tarifpartner akzeptiert.

Was für die Gewerkschaften als ein Vertragswerk von grundsätzlicher Bedeutung für den Wandel im Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit galt, war für die Unternehmer ein Not- und Zweckbündnis. Aus Furcht vor einer Sozialisierung ihrer Fabriken in der Novemberrevolution hatten sie, wenige Tage nach Ausbruch der Revolution (9. November), das Abkommen unterzeichnet. „Die Großindustriellen waren in schwerster Sorge vor einer kommenden Sozialisierung […] Sie waren zu allem bereit, wenn sie nur ihr Eigentum behielten.“[1]

Gleichwohl diente das Abkommen als Vorlage für die gesetzliche Regelung der Tarifvertragsbeziehungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden – zunächst in der Weimarer Republik („Verordnung über Tarifverträge, Arbeiter- und Angestellten-Ausschüsse und Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten“ vom 23. Dezember 1918) und später in der Bundesrepublik Deutschland (Tarifvertragsgesetz vom 9. April 1949). Es kann daher als frühes Gründungsdokument der Sozialpartnerschaft begriffen werden, die sich erst in der Sozialordnung der Bundesrepublik Deutschland voll entfaltete.

Literatur

Anmerkungen

  1. Arthur Rosenberg: Geschichte der Weimarer Republik. Hrsg. von Kurt Kersten, EVA, Frankfurt am Main 1961, S. 8.

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