Tupolew-Tu-204/214-Familie

Tupolew-Tu-204/214-Familie
Tupolew-Tu-204/214-Familie
Eine Tu-204-100 der Red Wings Airlines
Eine Tu-204-100 der Red Wings Airlines
Typ: Zweistrahliges Standardrumpfflugzeug
Entwurfsland: SowjetunionUdSSR UdSSR
Hersteller: Tupolew PSC
Erstflug: 2. Januar 1989
Indienststellung: Dezember 1994
Produktionszeit: Seit 1989 in Serienproduktion
Stückzahl: 69 (Stand Dezember 2010)

Die Tupolew Tu-204 ist ein zweistrahliges Mittelstreckenstandardrumpfflugzeug des russischen Unternehmens Tupolew PSC. Sie wurde als Nachfolgemodell der Tupolew Tu-154 entworfen und lässt sich mit den Typen Airbus A321, Boeing 737-900ER und Boeing 757 vergleichen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Entwicklungsziele für einen Nachfolger der Tu-154 in Form der Tu-204 beinhalteten ein modernes Mittelstreckenflugzeug mit 196 Sitzplätzen und einer Reichweite von bis zu 6.500 km sowie mit zwei Mantelstromtriebwerken, wobei es als erstes russisches Flugzeug neben russischen auch mit westlichen Triebwerken ausgerüstet werden sollte. Der Erstflug des Airliners erfolgte am 2. Januar 1989 in Schukowski, die Zertifizierung der ersten Variante folgte im Januar 1995. Federführend bei der Entwicklung des Modells war Leo Aronowitsch Lanowski. Das Programm hat jedoch mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen, da es eigentlich nicht konkurrenzfähig ist. Die Gründe hierfür liegen vor allem in der für den östlichen Markt überdimensionierten Größe und den relativ schlechten direkten Betriebskosten, weshalb die Fluggesellschaften der GUS lieber auf ältere, aber westliche Produkte wie den Airbus A320 oder die Boeing 737 in den klassischen Versionen umsteigen. Das Hauptproblem des Flugzeuges ist hierbei sein viel zu hohes Gewicht. Die Basisversion Tu-204-100 wiegt leer 58t, ein gleich großer Airbus A321 48, eine Boeing 737-900ER sogar nur 44,7t.

In den Augen der Betreiber zeichnet sich die Tu-204 durch eine vergleichsweise hohe Zuverlässigkeit aus. So verzeichnen zum Beispiel die bei KMV eingesetzten Flugzeuge in ihren zehn Jahren Dienstzeit keinerlei Triebwerksausfälle während des Fluges. Jedoch drängen häufige Engpässe der Hersteller bei der Versorgung mit nötigen Ersatzteilen viele andere russische Fluggesellschaften, auch aus diesem Grund, zu vergleichbaren westlichen Flugmustern.[1]

Lediglich ein westlicher Kunde wurde in Form des Logistikunternehmens TNT gefunden, der die Flugzeuge jedoch mittlerweile ausgemustert hat.

Tu-204-100 im Juni 1991 auf der Pariser Luftfahrtschau

Mitte Oktober 2006 wurden erstmals Pläne bekannt, die Flugzeugfamilie zu modernisieren, um gegen die westlichen Gegenstücke besser konkurrieren zu können. Die als Tu-204SM bezeichnete Variante (siehe unten) soll ein verringertes Startgewicht, geringere Reichweite und modernere Triebwerke haben[2] und hatte am 29. Dezember 2010 seinen Erstflug[3]. Mit der geringeren Reichweite passt man sich der westlichen Konkurrenz an, die Gewichtseinsparungen sind jedoch vor dem Hintergrund des Rückstandes sehr klein. Langfristig, bisher ist von 2016 die Rede, soll der Typ durch den MS-21 ersetzt werden. Dieser soll durch einen sehr hohen Anteil an Verbundwerkstoffen in der Konstruktion das Gewicht deutlich verringern.

Technologien

Die Tupolew Tu-204 gehört neben der Iljuschin Il-96 zu den ersten russischen Flugzeugen einer neuen Generation. Für sie wurden neue innovative Technologien verwendet, die man teilweise noch nicht einmal in ihren westlichen Gegenstücken finden konnte. Zu ihnen gehörten ein Fly-by-Wire-System, ein Glascockpit mit sechs Farbbildschirmen, Head-Up-Display, eine vollautomatische Landeeinrichtung, eine fortschrittliche, superkritische Tragfläche mit Winglets, westliche Avionik und eine Variante mit modernen westlichen Rolls-Royce-RB211-535-Triebwerken.

Varianten

Tu-204-100/200

Tu-204-100 der KMV

Die erste Version des Flugzeuges wurde von Solowjow (jetzt Awiadwigatel) PS90-Turbofans angetrieben. Sie benutzt damit russische Triebwerke und auch russische Avionik. Die Tu-204-200 ist eine schwerere Version mit zusätzlichen Tanks zur Reichweitensteigerung. Dieser Typ wird in Kazan gebaut und von den Airlines Transaero und Dalavia betrieben.
Überdies werden auch Cargo-Varianten angeboten, die Tu-204-100C und die Tu-204-200C. Mittlerweile werden auch überarbeitete PS-90A2-Triebwerke angeboten, die einen um 40% längeren mittleren Überholungsabstand vorweisen können.

Tu-204-120/220

Um die Konkurrenzfähigkeit der Tu-204 zu steigern, brachte Tupolew eine neue Variante auf den Markt, die mit westlichen Triebwerken und westlicher Avionik ausgestattet wurde. Der Erstflug der Tu-204-120 mit Rolls-Royce-Triebwerken RB211-535 erfolgte am 14. August 1992. Air Cairo wurde mit einer Bestellung von Tu-204-120 und der dazugehörigen Frachtversion Tu-204-120C im November 1998 Erstkunde. Für größere Reichweiten werden die Tu-204-220 und die Tu-204-220C angeboten.

Tu-204-300

Tupolew Tu-204-300

Die Tu-204-300 ist eine um 6 m gekürzte Variante der Tu-204, um das Flugzeug an die nötigen Kapazitäten anzupassen. Sie ist in zwei Versionen verfügbar; die für die Langstrecke wird von Awiadwigatel PS-90-A2-Triebwerken angetrieben und hat eine Reichweite von 9.300 km, die leichtere Version kann lediglich 3.500 km weit fliegen. Die russische Fluggesellschaft Vladivostok Avia wurde Erstkunde für dieses Flugzeug. Die nordkoreanische Air Koryo setzt ebenfalls die Tu-204-300 ein.

Tu-204SM / Tu-204-400

Die Tu-204SM, auch Tu-204-400 genannt, ist eine derzeit in der Flugerprobung befindliche Version der Tu-204, die bei gleicher Größe etwa 4 bis 5 Tonnen weniger als das Basismodell Tu-204-100 wiegen soll und damit den Abstand zum Airbus A321 in etwa halbieren würde. Dazu soll Gewichtssparpotenzial sowohl an der Struktur wie auch bei der Ausrüstung realisiert werden. Die Tu-204SM soll über ein verbessertes digitales Zweimann-Cockpit mit überarbeiteten Aviapribor-Holding Avionik-Systemen verfügen und darüber hinaus ein neues Flugkontrollsystem, eine neue Klimaanlage des Herstellers Liebherr, verbessertes Flugunterhaltungssystem sowie elektrisch betätigte Klappen erhalten. Als Triebwerke sind Awiadwigatel PS-90A2 mit ETOPS Zulassung vorgesehen, man ist jedoch auch im Gespräch mit CFM International und International Aero Engines über eine mögliche Nutzung von CFM56-5/7 bzw. V2500. Dies sind die Triebwerke, die auch die Konkurrenzmuster von Airbus und Boeing einsetzen.

Der erste Prototyp sollte ursprünglich 2009 erstmals fliegen. Dies verzögerte sich jedoch, so dass der Roll-Out erst am 28. Dezember 2010 stattfand[4], gefolgt vom Erstflug am darauffolgenden Tag, den 29. Dezember 2010.[5][3]

Es ist vorgesehen, dass die Tu-204SM die Tu-204-100 als Standard-Produktionsmodell ablöst. Die für diese Variante entwickelten Änderungen sollen auch für die anderen Modelle der Tu-204-Reihe (einschließlich der Tu-214) übernommen werden.[6] Laut Tupolew-Muttergesellschaft OAK wurden 70% aller Systeme der Tu-204SM gegenüber dem Basismodell z.T. erheblich verbessert.[7]

Tu-204-500

Diese Variante der Tu-204-300 ist optimiert für Kurzstrecken. Dafür benutzt sie kürzere Tragflächen und hat eine höhere Geschwindigkeit. Sie ist ein direkter Konkurrent zu der Boeing 737NG und ETOPS-zugelassen. Eine überarbeitete Version mit verringerter Flügelfläche (bei identischer Spannweite) sollte 2010 erstmals fliegen. Die geringere Flügelfläche soll für den Einsatz auf Kurzstrecken optimiert werden und dabei eine höhere Reisegeschwindigkeit von Mach 0,82 bis Mach 0,85 (statt bisher Mach 0,8) ermöglichen. Der Flügel soll außerdem aufgrund des verstärkten Einsatzes von Verbundwerkstoffen leichter werden.[8][6] Bis Ende 2010 ist jedoch keine Nachricht über diese Variante erfolgt.

Tu-206 und Tu-216

Der Tu-214-Prototyp in Moskau-Schukowski, 1997

Diese Varianten wurden als Testflugzeuge entwickelt. Die Tu-206 wurde mit Erdgas betrieben, während die Tu-216 Wasserstoff nutzte.

Tupolew Tu-214

Bei der Tu-214 handelt es sich um eine schwerere und vielseitig verwendbare Weiterentwicklung der Tupolew Tu-204. Die Kabine der Tu-214 ist sehr flexibel und kann je nach Wünschen und Erfordernissen sowohl in reiner Passagier- oder Frachtkonfiguration, als auch gemischt als Passagier- und Frachtkonfiguration eingerichtet werden. Die Tu-214 wurde speziell auf Mittelstrecken ausgelegt. Sie entspricht westlichen Zulassungskriterien und ist in ihrer Klasse das in der Anschaffung günstigste Flugzeug.
Neben der Basisvariante gibt es auch noch eine Langstreckenversion mit zusätzlichen Tanks mit einer Reichweite von 8.150 km, eine Version mit VIP-Ausstattung, die mit Zusatztanks ausgerüstete eine Reichweite von 9.075 km hat, sowie die Tu-214C3 „quick-change“-Version, deren Konfiguration flexibel und schnell zwischen reinem Frachter und normaler Zweiklassenbestuhlung wechseln kann. Anfang Juni 2009 wurden die ersten beiden bei KAPO in Kasan gebauten Tu-214SR an GTK Rossija (die für den Transport von russischen Regierungsmitgliedern zuständige Fluglinie) übergeben. Vier weitere Exemplare sollen 2010/11 folgen.

Technische Daten

Profil der Тu-204
Kenngröße Tu-204-100 Tu-204-120 Tu-214 Tu-204-300 Tu-204SM
Erstflug 2. Januar 1989 Oktober 1998 21. März 1996 18. August 2003 29. Dezember 2010
Serienproduktion ab 1995 ab 1998 ab 2001 ab 2005 ab 2011
Spannweite 42 m
Länge 46 m 40 m
Höhe 13,88 m
Flügelfläche 184,20 m²
Leergewicht 59.000 kg 54.000 kg
max. Startgewicht 103.000 kg 110.750 kg 107.500 kg 105.000 kg
max. Passagierkapazität 210 157 194
Cockpit-Besatzung 2
Reisegeschwindigkeit 810 km/h
Höchstgeschwindigkeit 850 km/h
Dienstgipfelhöhe 12.600 m
ø Reichweite 6.500 km 6.670 km 7.500 km 4.000 km
Triebwerke Awiadwigatel PS-90A Rolls-Royce RB.211-535 Awiadwigatel PS-90A Awiadwigatel PS-90A2

Betreiber

Flugzeuge der Tupolew-Tu-204/214-Familie kommen in den Flotten verschiedener Airlines, vor allem aus GUS-Staaten, zum Einsatz. Zu den wichtigsten Betreibern gehören unter anderem:

Laut der Datenbank von Aerotransport.org sind derzeit insgesamt 35 von 49 gebauten Maschinen der Flugzeug-Familie im Einsatz. Mindestens sechs Maschinen wurden zwischenzeitlich abgestellt, darunter auch zwei Tu 204-120 bzw. Tu 204-120C der Air Cairo auf dem Flughafen von Kairo. Ebenso war das Frachtunternehmen TNT Kunde, die Maschinen wurden aber inzwischen wieder ausgesondert.

Zwischenfälle

  • Am 14. Januar 2002 wurde eine Tu-204-100 der Siberia Airlines bei einem Flug von Frankfurt nach Nowosibirsk aufgrund schlechten Wetters nach Omsk umgeleitet. Beim Landeanflug fielen beide Triebwerke aus, es gelang der Besatzung aber noch, das Fahrwerk auszufahren. Die Maschine (Registrierungsnummer RA-64011) schoss 450 m über die vereiste Landebahn hinaus und wurde beschädigt, später aber wieder repariert.[11]
  • Am 22. März 2010 stürzte dieselbe Tu-204 (RA-64011), mittlerweile in Diensten der Fluggesellschaft Aviastar, im Landeanflug auf den Flughafen Moskau-Domodewodo ab. Das Flugzeug war auf diesem Flug lediglich mit Crew-Mitgliedern besetzt. Alle Insassen überlebten den Absturz. Das Flugzeug wurde zerstört.[12][13]

Siehe auch

Literatur

  • Harald Franke: Eine Neuheit aus dem Konstruktionsbüro A. N. Tupolew. in: Horst Schädel (Hg.): Fliegerkalender der DDR 1989. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 83-87.

Weblinks

 Commons: Tupolew Tu-204 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Commons: Tupolew Tu-214 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Pressemeldung der KMV vom 5. Juli 2010 (russisch) (abgerufen am 7. Januar 2011; 19:07 MEZ)
  2. RIA Novosti: Neue Tu-204 soll Airbus 320 Konkurrenz machen
  3. a b Aviation Week: Tu-204SM Completes First Flight, 30. Dezember 2010
  4. Flight Global: Tupolev rolls out first Tu-204SM (28. Dezember 2010)
  5. Flight Global: Tu-204SM flies for first time (31. Dezember 2010) Video (Flash)
  6. a b Vladimir Karnozov: Tupolev to showcase Tu-204SM in 2009. Flight International, 17. September 2007, abgerufen am 1. Januar 2011 (englisch).
  7. Flight Global: Tu-204SM conducts maiden flight
  8. Tupolew: About us. PSC «Tupolev», abgerufen am 1. Januar 2011 (englisch).
  9. Nahaufnahme einer Cubana-Tu-204 auf airliners.net
  10. Nahaufnahme einer Tu-204 der Red Wings auf airliners.net
  11. Bericht zum Zwischenfall des Aviation Safety Network (englisch)
  12. Meldung des Zwischenfalls auf Flightglobal.com (Englisch)
  13. Bericht zum Zwischenfall des Aviation Safety Network (englisch)

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