Herzogtum Friedland

Herzogtum Friedland
Albrecht von Wallenstein, kaiserlicher Generalissimus im Dreißigjährigen Krieg, schuf sich mit der Herrschaft Friedland sein eigenes Herzogtum. Kupferstich von Hendrik Hondius, 1625/28

Das Herzogtum Friedland (tschechisch Frýdlantské vévodství) war ein kurzlebiges Herrschaftsgebiet während des Dreißigjährigen Krieges. Das im nordöstlichen Böhmen gelegene Territorium war eine Schöpfung des kaiserlichen Generalissimus Albrecht von Wallenstein, der seit 1625 auch den Titel eines Herzogs von Friedland trug. Wallenstein baute Friedland ab 1621 innerhalb weniger Jahre als Musterstaat mit straffer Verwaltung auf, steigerte die Produktion in Landwirtschaft, Bergbau und Gewerbe und nutzte diese Erträge zur Versorgung seiner Armee. Namensgebend war die Stadt Friedland in Nordböhmen; Residenzstadt war das im Böhmischen Paradies gelegene Jitschin.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Das Herzogtum Friedland lag nordöstlich von Prag. Es umfasste den größten Teil des Gebiets, das vom bogenförmigen Verlauf der Elbe in Böhmen umrahmt wird[1]. Im Norden grenzte das Herzogtum an Schlesien und an die Oberlausitz. Zum Herrschaftsgebiet gehörten das Iser- und Teile des Riesengebirges mit dem Quellgebiet der Elbe. Insgesamt umfasste das Herzogtum eine Fläche von rund 9000 Quadratkilometern[2].

Entstehung

Die Entstehung des Herzogtums steht in unmittelbaren Zusammenhang mit der Niederschlagung des böhmischen Aufstands durch kaiserlich-katholische Truppen. Nach der entscheidenden Schlacht am Weißen Berg und der Flucht des von den böhmischen Ständen gewählten „Winterkönigs“ Friedrich V. von der Pfalz aus Prag setzte ein habsburgisches Strafgericht gegen die Rebellen ein, das im Juni 1621 in der öffentlichen Hinrichtung von 27 Aufständischen auf dem Altstädter Ring in Prag gipfelte. Die Güter der Rebellen wurden in großem Umfang von der Krone konfisziert und neu an kaisertreue Herren verteilt[3].

Zu diesen gehörte auch Wallenstein, der im Januar 1622 zum Militärbefehlshaber in Böhmen ernannt wurde. Diese Machtstellung und die damit verbundenen Insiderinformationen nutzte er aus, um seinen Landerwerb zielstrebig voranzutreiben. Begünstigt wurde Wallensteins Aufstieg zum Magnaten auch dadurch, dass er wegen der früher geleisteten Kriegsdienste als Regimentskommandant zum Gläubiger Kaiser Ferdinands II. geworden war. Wegen mangelnder Liquidität in seiner Kriegskasse ging Ferdinand dazu über, diese Schulden vorläufig durch die Verpfändung von Ländereien zu begleichen[4]. Schließlich war Wallenstein auch Teilhaber des Münzkonsortiums von 1622, das das Münzregal vom Kaiser pachtete und eine bewusste Inflation des Guldens durch Verminderung des Silbergehalts betrieb. Wallenstein nutzte diese Gelegenheit, um Landbesitz mitunter weit unter Wert aufzukaufen[5].

Keimzelle des späteren Herzogtums waren die Herrschaften Friedland und Reichenberg, die Ferdinand II. im Juni 1621 zunächst an Wallenstein verpfändete und ihm ein Jahr darauf als ewiges Erblehen überließ. In einem „Taumel des Tauschens, Kaufens und Wiederverkaufens“[6] kamen bis Anfang des Jahres 1624 49 weitere Güter und Besitzungen hinzu. Dabei verfolgte Wallenstein erfolgreich das Ziel, seine Erwerbungen zu einem geschlossenen Territorium zusammenzufügen und dauerhaft rechtlich abzusichern: Nachdem er Wallenstein und dessen Nachkommen den Besitz Friedlands bereits 1622 als Fideikommiss bestätigt hatte, erhob Ferdinand II. das Territorium im März 1624 zunächst zum Fürstentum und im Juni 1625 schließlich zu einem Herzogtum[7]. Persönlich war Wallenstein, der Herzog von Friedland, dadurch in den Reichsfürstenstand aufgestiegen. Zudem übertrug ihm Ferdinand II. 1628 das Herzogtum Sagan.

Verwaltung

Wallenstein etablierte seine Herrschaft in Friedland mit dem Aufbau einer straffen Verwaltungsstruktur, die von einem ihm per Amtseid verpflichteten Beamtenapparat getragen wurde. An der Spitze der Hierarchie stand der Landeshauptmann, gleichsam als Stellvertreter des oft abwesenden Herzogs. Von 1624 bis 1631 hatte dieses Amt Gerhard von Taxis inne[8]. Dem Landeshauptmann unterstanden zwei Zentralbehörden: Die für die Wirtschafts- und Finanzverwaltung zuständige Kammer und die Kanzlei für den juristisch-administrativen Bereich. Auf der regionalen und lokalen Ebene waren die beiden Zweige der Verwaltung vereinigt. Das Herzogtum gliederte sich in Bezirke, die jeweils einem Hauptmann unterstanden, darüber gab es Kreise mit Oberhauptleuten an der Spitze[9].

Blick über den Wallenstein-Platz in der tschechischen Stadt Jičin, der früheren Residenz des Herzogtums Friedland

Einige Städte erlangten nach und nach den Status einer freien Herzogsstadt mit autonomer Verwaltung, neben Friedland auch Reichenberg, Böhmisch-Leipa und Arnau[10]. Die besondere Förderung Wallensteins genoss das im Böhmischen Paradies gelegene Jitschin, das er zur Residenzstadt des Herzogtums erhob: Hier entfesselte der Landesherr einen Bauboom, so dass sich der vormals unbedeutende Flecken innerhalb weniger Jahre zu einem Zentrum des Handwerks und des Handels entwickelte sowie zu einer repräsentativen Barockstadt. Als deren Herzstück war der neue herzogliche Palast vorgesehen, der allerdings unvollendet blieb[11].

Kriegswirtschaft

Ab 1625 stand das Herzogtum ganz im Zeichen der Kriegswirtschaft. Ziel war es, die Versorgung der von Wallenstein geführten kaiserlichen Armee mit Lebensmitteln, Kleidung, Waffen und Munition so weit wie möglich aus friedländischer Produktion sicherzustellen. Viele landwirtschaftliche Güter und gewerbliche Produktionsstätten befanden sich in der Hand des Fiskus. Wo dies nicht der Fall war, sicherte sich Wallenstein durch Handelsmonopole den Zugriff auf die Erträge. Das friedländische System kann daher als Staatswirtschaft oder Planwirtschaft charakterisiert werden[12].

Mit äußerst detaillierten Anweisungen, die auch während seiner Feldzüge stetig und in großer Zahl an seine Beamten ergingen, sorgte Wallenstein dafür, dass die Erträge in nahezu allen Wirtschaftszweigen deutlich gesteigert werden konnten und zuvor brachliegende Potenziale ausgeschöpft wurden. Die bedeutendsten Gewerbe waren die Tuchmacher, Weber, Schneider, Gerber und Schuster sowie die Brauereien. Im Umfeld der Eisenhütte von Raspenau wurden Rüstungsgüter in Massenfertigung hergestellt[13]. Auch Innovationen wie zum Beispiel Zwieback als haltbares Grundnahrungsmittel der Soldaten[14] oder die Einführung einer reitenden Schnellpost[15] kennzeichnen den friedländischen Aufschwung.

Musterstaat

So zeigte sich in Friedland, („...)dass der Krieg ein Land reicher machen kann, wenn es nicht selber sein Schauplatz ist“[16]. Zumal der kaiserliche General darauf bedacht war, dass sein Herzogtum von Einquartierungen seiner Armee verschont blieb[17]. Mit dieser prosperierenden, integrierten Wirtschaft, mit seinen loyalen, fest besoldeten und daher für Korruption vergleichsweise wenig anfälligen Beamten[18], mit seinen einheitlichen Maßen und Gewichten, wegen der Neugründung zahlreicher Einrichtungen der Bildung und Armenfürsorge sowie aufgrund der rational-gemäßigt und nicht fanatisch durchgeführten Gegenreformation kann man Friedland als einen Musterstaat der frühen Neuzeit bezeichnen[19]. Bekannt ist die Titulierung Friedlands als „terra felix“ (glückliches Land) im Unterschied zur „terra deserta“ (verlassenes Land), womit das übrige Böhmen gemeint war[20]. Auch formal war es Wallenstein weitgehend gelungen, das Herzogtum Friedland aus dem böhmischen Staatsverband herauszulösen: Er prägte seit 1625 seine eigenen Münzen und wurde 1627 von Ferdinand II. als oberster Gerichtsherr und letzte Berufungsinstanz in seinem Territorium bestätigt[21].

Auflösung

Im Zusammenhang mit der Ermordung Wallensteins im Februar 1634 wurde das Herzogtum Friedland von kaiserlichen Truppen besetzt und zerschlagen. Die Wirtschaftsblüte in dem Gebiet ging damit zu Ende. Da Wallenstein als Hochverräter galt, wurden die Ansprüche seiner Familie auf das Erblehen von Ferdinand II. nicht anerkannt. Von der Neuverteilung der Güter profitierten insbesondere die an der Verschwörung gegen Wallenstein beteiligten Offiziere.[22]

Literatur

  • Hellmut Diwald: Wallenstein. Eine Biographie, München/Esslingen 1969.
  • Anton Ernstberger: Wallenstein als Volkswirt im Herzogtum Friedland, Reichenberg 1929.
  • Golo Mann: Wallenstein. Sein Leben, Frankfurt am Main 1997 (zuerst 1971).
  • Robert Rebitsch: Wallenstein. Biographie eines Machtmenschen, Wien/Köln/Weimar 2010.

Einzelnachweise

  1. vgl. Mann, S. 257 (Landkarte)
  2. vgl. Diwald, S. 193
  3. vgl. Diwald, S. 170
  4. vgl. Rebitsch, S. 99
  5. vgl. Mann, S. 203
  6. zit. n. Mann, S. 204
  7. vgl. Rebitsch, S. 99 ff.
  8. vgl. Rebitsch, S. 102
  9. vgl. Diwald, S. 231f.
  10. vgl. Mann, S. 259
  11. vgl. Diwald, S. 235 sowie Rebitsch, S. 114f.
  12. vgl. Ernstberger, S. 13
  13. vgl. Mann, S. 264
  14. vgl. Ernstberger, S. 101
  15. vgl. Mann, S. 264
  16. zit. n. Mann, S. 255
  17. vgl. Ernstberger, S. 10
  18. vgl. Mann, S. 255
  19. so Diwald, S. 227
  20. vgl. Mann, S. 254
  21. vgl. Mann, S. 256
  22. vgl. Mann, S. 968ff. sowie Ernstberger, S. 14

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