Dick Marty

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Dick Marty (* 7. Januar 1945 in Sorengo; heimatberechtigt in Lugano und Guttet-Feschel) ist ein Schweizer Politiker (FDP) und ehemaliger Staatsanwalt des Kantons Tessin. Er vertrat von 1995 bis 2011 den Kanton Tessin im Ständerat. Darüber hinaus war er Abgeordneter des Europarats und Mitglied der OSZE-Kommission für Menschenrechte. Er ist seit 2011 Präsident der Interjurassischen Versammlung (IJV).

Leben

Marty studierte Rechtswissenschaften an der Universität Neuenburg. Von 1972 bis 1975 arbeitete er am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg im Breisgau, wo er für die Abteilung Schweizer Recht zuständig war. 1975 wurde er zum Staatsanwalt des Kantons Tessin ernannt. In diesem Amt fiel er wegen seines energischen Vorgehens gegen organisiertes Verbrechen und Drogenmissbrauch auf.

Für seine Verdienste ehrte ihn 1987 das US-amerikanische Justizministerium; ausserdem erhielt er eine Auszeichnung der Internationalen Vereinigung der Drogenbekämpfungsbehörden. 1989 wurde Marty zum Regierungsrat des Kantons Tessin gewählt. In dieser Funktion leitete er das kantonale Finanzdepartement und war 1992 Regierungsratspräsident. 1995 verzichtete er auf eine erneute Kandidatur für die Kantonsregierung. Im Herbst 1995 wurde er in den Ständerat gewählt.

Im Ständerat war er Mitglied verschiedener wichtiger Kommissionen, darunter in der Finanzkommission und der Kommission für Wirtschaft und Abgaben. Er spielte eine Schlüsselrolle bei der Beratung über die neue Schweizer Bundesverfassung.

Von 1998 bis 2011 war Marty Abgeordneter des Europarats.[1] 2005 wurde Marty beauftragt, die Untersuchungen zu den vermuteten geheimen Gefangenentransporten und Gefangenenlagern (Black sites) der CIA in Europa zu leiten.

Da die Schweiz kein Berufsparlament kennt, arbeitet Marty Teilzeit als Rechts- und Wirtschaftsberater. Von 1996 bis 2007 war er Präsident der Organisation Schweiz Tourismus.

Im Jahr 2007 gewann er den SwissAward in der Kategorie Politik. Am 10. November 2007 wurde Marty mit dem Menschenrechtspreis 2007 der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) geehrt. Marty erhielt den Preis für seine Arbeit als Ermittler des Europarats zu illegalen Aktivitäten des US-Geheimdienstes CIA in Europa. Er hatte im Juni 2006 und im Juni 2007 zwei Berichte über Geheimgefängnisse und Überführungsflüge von Gefangenen des US-Geheimdienstes CIA in Europa vorgelegt. Darin hatte Marty unter anderem die Existenz von Geheimgefängnissen der CIA in Polen und Rumänien als erwiesen bezeichnet. Mehrere europäische Länder beschuldigte er, die Augen vor illegalen Aktivitäten der Amerikaner verschlossen zu haben. Zuletzt untersuchte Marty ausserdem die schwarze Liste der UNO zu Terrorverdächtigen. Marty hatte die UNO-Liste bereits im April 2007 scharf kritisiert. Da diese geheim sei, hätten die Betroffenen nicht die Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen und Einspruch einzulegen. Den Terrorverdächtigen müsse ein «Minimum an Transparenz und das Recht auf Verteidigung» zugestanden werden.

Die Nachfolge von Dick Marty im Vorsitz des Rechtsausschusses der Parlamentarischen Versammlung im Europarat trat am 22. Januar 2008 die frühere deutsche Justizministerin Däubler-Gmelin an.[2]

In einem am 14. Dezember 2010 veröffentlichten Bericht[3] für den Europarat schrieb Dick Marty, Hashim Thaçi und weitere frühere Führer der kosovarischen Befreiungsarmee UÇK seien am Handel mit Organen serbischer Gefangener nach dem Kosovokrieg 1998–99, an Auftragsmorden und anderen Verbrechen beteiligt gewesen.[4] Thaçi sagte darauf, die Vorwürfe entbehrten jeglicher Grundlage und verlangte eine unabhängige Untersuchung.[5] Die Parlamentarische Versammlung des Europarats nahm Martys Bericht am 25. Januar 2011 an. Die Abgeordneten verlangten in einer Resolution eine seriöse Untersuchung der Vorfälle.[6]

Seit Anfang 2011 ist Marty Präsident der Interjurassischen Versammlung (IJV); er wurde dazu im Dezember 2010 vom Bundesrat ernannt.[7] Bei den Ständeratswahlen 2011 tritt Marty nicht mehr an.[8] Auch verlässt er 2011 den Europarat.[1][9][10]

2011 wurde Marty mit dem Fischhof-Preis[11] und dem Thomas-Dehler-Preis ausgezeichnet.[12] Am 14. Oktober 2011 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Universität Genf verliehen.[13]

Im August 2011 wurde Marty zu einem der Vizepräsidenten der Weltorganisation gegen Folter (OMCT) gewählt.[14][15]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Abgang eines Hartnäckigen. In: Neue Zürcher Zeitung vom 5. Oktober 2011
  2. Europarat Däubler-Gmelin wird Nachfolgerin von Dick Marty Der Tagesspiegel vom 22. Januar 2008 16:56 Uhr.
  3. Inhuman treatment of people and illicit trafficking in organs in Kosovo (provisional version) in: Europarat, Entschließungsentwurf und erläuterndes Memorandum von Dick Marty, (englisch, PDF) vom 12. Dezember 2010, abgerufen am 19. Dezember 2010; Anhang zum Bericht: Karte
  4. Kosovo-Premier Thaçi soll an Organmafia beteiligt sein in: Spiegel Online vom 15. Dezember 2010
  5. Thaci kritisiert Marty in: NZZ Online vom 21. Dezember 2010
  6. Martys Bericht zum mutmasslichen Organhandel im Kosovo angenommen in: Aargauer Zeitung vom 25. Januar 2011
  7. Dick Marty zum neuen Präsidenten der Interjurassischen Versammlung ernannt. In: admin.ch vom 17. Dezember 2010
  8. Die letzte Debatte. In: Tages-Anzeiger vom 30. September 2011
  9. 13 Jahre Europarat: Dick Marty zieht Bilanz. Gespräch in: Schweizer Radio DRS vom 7. Oktober 2011 (26 Minuten)
  10. «Ich war überall ein Störfaktor». In: Tages-Anzeiger vom 7. Oktober 2011
  11. Medienmitteilung vom 11. Juli 2011 (PDF-Datei)
  12. Verleihung des Thomas-Dehler-Preises 2011. In: Thomas-Dehler-Stiftung vom 30. September 2011
  13. Dies academicus 2011: deux regards sur les droits humains. In: Universität Genf vom 10. Oktober 2011, abgerufen am 8. November 2011
  14. Dick Marty neu OMCT-Vizepräsident in: Bieler Tagblatt vom 22. August 2011
  15. Dick Marty appointed new Vice-President of the World Organisation Against Torture (OMCT). Pressemitteilung in: Weltorganisation gegen Folter (OMCT) vom 22. August 2011

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